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Zwischen Gender Pay Gap und Gleichberechtigung - geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt

Seit Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes im Juli 1958 dürfen Frauen  in der BRD eigenständig ohne die Zustimmung ihres Ehemanns Arbeitsverträge unterschreiben (1) und ein eigenes Bankkonto eröffnen. Diese heutzutage selbstverständlichen Rechte von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gibt es noch nicht lange. Auch noch heute gibt es signifikante Unterschiede in der Erwerbstätigkeit der Geschlechter (2).

Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Personen ist eng mit eigener Erwerbstätigkeit verknüpft. Dabei ist wichtig wie viel gearbeitet, und in welchem Grad in das Sozialversicherungssystem eingezahlt wird (2). Die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen stieg die letzten Jahre stetig an (3), trotzdem verdienten sie im Jahr 2024 im Schnitt 16 % weniger als Männer (4). Dieses Lohngefälle zwischen den Geschlechtern wird Gender Pay Gap genannt. Wenn Faktoren wie Beschäftigungsumfang, Bildungsniveau und Berufserfahrung berücksichtigt werden, so erhält man den bereinigten Gender Pay Gap, welcher 6 % beträgt. Das heißt: eine Frau mit gleicher Qualifikation und Bildungsstand verdient im Schnitt 6 % weniger als ihre männlichen Kollegen, ohne dass dieses Gefälle durch strukturelle Unterschiede erklärt werden kann (5).

Der Gender Pay Gap vergrößert sich mit Beginn der Familienplanung. Die sogenannte „motherhood penalty“ beschreibt die Einbußen von Müttern auf dem Arbeitsmarkt. Frauen ohne Kinder verdienen im Schnitt mehr als Mütter. Gründe dafür sind häufigere Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, das Leisten von mehr unbezahlter Arbeit und eine geringere Investition in ihr Humankapital, etwa durch weniger Berufserfahrung und Zeit für Weiterbildungen (6). Ein weiterer Faktor ist die ungleiche Verteilung von unbezahlter Arbeit (2). Frauen übernehmen davon im Schnitt über 9 Stunden mehr pro Woche als Männer (7).  Insgesamt sammeln sie so trotz Ausgleichsmechanismen weniger Rentenansprüche und bleiben im Alter benachteiligt (8).

In Führungspositionen sind Frauen in Deutschland deutlich unterrepräsentiert. Ein Vorteil eines höheren Frauenanteils auf der Führungsetage ist jedoch: mehr Frauen in der ersten oder zweiten Führungsebene senken den Gender Pay Gap eines Unternehmens signifikant (9). Auf dem Weg nach oben stoßen Frauen auf große Hürden. Ihnen fehlt häufig der Zugang zu wichtigen Netzwerken, Mentoring und anderen karrierefördernden Strukturen, was  berufliche Selbständigkeit erschwert und die Chancen auf Aufstiegsmöglichkeiten senkt (10). Hinzu kommt, dass von Frauen gesellschaftlich eher erwartet wird nach der Arbeit familiären Verpflichtungen nachzugehen, anstatt zum Beispiel berufliche Netzwerke zu pflegen. Gleichzeitig werden sie von  möglichen Netzwerkpartner*innen auf Grund von Geschlechterstereotypen seltener aktiv angesprochen (11). Informelles Mentoring, wie Ratschläge, der Austausch von Wissen und Erfahrungen kommt vor allem männlichen Kollegen zu Gute. Darum sind gezielte Mentoring Programme, welche Frauen inkludieren und ihnen bessere Aufstiegschancen ermöglichen, so wichtig (12).

Geschlecht, Herkunft, Religion, sowie sexuelle Orientierung können Leistungsbewertungen und die Auswahl von Bewerbungen beeinflussen, wodurch vor allem weiblich gelesene Personen,  People of Colour und andere marginalisierte Gruppen Benachteiligung erfahren (13–15).

Sichtbar wird dies zum Beispiel bei der geschlechtsspezifischen Bewertung von Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen. So werden karriereorientierte, durchsetzungsstarke Frauen oft als aggressiv und bescheidene, zurückhaltende Männer als zu schwach wahrgenommen. Diese Stereotypisierungen führen zu einem Arbeitsumfeld, in dem sich Frauen zurücknehmen und traditionelle Rollenbilder verstärkt werden (16). Das verbreitete Bild einer erfolgreichen Führungskraft stimmt mit mehr stereotyp männlichen als stereotyp weiblichen Geschlechterstereotypen überein. Ein als typisch maskulin Auftreten, bis hin zu als männlich wahrgenommene Parfums und Gerüche, werden unterbewusst mit Kompetenz assoziiert. Bei Menschen, die sich den eigenen Vorurteilen nicht bewusst sind, sind die Effekte am größten (17).  

Auch in Gehaltsverhandlungen wirken sich Geschlechterrollen aus. Frauen initiieren Verhandlungen seltener und sind dabei im Schnitt auch weniger erfolgreich als ihre männlichen Kollegen (18). Das Annehmen von typisch männlichen Verhandlungsstrategien hilft Frauen in diesem Fall nicht, da diese bei ihnen als aggressiv wahrgenommen werden.  Mehr Transparenz von Gehältern und weniger Verhandlungen können den Gender Pay Gap dabei nachgewiesenermaßen reduzieren (18).

Ebenso haben Geburtsgeschlecht und Geschlechtsidentität im Arbeitskontext Einfluss, so wird die Leistung von Transpersonen und nicht-binären Menschen anders bewertet (19).Besonders nicht-binäre Menschen, die bei der Geburt männlich zugeordnet wurden, erfahren Nachteile, da die Abkehr von „typisch männlichen“ Eigenschaften gesellschaftlich sanktioniert wird (19).

