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WE 8: Kanonische Trochäen in der Leseentwicklung

Eine Voraussetzung zum erfolgreichen Leseerwerb ist, dass Kinder Verbindungen zwischen Schriftsprache, Phonologie und Bedeutung konstruieren. Diese Fähigkeit wird oft als orthografisches Mapping bezeichnet (Ehri 2014). Während die Silbe weithin als eine relevante Einheit für Wortleseprozesse gilt, wurde der prosodische Fuß oft ignoriert oder blieb in Modellen zum Leseerwerb unterspezifiziert, obwohl er eine zentrale Komponente für Leseflüssigkeit und Leseverständnis darstellt (Noack 2004, Zepnik 2016).

Eine offene Frage ist, wie Kinder grapho-prosodische Mappings auf der Fußebene entwickeln. Studien zeigen, dass Kinder sensitiv für Silbengrenzen (Hasenäcker & Schröder 2017) und Betonungsmustern in Sätzen sind (Sauter et al. 2012). Damit steht ihnen sowohl Bottom-up- als auch Top-down-Wissen zur Verfügung, um den graphematischen Input in prosodische Füße zu parsen. Qualitative Studien zeigen jedoch, dass Leseprozesse auf Fußebene im Grundschulalter und darüber hinaus Schwierigkeiten verursachen (Noack 2004; Zepnik 2016). Dies gilt insbesondere für die unbetonte Silbe im Trochäus, die im Deutschen typischerweise eine reduzierte Silbe darstellt (kanonischer Trochäus). Zum Verständnis der Leseprozesse auf Wortebene ist daher eine genauere Untersuchung mit Blick auf den kanonischen Trochäus nötig.

In einem kombinierten Quersschnitt- und Längsschnittdesign soll das geplante Projekt Leseprozesse bei schriftsprachlich heterogenen Zweit- und Viertklässlern (je n = 60) untersuchen, um die folgenden Forschungsfragen zu beantworten:

  1. Sind Zweit- und Viertklässler sensitiv für grapho-silbische Grenzen innerhalb des kanonischen Trochäus? 
  2. Zeigt sich Evidenz für grapho-prosodische Mappings auf Fußebene und wie entwickeln sich diese Prozesse in den beiden Klassenstufen?
  3. Welche Verbindung besteht zwischen der Sensitivität für Silbengrenzen, grapho-prosodischen Mappings auf Fußenbene, den Lesefähigkeiten und literacy-bezogenen Faktoren?

Am Beginn und Ende des Schuljahres wird die Sensitivität für Silbengrenzen in visuell präsentierten Stimuli getestet und Lautleseprotokolle in verschiedenen Kontexten erhoben. Zusätzlich werden standardisierte Tests zur Erfassung der Lesefähigkeiten sowie der lautsprachlichen und kognitiven Fähigkeiten durchgeführt. Mit Elternfragebögen werden sozio-kultureller Faktoren erfasst. Interviews mit den Deutschlehrkräften der teilnehmenden Klassen soll Aufschluss über den Leseunterricht geben.

Wir erwarten eine hohe Varianz in den Wortleseprozessen, dass die Fähigkeit zur Prosodifizierung auf der Fußebene mit dem Alter zunimmt sowie Korrelationen zwischen diesen Fähigkeiten und lese-bezogenen Faktoren. Die Ergebnisse des Projekt tragen zu einem besseren Verständnis der Entwicklung grapho-prosodischer Mappings auf Fußebene bei und erlauben, Modelle des Leseerwerbs in Bezug auf diese Prozesse zu spezifizieren.