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Chirale Analyten

Bestimmung von D-/L-α-Aminosäuren & D-/L-Lactat via GC-MS/MS

Enantiomere sind Stereoisomere chemischer Verbindungen, die sich in ihren räumlichen Strukturen so verhalten wie Bild zu Spiegelbild. Diese Art der Isomerie wird als Chiralität (Händigkeit) bezeichnet. Zur Unterscheidung von Enantiomeren bedient man sich der CIP-Konvention (Cahn-Ingold-Prelog-Konvention, auch R,S-Nomenklatur), mit der die räumliche Anordnung der Substituenten beschrieben wird. Bei bestimmten Substanzklassen (z.B. Zucker oder Aminosäuren) wird jedoch nach wie vor die ältere Fischer-Projektion (D,L-Nomenklatur) benutzt, die den Vorteil hat, dass die Bezeichnungen verwandter Verbindungen sich nicht ändern.
Ein asymmetrisches Kohlenstoffatom, d.h. ein Kohlenstoffatom (C*) mit vier verschiedenen Liganden ist die einfachste Variante um eine Chiralität in einem Molekül zu hervorzurufen. Beide Formen sind optisch aktiv, d.h. sie drehen die Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht in entgegengesetzte Richtungen.

  • Weitere Informationen

    • Die Drehrichtung des Lichtes kann man im Namen durch Voransetzen von "(+)-" für rechtsdrehend beziehungsweise "(−)-" für linksdrehend kenntlich machen.
      Enantiomere besitzen mit Ausnahme der optischen Aktivität gleiche physikalische Eigenschaften wie Schmelz- und Siedepunkte, Dichte, Löslichkeit, IR-Spektren, Röntgenbeugungsspektren und sind damit mit normalen chromatographischen Verfahren nicht voneinander trenn- oder unterscheidbar.
      Bringt man Enantiomere mit einer ebenfalls optisch aktiven Substanz zur Reaktion entstehen sog. Diastereomere.
      Diastereomere sind Verbindungen, bei denen immer mindestens ein Stereozentrum von mehreren gleich und mindestens eines verschieden konfiguriert ist. Diastereomere sind ebenfalls Stereoisomere welche sich – im Gegensatz zu Enantiomeren – nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Daher unterscheiden sich Diastereomere in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften.
      Diesen Unterschied in den Eigenschaften kann man nutzen, um enantiomere Moleküle analytisch voneinander trennen und ihre Anteile bestimmen zu können. In unserem Fall werden die optischen Isomere mit enantiomerenreinem L(-)-Menthol zur Reaktion gebracht. Die hieraus gebildeten beiden Diastereomere lassen sich via Gaschromatographie trennen und mittels gekoppelter Massenspektrometrie quantifizieren.
      Die zunächst für D-/L-Lactat etablierte Methode wurde in der Folge erfolgreich auf α-Aminosäuren angewandt. Mit diesen beiden speziell etablierten Verfahren lassen sich jedoch nur die jeweiligen Verhältnisse von D- und L-Form bestimmen. Eine Quantifizierung der Analyten ist hierüber leider nicht möglich.
      Für eine Quantifizierung von Lactat und Aminosäuren stehen allerdings separate Methoden zur Verfügung. Siehe Menü: Aminosäuren bzw. Citratzyklus

      Bei Bedarf wären Enantiomerenverhältnis-Bestimmungen auch für andere Substanzen bzw. Substanzklassen (z.B. Medikamente, Inhibitoren etc.) denkbar.


D-/L-α-Aminosäuren

D- und L-Aminosäuren - Darstellung als Bild und Spiegelbild
Grafik: B. Watzer

  • Hintergrundinformationen

    • Zur Klasse der Aminosäuren zählen organische Verbindungen, die eine Aminogruppe (–NH2 bzw. substituiert –NR2) und eine Carboxygruppe (–COOH) als funktionelle Gruppen enthalten. Die Aminosäuren unterscheiden sich durch ihre Seitenkette R. Ist die Seitenkette R verschieden von den anderen Substituenten, die sich am Kohlenstoff mit der Amino-Gruppe befinden, so befindet sich hier ein Stereozentrum und es existieren von der entsprechenden Aminosäure zwei Enantiomere.
      α-Aminosäuren sind die natürlichen Bausteine von Proteinen. Beim Menschen gibt es 21 verschiedene proteinogene Aminosäuren. Das Spektrum der Aminosäuren geht allerdings weit über diese rund zwanzig proteinogenen hinaus. Eine spezielle Gruppe stellen hierbei die vergleichsweise seltenen D-Aminosäuren dar. So wird z.B. D-Serin im Gehirn durch die Serin-Racemase aus L-Serin (seinem Enantiomer) gebildet. Es dient dort sowohl als Neurotransmitter als auch als Gliotransmitter.
      Ein Anwendungsgebiet der Bestimmung des Verhältnisses zwischen der D- und L-Form der Aminosäuren ist u.a. die Aminosäuredatierung. Die Aminosäuredatierung (Aminosäureracemisierung, Aminosäuremethode, Aminosäureuhr, Eiweißuhr oder Racematmethode) ist eine chemische Datierungsmethode für geologisch relativ junges fossiles Knochenmaterial. Sie beruht darauf, dass sich nach Ableben eines Organismus das Mengenverhältnis zwischen der L- und der D-Form enantiomerer Aminosäuren verschiebt. Der im lebenden Organismus vorhandene deutliche Überschuss der L-Form wird nach dem Tod langsam abgebaut. Nach einer gewissen Zeit ist der gesamte Überschuss an L-Formen abgebaut. Daher liegt die Obergrenze des bestimmbaren Alters bei etwa 100.000 Jahren, in kalten Regionen bei etwas über 1 Million Jahren.

