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Edition bisher unbekannter Privatbriefe aus dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783)

Personal

Prof. Dr. Christoph Kampmann (Projektleitung)

Philipps-Universität Marburg
Fachgebiet Neuere Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg

Prof. Dr. Holger Th. Gräf, Akad. Oberrat (Projektleitung)

Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg

Lena Haunert, M.A. (wiss. Mitarbeiterin)

Philipps-Universität Marburg
Fachgebiet Neuere Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg

Patrick Sturm, M.A. (wiss. Hilfskraft)

Philipps-Universität Marburg
Fachgebiet Neuere Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg

Thematische Einordnung

Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) kämpften etwa 20.000 Soldaten aus Hessen-Kassel als Subsidientruppen für Großbritannien gegen den Aufstand der nordamerikanischen Kolonien. Nach einer fortschreitenden Zuspitzung von Konflikten zwischen Großbritannien und den 13 Kolonien war eine militärische Auseinandersetzung im Jahre 1775 schließlich unausweichlich erschienen, so dass London begann für seine Armee militärische Unterstützung zu suchen. Zunächst wandte sich Großbritannien an Russland, das jedoch einen Subsidienvertrag ablehnte. Daraufhin begann der englische Unterhändler William Faucitt mit verschiedenen deutschen Territorien zu verhandeln. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel verfügte zu dieser Zeit über ein großes stehendes Heer, zu dessen Finanzierung bereits mehrfach Truppen gegen Subsidienzahlungen an ausländische Mächte vermietet worden waren. Am 31. Januar 1776 schloss Landgraf Friedrich II (1720-1785) erneut einen solchen Vertrag mit Großbritannien. Der Landgraf sicherte darin zunächst eine Truppe von 12.000 Mann für britische Dienste zu. Neben Hessen-Kassel gingen auch Hessen-Hanau, Waldeck, Braunschweig-Wolfenbüttel, Ansbach-Bayreuth und Anhalt-Zerbst Subsidienverträge mit Großbritannien ein. Die Landgrafschaft sandte jedoch mit Abstand die meisten Soldaten in die Neue Welt. Bereits im August 1776 erreichten die ersten landgräflichen Einheiten New York.

Empfohlene Literatur:

  • Rodney Atwood, The Hessians. Mercenaries from Hessen-Kassel in the American Revolution, Cambridge 1980.
  • Inge Auerbach, Die Hessen in Amerika (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 105), Darmstadt 1996

Bisherige Quellenlage

Die bisherige Quellenbasis für Forschungen über die hessischen Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bildet in erster Linie das vergleichsweise umfangreiche Aktenmaterial sowie die in ansehnlicher Anzahl überlieferten Regimentsjournale und Tagebücher von Offizieren. Hinzu kommen amtliche Relationen beziehungsweise Briefe an militärische Vorgesetzte oder an den Fürsten selbst. Bei diesen Quellen handelt es sich um offiziöse Dokumente oder um meist bewusst für die Nachwelt, oft wenig zeitnah niedergeschriebene „Selbstzeugnisse“. Privat­briefe von hessischen Soldaten sind nur in sehr geringer Zahl erhalten geblieben, da sie selten in die staatlichen Archive gelangten und infolgedessen häufig verloren gingen. Eine über die gesamte Dauer des Krieges laufende Privatkorrespondenz war bislang nicht bekannt. Vertrauliche Einblicke in den Kriegsalltag und die Kriegserlebnisse sowie die Wahrnehmungen des Gegners und des fremden Politik- und Gesellschaftssystems sind also rar.

Quellenfund

In dem privaten, unerschlossenen Familien- und Gutsarchiv des Geschlechts der von und zu Gilsa in Gilsa (Schwalm-Eder-Kreis) wurde im Jahr 2007 ein Fund getätigt, der – angesichts der Quellenlage – als einzigartig gelten muss.

Entdeckt wurde eine Mappe, betitelt mit „Briefe von meinen Freunden, besonders aus America“. Sie enthielt etwa 140 Briefe, die an den hessischen Kriegsrat Georg Ernst von Gilsa (1740-1798) gerichtet sind. Georg Ernst von Gilsa diente als junger Mann im hessischen Militär, bis er im Siebenjährigen Krieg bei der Schlacht von Vellinghausen (1761) seinen linken Arm verlor und daraufhin aus dem aktiven Militärdienst ausschied. Nach einem Studium der Rechte folgte die Beförderung zum Obristen, Kriegsrat und ritterschaftlichen Obereinnehmer in Treysa.

Die Mehrzahl der aufgefundenen Briefe – durchweg Briefe von Freund zu Freund – stammt vom Kriegsschauplatz des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1776-1783). Ihr inhaltliches Spektrum reicht von Darstellungen militärischer Operationen bis zu Beschreibungen von Land und Leuten. Zwar ähneln die Briefe darin durchaus bereits bekannten Berichten, doch finden sich in ihnen freimütigere Schilderungen und etwa auch Kritik an militärischen Vorgesetzten. Vor allem darf davon ausgegangen werden, dass in den „Gilsa-Briefen“ die Eindrücke der Autoren unvermittelter ihren Niederschlag fanden als in den meisten Regimentsjournalen und Tagebüchern. Glücklich ist zudem der Umstand, dass auch das Tagebuch des Adressaten erhalten blieb, das er von 1754 bis in die 1790er Jahre hinein führte. In den Jahren des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges berichtet Georg Ernst von Gilsa darin über aus Amerika eingehende Briefe.

Literatur:

  • Holger Th. Gräf, Lena Haunert, „Briefe von meinen Freunden, besonders aus America“. Die Korrespondenz des hessischen Kriegsrates Georg Ernst von Gilsa (1772-1784) – Editionsprojekt, in: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 12 (2008), Heft 1, S. 58-66.
  • Holger Th. Gräf, Lena Haunert, Ein wahrer Glücksfall – Quellenfund gewährt neue Einblicke in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, in: Mitteilungen des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde e.V. 49 (Juli 2008), S. 13-14.

Edition

Die Briefe an Georg Ernst von Gilsa sind ein einzigartiges Quellenmaterial. Sie gewähren indi­viduelle Einblicke, die es erlauben werden, das in der offiziösen Korrespondenz und den Ta­gebüchern gelieferte Bild vom Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, von der amerikani­schen Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt von den Militärs selbst zu präzisieren. Durch eine wissenschaftliche Edition soll dieser Quellenfund nun der Forschung zugänglich gemacht und für die Zukunft gesichert werden.

Eine solche Edition ist für verschiedene Bereiche der Frühneuzeitforschung von großem Nutzen. Sie kann nicht nur neue Erkenntnisse über die Beteiligung hessischer Truppen am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hervorbringen, sondern ist etwa auch für die seit einigen Jahren anhaltende wissenschaftliche Beschäftigung mit Selbst­zeugnissen relevant. Außerdem berührt der Fund das Diskussionsfeld um die „neue Militärgeschichte“, die sich mit dem Militär als Sozialsystem und mit dessen Wechselbeziehungen mit Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auseinander setzt. Nicht zuletzt sind die „Gilsa-Briefe“ zudem für das junge Forschungsfeld der neuzeitlichen Kriegserfahrungen von Bedeutung.

Seit dem 1. April 2008 wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Edition der Briefe und des Tagebuchs soll im Frühjahr 2010 gedruckt vorliegen.