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Projekt C4 - Polysemie und Metaphorik als Herausforderung für mentale Repräsentationen

PI und Ko-PI: Prof. Dr. Spieß, Prof. Dr. Kauschke, Prof. Dr. Werth
Promovierende: Maike Park

Forschungskontext

In Projekt C4 geht es darum, dass sich semantische Ansätze von Repräsentationen auf die Inhaltsseite sprachlicher Zeichen beziehen und die Dynamik ihrer mentalen Repräsentation vor dem Hintergrund ihres Gebrauchs in situierten kommunikativen Kontexten in den Blick genommen werden. Sprachliche Ausdrücke werden dabei als Zugriffspunkte zu semantischen Repräsen­tationen betrachtet. Am Beispiel von Positionsverben (sitzen, stehen, liegen etc.) kann somit einerseits untersucht werden, wie semantischer Wandel, i.e. Metonymisierung und Meta­phorisierung, als Wandel von mentalen Repräsentationen zu begreifen ist, und andererseits, inwiefern die sprachlichen Äußerungen mit Positionsverben als Konstruktionen modellierbar sind.

Aktuelles Promotionsprojekt

Arbeitstitel: Das Metaphorisierungspotential von Positionsverbkonstruktionen

Ziele

Die Operationalisierung von Metaphern als in sensomotorischen Erfahrungen verankerte Konzepte bzw. kognitive Prozesse erweist sich bislang insbesondere für korpusbasierte Un­tersuchungen als Herausforderung. Ziel des geplanten Dissertationsprojektes ist es, auf der Grundlage von quantitativen und qualitativen Korpusanalysen ein erwerbsbezogenes ge­brauchsbasiertes Modell für die Beschreibung des Bedeutungsaufbaus und der Bedeutungs­vernetzung der statischen Positionsverben stehen, liegen, sitzen und hängen zu entwickeln und experimentell zu validieren. Dabei sollen ausgehend von salienten sprachlichen Mustern in Korpora gesprochener und geschriebener Sprache potentiell metaphorische Konstruktio­nen ermittelt und durch diese instanziierte konzeptuelle Metaphern beschrieben werden. Darüber hinaus untersucht das Vorhaben, inwiefern die Ergebnisse korpusbasierter Studien Rückschlüsse auf abstrakte Wissensbestände im mentalen Lexikon von Sprachnutzenden er­lauben.

Methoden

Das Vorhaben verbindet Ansätze der kognitiven Metapherntheorie, der Blending-Theorie sowie der kognitiven Konstruktionsgrammatik und kombiniert zur Erkenntnisgewinnung qualitative und quantitative korpuslinguistische Analy­sen mit einer experimentellen Untersuchung. In Anlehnung an frühere Studien zum Erwerb von raumreferentiellen Ausdrücken (Kutscher/Schultze-Berndt 2007, Bryant 2012, Madlener et al. 2017) wird in einem ersten Schritt anhand gesprochensprachlicher Daten (LEO-Korpus, CHILDES-Datenbank, vgl. MacWhinney 2000) früher musterhafter Gebrauch von stehen, lie­gen, sitzen und hängen sowie das Auftreten erster Metaphern in der früheren Kindheit identifi­ziert. Im zweiten Teil des Vorhabens soll auf Basis von schriftsprachlichen Daten erwachsener Sprachnutzender untersucht werden, inwiefern früh erworbene feste und teils lexikalisch gefüllte Konstruktionen das Potential haben, an Metaphorisierungsprozessen teil­zuhaben. Die quantitative Ermittlung potentiell metaphorischer Konstruktionen mithilfe von Kollostruktionsanalysen (Stefanowitsch/Gries 2003, 2005) bildet dabei die Grundlage einer qualitativen Analyse. In einem dritten Schritt soll im Rahmen eines Priming-Experi­ments untersucht werden, ob und in welcher Form die in der frühen Kindheit erworbenen Konstruktionen mit Positionsverben und auf diese abbildbare metaphorische Konstruktionen im mentalen Lexikon von Erwachsenen vernetzt sind.

Vorarbeiten

Das Vorhaben knüpft an Arbeiten im Bereich der pragmalinguistischen Metaphernforschung (Spieß 2014, 2015, 2016) sowie laufende Untersuchungen zur Semantik deutscher Positions­verben (u.a. Gillmann/Werth 2021) an.

Bezüge zu anderen Projekten

Projekt C4 weist deutliche Bezüge zu Projekt C2 und den dort untersuchten semantischen und gebrauchsfrequenziellen Einflüssen auf Sprachwandel auf, aber auch zu B1 im Hinblick auf den Erwerb mentaler Repräsentationen sind Anknüpfungspunkte gegeben.

Literaturangaben

Bryant, Doreen (2012). Der Erwerb von Positionsverben – Warum Kinder so an hängen hängen? Linguistische Berichte 226, 199-242.

Gillmann, Melitta/Werth, Alexander (2021). Polysemie und morphosyntaktische Variation. Die Auxiliarselektion beim Positionsverb stehen in Diachronie und Diatopik. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Lite­ratur 143 (4), 513-562.

Kutscher, Silvia/Schultze-Berndt, Eva (2007). Why a folder lies in the basket although it is not lying: the semantics and use of German positional verbs with inanimate figures. Linguistics 45 (5/6), 983-1028.

Madlener, Karin/Skoruppa, Katrin/Behrens, Heike (2017). Gradual development of constructional complexity in German spatial language. Cognitive Linguistics 28 (4), S. 757-798.

MacWhinney, B. (2000). The CHILDES Project: Tools for analyzing talk. 3. Auflage. Mahwah, NJ: Lawrence Erl­baum Associates.

Stefanowitsch, Anatol/ Gries, Stefan (2003). Collostructions: Investigating the interaction of words and construc­tions. International Journal of Corpus Linguistics 8 (2), 209-243.

Stefanowitsch, Anatol/Gries, Stefan (2005). Covarying collexemes. Corpus Linguistics and Linguistic Theory 1-1, 1-43.

Spieß, Constanze (2014). Diskurslinguistische Metaphernanalyse. In: Matthias Junge (Hrsg.): Methoden der Me­taphernforschung und -analyse. Wiesbaden: Springer, 31-58.

Spieß, Constanze (2015). Metonymie und Metapher: Sprachdidaktische Perspektiven auf das sprachreflexive Potenzial zweier Phänomene. In: Constanze Spieß & Klaus-Michael Köpcke (Hrsg.): Metapher und Metonymie: Theoretische, methodische und empirische Zugänge. Berlin, München, Boston: De Gruyter, 323-354.

Spieß, Constanze (2016). Metapher als multimodales kognitives Funktionsprinzip. In: Nina-Maria Klug und Hart­mus Stöckl (Hrsg.): Sprache im multimodalen Kontext. Berlin/Boston: De Gruyter, 75-98.