Strukturformeln der durch die CFMS bestimmbaren D-/L-Aminosäuren.
Grafik: B. Watzer

Mit unserer adaptierten GC-MS/MS-NH3-PICI-Methode lassen sich folgende Aminosäuren auf ihr D-/L-Verhältnis hin untersuchen:
Die D- und L-Isomeren von Alanin, alpha-Aminobuttersäure, Cystein, Valin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Serin, Prolin, Methionin, Phenylalanin und Tyrosin werden hierbei mit L(-)-Menthol derivatisiert und so als Diastereomere auf einer normalen GC-Säule trennbar.

Beispielchromatogramm

Chromatogramm einer Mischung obiger L-Aminosäuren, wobei α-Aminobuttersäure, Threonin, Phenylalanin und Tyrosin jeweils als Racemat (D- und L-Form) vorlagen:

GC-MS/MS-Chromatogramm der durch die CFMS bestimmbaren D-/L-Aminosäuren
Grafik: B. Watzer

Beispielmessung

Prozentuale Anteile an D-α-Aminosäuren gemessen in vier Serum-/Plasmaproben:

D-Aminosäureanteil in vier zufällig ausgewählten Blutproben.
Tabelle: CFMS

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Derivatisierungsreaktion


Die kürzlich etablierte Methode wurde inzwischen um zwei weitere Parameter erfolgreich erweitert:
D-/L-Asparaginsäure und D-/L-ß-Aminoisobuttersäure.

Nebenstehend die für die Bestimmung der D-/L-Isomeren erforderliche Derivatisierungen am Beispiel der ß-Aminoisobuttersäure:

Bildquelle: CFMS

Chromatogramm der strukturisomeren DL-α-Aminobuttersäure und DL-ß-Aminoisobuttersäure.
Darstellung zweier Übergänge nach Fragmentierung des Analytmoleküls:
Obere Spur: m|z 284.2 Da -> 128.0 Da   -   Untere Spur: m|z 284.2 Da -> 146.1 Da

GC-MS Chromatogramme der D- und L-Formen von alpha und beta Aminoisobuttersäure


     Bildquelle: CFMS


D-/L-Lactat

D- und L-Lactat - Darstellung als Bild und Spiegelbild
Grafik: B. Watzer

  • Hintergrundinformationen

    • Milchsäure ist die kleinste Hydroxycarbonsäure und enthält sowohl eine Carboxygruppe als auch eine Hydroxygruppe. Die Salze und Ester der Milchsäure heißen Lactate.
      L(+)-Milchsäure kommt in Schweiß, Blut, Speichel sowie im Muskelserum, in der Niere und Galle vor. Verschiedene Bakterien können auch die D(-)-Form bilden. Das Racemat, eine Mischung aus D- und L-Milchsäure, findet sich z. B. in Sauermilch- und Molkeprodukten, Tomatensaft und Bier.
      Der Anteil an beiden Enantiomeren ist abhängig vom eingesetzten Bakterienstamm. Bei der Bestimmung der mit dem Citratzyklus assoziierten Stoffwechselprodukte konnten wir bisher zwar die Laktat-Gesamtkonzentration bestimmen, nicht jedoch das Verhältnis der beiden optischen Antipoden. Diese lassen sich mit herkömmlichen chromatographischen Methoden nicht trennen.

Nach Derivatisierung mit L(-)-Menthol ist es nun möglich die beiden isomeren Verbindungen, als Diastereomere, via GC-MS/MS zu trennen und zu messen und das Isomerenverhältnis von D- und L- Lactat in Forschungsproben zu bestimmen.

NEU !! - Simultane quantitative D-/L-Lactat-Bestimmung
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Während aus Blutproben eine quantitative Lactat-Bestimmung in der klinischen Chemie problemlos möglich ist, und wir uns daher nur auf die Ermittlung des Verhältnisses von D- und L-Lactat konzentriert hatten, wurden wir nun gebeten diese Methode auch an Maus-Kot-Proben anzuwenden. An eine Lactat-Quantifizierung im Rahmen der klinischen Routine ist hierbei natürlich nicht zu denken.
Nach einigen Versuchen und dem Einsatz von 13C-markiertem L-Lactat ist es nun gleichzeitig möglich die Lactatkonzentration und den prozentualen Anteil an D-Lactat in einer Probe zu ermitteln!

Chromatogramm von L-Lactat und 13C3-Lactat sowie ein Beispiel einer L-Lactat-Kalibrationsgraden

Chromatogramm einer Standard-Mischung aus L(+)- und D(-)-Lactat

Grafik: CFMS


Linker Peak: L(+)-Lactat
Rechter Peak: D(-)-Lactat

Verdünnungsreihen von L-Lactat und D-Lactat & Kontrolle verschiedener Mischungsverhältnisse

Verdünnungsreihen von L-Lactat und D-Lactat    /   Kontrolle verschiedener Mischungsverhältnisse
Grafik: B. Watzer

Mit zwei Testreihen (linke Grafiken) wurde sichergestellt, dass das Messsignal in einem linearen Zusammenhang mit der Analytmenge steht und sich keines der beiden optischen Antipoden auf Grund der gewählten Reaktions- oder Messbedingungen in die andere Form umwandelt.
Zudem wurde untersucht ob unterschiedliche Mischungsverhältnisse von L- und D-Lactat einen negativen Einfluss auf die Messergebnisse ausüben (rechte Grafiken). Dies konnte ausgeschlossen werden.