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Konstruktion und Verargumentierung von Antike in Nordamerika, 1763 - 1809

Tagung vom 12. bis 13. November 2009 in Marburg

Rezeptions- und Perzeptionsgeschichte ist inzwischen ein etablierter Bestandteil einer sich selbst und die eigenen Voraussetzungen reflektierenden Geschichtswissenschaft. Insbesondere in der Alten Geschichte spielen Fragen der Rezeption antiker Figuren und Ereignisse seit längerem eine beträchtliche Rolle, wobei insbesondere dem kürzlich verstorbenen Marburger Althistoriker Karl Christ das Verdienst zukommt, auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet zu haben. Die Arbeitstagung knüpft an bisherige Ansätze an, richtet den Blick aber auf ein spezielleres Phänomen: die besondere Affinität der frühen USA zur klassischen Antike. Es ist keine neue Beobachtung, daß Zitate antiker Schriftsteller in politischen Schriften und Reden im Umfeld der amerikanischen Revolution in immenser Häufigkeit nachgewiesen werden können. Vorarbeiten, die zum Teil schon in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, blieben zumeist auf einer deskriptiven Ebene stehen und begnügten sich teilweise gar mit der reinen Feststellung des Phänomens. Überdies haben sich Neuzeithistoriker und Altertumswissenschaftler in sehr unterschiedlicher Weise mit dem Thema auseinandergesetzt.

Aus diesem Grund liegt es nahe, Altertumswissenschaftler und Neuzeithistoriker zu einem wissenschaftlichen Dialog zusammenzubringen, um die Fragen der Antikenrezeption in Amerika gemeinsam zu diskutieren. Als Ausgangspunkt soll die Frage gestellt werden, welche Denktraditionen und Vorstellungsmuster die Lektüre antiker Texte beeinflußten und in welchem Verhältnis dieser Rezeptionsvorgang zu den politischen Diskursen und Sprachen der Zeit stand. Ein erster Schritt zu einer solchen Einordnung ist die Herausarbeitung Rezeptionsvorgänge in der Antike selbst, um davon ausgehend die Bilder und Vorstellungen analysieren zu können, die man sich im Amerika des 18. Jahrhunderts von der Antike machte. Konstruktion und Verargumentierung sind dabei nicht als zwei voneinander getrennte Vorgänge zu betrachten, sondern als Einheit, die sowohl unreflektiert und unbewußt als auch bewußt und intentional gedacht werden kann. Es läßt sich daher die Frage stellen, ob der Rekurs auf die Antike im Amerika des 18. Jahrhunderts nicht auch als Ausprägung einer politischen Sprache zu verstehen ist, die nationaler Identitätsstiftung ebenso diente wie der Suche nach Vorbildern und Legitimationsmustern für die neue politische Ordnung.

Ziel der geplanten Tagung ist es, Rezeptionsvorgänge und Aneignungsprozesse besser zu verstehen und dadurch Kenntnisse zu gewinnen, die durchaus auch von allgemeinerer Bedeutung in Bezug auf die Rezeptionsgeschichte sind. Das im Amerika des 18. Jahrhunderts konstruierte Bild der Antike ist für die Altertumswissenschaften nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Reflektion der eigenen Arbeitsgrundlagen von Bedeutung. Zugleich geht es aber auch darum, einen wichtigen Aspekt der politischen Kultur im Amerika des 18. Jahrhunderts zu entschlüsseln. Dies ist von durchaus aktueller Bedeutung, denn die politische Sprache der Revolutionsära mit ihren antiken Anleihen wirkt – zusammen mit christlich-evangelikalen Einflüssen – durchaus nach bis in unsere Gegenwart.

Veranstalter

Seminar für Neuere Geschichte
Dr. Ulrich Niggemann
Tel.:     06421 / 28-24648
Fax:      06421 / 28-23773
E-Mail: ulrich.niggemann@staff.uni-marburg.de

Seminar für Alte Geschichte
PD Dr. Kai Ruffing
Tel.:     06421 / 28-24635
Fax:      06421 / 28-24927
E-Mail: ruffing@staff.uni-marburg.de

Wilhelm-Röpke-Str. 6C
35032 Marburg

Gefördert durch die Marburger Universitätsstiftung und durch den Ursula-Kuhlmann-Fonds