22.02.2023 Preis für Richard Herzog

Marburger Frühneuzeithistoriker von der Zeitschrift für Weltgeschichte für beste globalhistorische Erstpublikation ausgezeichnet

Richard Herzog, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Marburger Teilprojekts „Versicherheitlichung und dynastische Ehepolitik“ des SFB-TRR 138, erhält für seine Dissertation den renommierten Preis der Zeitschrift für Weltgeschichte (ZWG) für die beste globalhistorische Erstpublikation 2022. Die Dissertation entstand an der Justus-Liebig-Universität Gießen und wird 2023 im WBG-Verlag in der Historamericana-Reihe erscheinen. Die Preisverleihung ist für den Sommer 2023 an der Universität Wien vorgesehen.

Im Mittelpunkt der Arbeit steht die indigene Geschichtsschreibung im heutigen Mexiko – die umfangreichste ihrer Art in den Amerikas. Einheimische Gelehrte reflektierten die massiven Umbrüche, die durch die spanische Kolonialherrschaft ausgelöst wurden: darunter die Ablösung traditioneller Herrschaftsverhältnisse, die aufgezwungene Christianisierung, aber auch die dramatische Dezimierung der Indigenen. Gleichzeitig ging es ihnen darum, die ungemein reiche Kultur und Kosmologie ihrer Vorfahren vor der Auslöschung zu bewahren.

Die Arbeit „Nahua-Stimmen aus dem kolonialen Zentralmexiko: für das Überleben ihrer politisch-gesellschaftlichen Überzeugungen (frühes 17. Jahrhundert)“ stellt diese Entwicklungen exemplarisch anhand der Schriften der wichtigen Historiker Fernando de Alva Ixtlilxochitl (ca. 1578-1650) und Domingo de Chimalpahin (1579-ca. 1660) vor — als erstes deutschsprachiges Buch aus den Geschichtswissenschaften zur Geschichtsschreibung der kolonialzeitlichen Nahua (populär als “Azteken” bekannt). Zum einen werden dadurch die umfangreichen politischen Systematiken indigener Autoren wie auch ihre Kritiken am Kolonialsystem deutlich. Zum anderen können die Perspektiven der Nahua auf ihre eigenen Gesellschaften westliche Vorstellungen von Staatlichkeit, Geschichtsschreibung und letztlich auch von möglichen Lebensformen entscheidend erweitern.

Während europäische Sichtweisen auf andere Weltregionen häufig untersucht wurden, wird dieser Blick hier umgekehrt, mit einem Fokus auf die dezidiert globale Perspektive einzelner indigener Akteure. Für sie bildete Europa ein zentraler Bezugspunkt; zugleich waren sie bestens über Ereignisse auf anderen Weltteilen informiert. Diese Nahua-Autoren stellten ihre Heimatregion Mesoamerika und deren Geschichte auf eine Ebene mit Europa, indem sie diese in die Weltgeschichte einschrieben. Damit eröffnen ihre Schriften zugleich prägnante Gegenentwürfe zu eurozentristischen Weltsichten.

In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit innerhalb des SFB-TRR 138 erweitert Richard Herzog die Forschungsperspektiven seiner nun preisgekrönten Dissertation und die Rollen von Abstammung und Weltbildern für indigene Eliten Iberoamerikas in den Blick, vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und ökologischer Umwälzungen.

 

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