Um diese zahlreichen Ungleichheiten abzubauen braucht es Aufklärung über Geschlechterstereotype und ihre Auswirkung auf die Arbeitswelt, sowie strukturelle Förderung von Frauen und Minderheiten. Beispiele dafür sind die Unterstützung bezüglich Kinderbetreuung und Rückkehr in den Beruf (2), sowie offizielle Mentoring Programme und transparentere Gehälter. Doch es gibt auch Lichtblicke: 2023 waren 44% der Unternehmensgründer*innen Frauen (20). Ob sich das Geschlechterverhältnis in diesem Bereich weiter angleicht, wird sich die nächsten Jahre zeigen.

 

References

1.       Heyer L. Deutscher Bundestag - Vor 65 Jahren: Bundestag beschließt Gleich­berechti­gungs­gesetz [Internet]. NaN [updated 2025 May 19; cited 2025 May 19]. Available from: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw17-kalenderblatt-gleichberechtigungsgesetz-504286

2.       Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Sozialbericht 2024 [Internet] [cited 2025 Apr 21]. Available from: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/7.6.pdf

3.       Statista. Erwerbstätigenquote in Deutschland nach Geschlecht bis 2024| Statista [Internet]. 2025 [updated 2025 May 22; cited 2025 May 22]. Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/198921/umfrage/erwerbstaetigenquote-in-deutschland-und-eu-nach-geschlecht/

4.       Statista. Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) bis 2024| Statista [Internet]. 2025 [updated 2025 May 22; cited 2025 May 22]. Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3261/umfrage/gender-pay-gap-in-deutschland/

5.       Statista. Bereinigter Gender Pay Gap in Deutschland| Statista [Internet]. 2025 [updated 2025 May 22; cited 2025 May 22]. Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1220561/umfrage/bereinigter-gender-pay-gap-in-deutschland/

6.       Kalabikhina IE, Kuznetsova PO, Zhuravleva SA. Size and factors of the motherhood penalty in the labour market: A meta-analysis. POPECON. 2024;8(2):178–205. doi:10.3897/popecon.8.e121438

7.       Statista. Gender Care Gap - Unbezahlte Arbeit nach Geschlecht 2022| Statista [Internet]. 2025 [updated 2025 Aug 18; cited 2025 Aug 18]. Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1453834/umfrage/gender-care-gap-unbezahlte-arbeit-nach-geschlecht/

8.       Cordova K, Grabka MM, Sierminska E. Pension Wealth and the Gender Wealth Gap. Eur J Popul. 2022;38(4):755–810. doi:10.1007/s10680-022-09631-6 Cited in: PubMed; PMID 36237300.

9.       Sondergeld V, Wrohlich K. Gender Pay Gap in einem Betrieb sinkt mit mehr Frauen in Führungspositionen; 2024.

10.     Villaseca D, Navío-Marco J, Gimeno R. Money for female entrepreneurs does not grow on trees: start-ups’ financing implications in times of COVID-19. Journal of Entrepreneurship in Emerging Economies. 2021;13(4):698–720. doi:10.1108/JEEE-06-2020-0172

11.     Woehler ML, Cullen-Lester KL, Porter CM, Frear KA. Whether, How, and Why Networks Influence Men’s and Women’s Career Success: Review and Research Agenda. Journal of Management. 2021;47(1):207–36. doi:10.1177/0149206320960529

12.     Fang R, Zhang Z, Shaw JD. Gender and social network brokerage: A meta-analysis and field investigation. J Appl Psychol. 2021;106(11):1630–54. doi:10.1037/apl0000841 Cited in: PubMed; PMID 33030920.

13.     Bartkoski T, Lynch E, Witt C, Rudolph C. A Meta-Analysis of Hiring Discrimination Against Muslims and Arabs. PAD. 2018;4(2). doi:10.25035/pad.2018.02.001

14.     Flage A. Discrimination against gays and lesbians in hiring decisions: a meta-analysis. IJM. 2020;41(6):671–91. doi:10.1108/IJM-08-2018-0239

15.     Heilman ME, Caleo S, Manzi F. Women at Work: Pathways from Gender Stereotypes to Gender Bias and Discrimination. Annu. Rev. Organ. Psychol. Organ. Behav. 2024;11(1):165–92. doi:10.1146/annurev-orgpsych-110721-034105

16.     Correll SJ, Weisshaar KR, Wynn AT, Wehner JD. Inside the Black Box of Organizational Life: The Gendered Language of Performance Assessment. Am Sociol Rev. 2020;85(6):1022–50. doi:10.1177/0003122420962080

17.     Sczesny S, Stahlberg D. Geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führungskräften. 2024. doi:10.7892/BORIS.75311

18.     Recalde MP, Vesterlund L. Gender Differences in Negotiation: Can Interventions Reduce the Gap? Annual Review of Economics. 2023;15(1):633–57. doi:10.1146/annurev-economics-092022-115353

19.     Dray KK, Smith VRE, Kostecki TP, Sabat IE, Thomson CR. Moving beyond the gender binary: Examining workplace perceptions of nonbinary and transgender employees. Gender Work & Organization. 2020;27(6):1181–91. doi:10.1111/gwao.12455

20.       Statista. Frauenanteil an allen Gründerpersonen in Deutschland bis 2023| Statista [Internet]. 2025 [updated 2025 Sep 3; cited 2025 Sep 3]. Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197114/umfrage/anteil-der-gruenderinnen-an-allen-gruenderpersonen/

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