07.06.2023 Christian Wolff Vorlesung 2023: „Was wird aus dem Menschen“?

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Christian Wolff Vorlesung 2023 mit Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs

„Was wird aus dem Menschen“? Aus dieser grundlegenden Frage, die angesichts der rasanten technologischen Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz immer drängender wird, leitet Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs sein Plädoyer für einen neuen Humanismus ab. Der renommierte Heidelberger Psychologe und Psychiater ist Festredner der Christian Wolff-Vorlesung 2023 der Philipps-Universität Marburg. Der Vortrag findet statt am Montag, 12. Juni 2023, um 20 Uhr in der Aula der Alten Universität, Lahntor 3, 35037 Marburg.

Abstract

Die gegenwärtige Sicht des Menschen auf sich selbst ist gekennzeichnet von einer tiefen Ambivalenz. Einerseits misst sich der Mensch die gottgleiche Macht zu, künstliche Intelligenz, künstliches Leben oder sogar Bewusstsein zu erzeugen. Er beginnt seine eigene biologische Optimierung in die Hand zu nehmen, um sich zum Übermenschen umzuformen und am Ende womöglich Unsterblichkeit zu erlangen. Auf der anderen Seite jedoch steht ein tiefer Pessimismus, gepaart mit menschlicher Selbstverachtung. Der Posthumanismus in seinen radikaleren Varianten verschreibt sich der Abdankung der Menschheit, die am besten von ihrer eigenen künstlichen Nachkommenschaft entthront werden solle. In meinem Vortrag untersuche ich die Entwicklung dieser Ambivalenz seit der Neuzeit und führe sie auf ein Schwanken zwischen Allmachts- und Ohnmachtsgefühlen zurück, dem letztlich ein kollektiver Narzissmus zugrundeliegt. Wir versuchen, eine innere Leere zu kompensieren, indem wir durch die Spiegelung unserer selbst in anthropomorphen Maschinen, in digitaler Intelligenz und in virtuellen Bildern ein ideales Selbstbild erschaffen. Dies führt jedoch zu einem paradoxen Resultat: Zunehmend glauben wir an die Überlegenheit unserer eigenen künstlichen Geschöpfe, beginnen uns unseres Daseins als Wesen aus Fleisch und Blut zu schämen, und die Selbstüberhöhung schlägt am Ende in Selbsterniedrigung um. Angesichts dieser Entwicklung plädiere ich im zweiten Teil meines Vortrags für einen neuen Humanismus, der auf unserer Verkörperung, unserer Zwischenleiblichkeit mit anderen und unserer Einbettung in eine ökologische Umwelt des Lebendigen basiert.

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie im Plakat zur Veranstaltung.

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