21.12.2020 In Landwirtschaft und Gartenbau gefürchtet: Sperlinge, Raben und Tauben im 18. Jahrhundert

Auf einem Grenzgang zwischen der Rechts- und Verwaltungsgeschichte, der Landesgeschichte und der Ornithologie, in die er sich als Historiker einbringt, hat Professor Niklot Klüßendorf die Bekämpfung gefiederter Schädlinge in der Grafschaft Hanau von 1683 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts behandelt. Er stellt darin das Thema in den übergeordneten Rahmen der Beziehung von Mensch und Natur in der Geschichte.

Foto: Niklot Klüßendorf
Foto: Rabenkrähe beim Hessischen Staatsarchiv Marburg (8. Juni 2020). Foto: N. Klüßendorf

Der Rahmen des Kleinstaats geht über das Aussterben des Grafenhauses (1736) in die Zeit des schrittweisen Übergangs von Hanau-Münzenberg in die Landgrafschaft Hessen-Kassel (1785). Als Schädlinge galten drei Arten schwarmweise auftretender Vögel: zwei wild lebende, Sperlinge und die Familie der Rabenvögel, als die unterschiedslos Raben, Krähen, Dohlen und Elstern verstanden wurden, sowie Tauben, die meist in privaten Schlägen gehalten wurden. Es galt, Felder und Gärten damit die menschliche Ernährung vor Störungen durch die Vögel zu schützen. Zentrale Maßnahme war die Pflicht der Bevölkerung, über Kopfquoten seit 1683 Sperlinge und seit 1737 Rabenvögel zur Strecke zu bringen. Seit 1725 waren der Abschuss von Raben und die systematische Vernichtung ihrer Brut geregelt. So fielen 1757 im Lohewald bei Niederdorfelden, einem wohl von Saatkrähen bevölkerten Kolonienbrutplatz, in zwölf Tagen über 18.000 Eier und Nestlinge einem regelrechten Feldzug zum Opfer. Milderungen setzten erst um 1768 ein. Gegen Tauben waren Verbote der Haltung und Restriktionen gegen ihren Ausflug zu Saat- und Erntezeiten gerichtet, bis 1757 die Halter mit Bußgelddrohungen in die Ordnung eingebunden wurden.

Die Maßnahmen gegen die drei Arten standen isoliert nebeneinander. Ihre Durchsetzung litt unter unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden und kamen in Zeiten geringeren Aufkommens der Vögel außer Gebrauch. Häufig waren Missbräuche: Vorlage nicht betroffener Vogelarten, Mehrfachvorlage erlegter Vögel, fragwürdige Dokumentation der Einlieferungen sowie der verpönte Kauf von Vögeln im Ausland, um im Inland die Bußgeldpflicht zu umgehen. Fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung sowie nachlässige und ungleichmäßige Amtsführung verursachten Löcher im Netz der Bekämpfungsmaßnahmen. In dem in viele Exklaven zersplitterten Ländchen waren die Verordnungen kaum flächenhaft durchzusetzen. Doch sein Verwaltungshandeln steht nun exemplarisch für einen frühneuzeitlichen Kleinstaat in einer Zeit, die noch so weit vom Aufkommen eines Vogelschutzes entfernt war, dass selbst für den Abschuss von Steinadlern und Uhus noch Abschussprämien ausgesetzt wurden.

Niklot Klüßendorf: Die Bekämpfung von „Schadvögeln“ in der Grafschaft Hanau im 17. und 18. Jahrhundert, in: Ornithologische Mitteilungen 72 (2020), H. 1-12, S. 3-36, 12 Abb. Bezugsquelle: Ornithologische Mitteilungen, Ubbo Mammen, Buchenweg 14, 06132 Halle (https://www.ornithologische-mitteilungen.de).

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