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WE 1: Die Verteilung reduzierter Silben im Sprachsignal: Optimiert für die Dynamik der Aufmerksamkeit?
Eine zentrale Frage bei der Produktion und Verarbeitung schwacher phonologischer Elemente ist deren Verteilung im Sprachsignal. Eine regelmäßige Verteilung solcher Elemente könnte für die Aufmerksamkeit, von der man ausgeht, dass sie in definierten Zyklen schwankt (»dynamic attending theory«), vorteilhaft sein: Momente erhöhter Aufmerksamkeit könnten so regelmäßig mit dem Vorkommen schwacher Elemente zusammenfallen und das Sprachverständnis begünstigen. Wenn man davon ausgeht, dass ein wesentlicher Faktor der mündlichen Kommunikation auf Verständlichkeit ausgerichtet ist, sollte ein solcher Zusammenhang empirisch nachweisbar sein. Dieses Projekt geht genau dieser Frage nach und stellt die reduzierte Silbe in den Fokus, die im Deutschen vornehmlich an zweiter Position des trochäischen Betonungsmusters auftritt. Zunächst soll anhand einer Korpusstudie ermittelt werden, wie regelmäßig die Verteilung reduzierter Silben ist, konkret, ob der zeitliche Abstand zwischen zwei reduzierten Silben im Sprachsignal konstant ist. Dazu werden Vorlesetexte ebenso wie freie Gespräche untersucht, außerdem werden unterschiedliche Register betrachtet mit der Hypothese, dass Register, die auf eine höhere Verständlichkeit ausgerichtet sind (z.B. formale Sprache, Standardsprache) eine eher regelmäßige Verteilung der reduzierten Silben zeigen. Dann sollen Abweichungen der Regelmäßigkeit in der Verteilung reduzierter Silben experimentell untersucht werden, und zwar im Hinblick auf die Perzeption. Die zu testende Annahme ist, dass bei reduzierter Aufmerksamkeit auf den reduzierten Silben (z.B. durch Unregelmäßigkeit ihrer Verteilung) diese nicht unterschieden werden können, und so z.B. die Wörter „Wunde“ und „Wunder“ verwechselt werden. Schließlich soll der Zusammenhang der Aufmerksamkeitszyklen und der Regelmäßigkeit reduzierter Silben im Sprachsignal anhand einer elektrophysiologischen Studie (Elektroenzephalographie-Experiment) direkt untersucht werden. Hier ist die Annahme, dass regelmäßig verteilte reduzierte Silben im Sprachsignal mit Gehirnoszillationen korrelieren, die mit den Aufmerksamkeitszyklen in Verbindung gebracht werden. Insgesamt trägt das Projekt damit zu einem besseren Verständnis der Produktion und Perzeption reduzierter Silben vor dem Hintergrund dynamischer Aufmerksamkeit bei und ist für die gesamte Forschergruppe sowohl inhaltlich als auch methodisch sehr relevant.