14.10.2025 Internationales Symposium zur Verabschiedung des renommierten Zellbiologen Roland Lill
Die Zellkraftwerke ‚Mitochondrien‘ und deren Beziehung zu Metallen in der Diskussion der Forschungsgemeinde
Die Philipps-Universität Marburg und der Fachbereich Medizin verabschieden einen ihrer international renommiertesten Forschenden mit einem Forschungssymposium: Prof. Dr. Roland Lill verschrieb seine akademische Karriere der grundlegenden Untersuchung der Zellkraftwerke Mitochondrien und deren Rolle bei Stoffwechselprozessen, insbesondere bei dem von seiner Arbeitsgruppe entdeckten lebenswichtigen Prozess der Eisen-Schwefelprotein-Biogenese. Seine bahnbrechenden Forschungen wurden im Jahr 2003 von der Deutsche Forschungsgemeinschaft mit der Vergabe des Leibnizpreises gewürdigt.
Unter dem Thema „Mitochondria Meet Metals“ würdigte die Scientific Community vergangenen Freitag das Wirken von Lill als Forscher, Mentor und Hochschullehrer, der seit 1996 an der Philipps-Universität Marburg arbeitet. Auf dem Symposium sprachen renommierte Wegbegleiter*innen und Kooperationspartner*innen von Lill aus Deutschland, Frankreich, Polen, Tschechien und den USA vor rund 100 Gästen. Im Anschluss erhielt Lill die Euricius-Cordus-Medaille durch den Dekan des Fachbereichs Medizin, Prof. Dr. Michael Hertl, für seine Verdienste. Die Laudatio übernahm Prof. Dennis R. Winge aus Salt Lake City, USA. Abschließend hielt Prof. Lill seine Abschiedsvorlesung.
Entdeckungen und Meilensteine
Roland Lill verschrieb sein Forscherleben dem mechanistischen Verständnis von molekularen Prozessen in der Zelle. Nach ersten Arbeiten zur Synthese und zum Transport von Proteinen in Bakterien widmete er sich den biochemischen Vorgängen bei der Synthese und Funktion der Mitochondrien in den Zellen. Mitochondrien gelten als Kraftwerke der Zelle, da sie das biochemische Energiemolekül ATP herstellen. Bisher ging man davon aus, dass dies die lebenswichtigste Funktion der Mitochondrien sei. Lills Arbeitsgruppe entdeckte jedoch 1999 in Marburg einen noch zentraleren Prozess der Mitochondrien, die Biogenese sogenannter Eisen-Schwefelproteine. Dieser Prozess benötigt allein über 30 Biogenese-Proteine, die überwiegend in Marburg entdeckt wurden.
Diese Biogenese-Proteine stellen schrittweise einen Kofaktor aus Eisen und Schwefel, den sogenannten Eisen-Schwefelcluster, her und bauen ihn in Proteine ein, damit diese als Elektronentransporter oder Katalysatoren funktionsfähig werden. Die Zelle beisitzt rund 80 solcher Eisen-Schwefelproteine, die etwa für die Zellatmung, die Herstellung von Proteinen sowie die Synthese und Reparatur von DNA benötigt werden. Lills Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass ohne die Eisen-Schwefelprotein-Biogenese praktisch alle Zellkern-haltigen Organismen nicht lebensfähig sind.
Ist die Funktion dieses Prozesses beim Menschen nur teilweise, z.B. als Folge von genetischen Mutationen, gehemmt, entstehen neurologische und hämatologische Erkrankungen wie z.B. die Friedreich Ataxie. Lills biochemische Arbeiten haben vor kurzem zum Verständnis beigetragen, was bei dieser neurodegenerativen Erkrankung molekular schief läuft. Diese Erkenntnisse werden für die Therapieentwicklung bedeutsam sein.
„Mit seinem außergewöhnlichen wissenschaftlichen Scharfsinn und seiner unerschütterlichen Neugier hat Roland Lill unser Verständnis der zellulären Prozesse nachhaltig geprägt. Seine Forschung zur Eisen-Schwefelprotein-Biogenese hat die Biochemie weltweit beeinflusst und Marburg als Standort für Spitzenforschung international sichtbar gemacht. Darüber hinaus hat er Generationen von Studierenden und Nachwuchsforschenden mit seiner Leidenschaft für Wissenschaft inspiriert“, würdigt Prof. Dr. Thomas Nauss, Präsident der Philipps-Universität Marburg, die außergewöhnliche Karriere von Roland Lill.
Karriere und wissenschaftliches Wirken
Roland Lill, Jahrgang 1955, studierte Chemie in Ulm und München, promovierte in Biochemie in München und war nach einer zweijährigen Postdoktorandenzeit an der University of California in Los Angeles wissenschaftlicher Assistent am Institut für Physiologische Chemie an der Universität München. Seit 1996 ist Lill Professor am Institut für Klinische Zytobiologie und Zytopathologie der Philipps-Universität Marburg.
Er erhielt 2003 mit dem Leibnizpreis die höchste Auszeichnung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sowie später den Feldberg-Preis und Preise der deutschen und italienischen Gesellschaften für Chemie. Er war an zahlreichen Forschungsverbünden beteiligt und leitete 12 Jahre lang einen Sonderforschungsbereich der DFG zum Thema „Intrazelluläre Kompartimentierung“.
Lill war Max-Planck-Fellow des Max-Planck-Institutes für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und ist gewähltes Mitglied der European Molecular Biology Organisation (EMBO) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, wo er derzeit auch als Sprecher für die Lebenswissenschaften fungiert. Sein wissenschaftliches Werk umfasst über 250 Arbeiten in internationalen Fachzeitschriften. Er war Fachkollegiat und Senator der DFG, und organisierte zahlreiche internationale Konferenzen. Nach dem Erreichen der Altersgrenze sicherten sich Land Hessen und Universität die Expertise von Lill durch eine Gastprofessur. Im Jahr 2021 zog sein Institut aus der Marburger Innenstadt auf die Lahnberge, was der passionierte Radfahrer als sportliche Herausforderung gern annahm. Auf den Lahnbergen ist sein Institut Teil des Zentrums für synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO), das er 2010 mitgegründet hat. Besonders am Herzen lag Lill auch die akademische Lehre, wofür er von den Studierenden mehrere Male mit dem Preis für die beste Lehre ausgezeichnet wurde.
Kontakt
Prof. Dr. Ulrich Mühlenhoff, Prof. Dr. Ralf Jacob
Tel.: 06421 28-64171
Mail: muehlenh@staff.uni-marburg.de
Institut für Molekulare Zellbiologie
Philipps-Universität Marburg