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Meaningful Learning in der Organischen Chemie

Problem- und Zielstellung

Die Organische Chemie mit ihrer Vielzahl von Verbindungen, Reaktionen, Repräsentationen und Zusammenhängen stellt Lernende in Schule und Universität oftmals vor besondere Herausforderungen.
Seit gut 15 Jahren liefern Studien Erkenntnisse zum Problemlösungsverhalten von Lernenden in der Organischen Chemie. Diese zeigen, dass reaktionsmechanistische Problemstellungen vielfach durch monokausales Argumentieren und unreflektiertes Reproduzieren isolierter Fakten und Algorithmen bei starker Orientierung am erwarteten Produkt »gelöst« werden. Damit einher geht eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung bei oftmals nur geringem fachlichen »Tiefgang« und fehlenden Transfermöglichkeiten.

Demgegenüber zeichnet sich ein erfolgreiches Problemlösungsverhalten durch multivariates Argumentieren bei ergebnisoffener Orientierung an den ablaufenden Prozessen aus. Hierbei wird bestehendes Wissen mittels weniger, grundlegender Konzepte strukturiert und vernetzt zur Anwendung gebracht. Neues Wissen kann mit relativ geringem Aufwand in bestehende Strukturen integriert und für zukünftige Problemstellungen verfügbar gemacht werden.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, geeignete Lerngelegenheiten für ein professionelles Problemlösungsverhalten im Umgang mit klassischen Reaktionsmechanismen zu entwickeln.
Als übergeordnete Leitidee greifen wir hierbei auf die Theorie des Meaningful Learning zurück. Unser Vorgehen ist durch Konzeptbasierung und Prozessorientierung, die Differenzierung in Contrasting Cases sowie die Implementation als Guided Inquiry gekennzeichnet. Im Fokus stehen Studierende des Lehramts (L3) und fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler.
 

Elementarisierung und Rekonstruktion reaktionsmechanistischer Problemstellungen zu Aufgaben

Ausgangspunkt unserer fachdidaktischen Entwicklungsarbeit sind klassische Reaktionsmechanismen und übergeordnete organisch-chemische Effekte (elektronische Substituenteneffekte, sterische Hinderung). Zu diesen schaffen wir neue Aufgaben und Lerngelegenheiten, indem wir sie fachlich zerlegen und auf die ihnen zu Grunde liegenden Konzepte, Theorien und Modellvorstellungen zurückführen.Als Strukturierungshilfe dienen hierbei die Basiskonzepte der Chemie.

Anschließend rekonstruieren wir diese Gegenstände so zu neuen Einheiten, dass sie die strukturierte Betrachtung relevanter Einflussgrößen und dadurch ein schrittweises, prozessorientiertes Erarbeiten von Reaktionsmechanismen herausfordern und fördern.
Unsere thematischen Schwerpunkte sind dabei
- Reaktionsmechanismen und Konkurrenz von Substitutions-, Additions- und Eliminierungsreaktionen,
- reaktive Zwischenstufen,
- Wirkungsweise elektronischer Substituenteneffekte,
- Wirkungsweise sterischer Hinderung.
 

Charakteristisch ist die Entwicklung differenzierender Systeme mit mehreren Konkurrenzreaktionen, innerhalb derer die zu betrachtende Einflussgröße in ihrer Wirkung variiert wird. In solchen Contrasting Cases können Effekte und Prinzipien nicht nur in voller Bandbreite abgebildet und verglichen werden, sondern die zugehörigen Erklärungsansätze von Lernenden an mehreren Beispielen erprobt und validiert werden.

 

Inszenierung reaktionsmechanistischer Aufgaben in experimentgestützten Lernumgebungen

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Entwicklungsarbeit liegt in der Umsetzung der neu konzipierten Reaktionssysteme in Experimente. Mit reaktionsplanerischem Know-how überführen wir Ideen vom Papier ins Reaktionsgefäß und schaffen so Lerngelegenheiten, mit denen Hypothesen in differenzierenden Konkurrenzexperimenten erarbeitet und überprüft werden können.
Die Experimentsysteme sind so konzipiert, dass sie unter alltagsnahen Bedingungen funktionieren und mittels einfacher Analytik schlüssig interpretiert werden können, sodass eine einfache Implementation in Lernumgebungen an Schule und Hochschule möglich ist.
Um solche Einheiten möglichst standardisiert durchführen zu können und gleichzeitig das intendierte Problemlösungsverhalten herauszufordern, sind diese inklusive aller zugehörigen Materialien konsequent nach dem Guided-Inquiry-Ansatz gestaltet.

In Zusammenarbeit mit dem Chemikum Marburg bieten wir einzelne Einheiten direkt als Workshops an.