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WE 4: Reduktionssilben im typischen und atypischen Spracherwerb

Ziel dieses Projekts ist die Untersuchung der Wahrnehmung, der Kategorisierung und des Lernens von kanonischen Trochäen bei Kindern mit typischer Entwicklung und mit Sprachstörungen. Kanonische Trochäen mit finalen, schwachen Schwa-Silben stellen einen frühen Meilenstein der Sprachentwicklung dar, der nach einer Reihe von Zwischenschritten erreicht wird und für eine erfolgreiche grammatische Entwicklung wesentlich ist. Trotz der Bedeutung des kanonischen Trochäus für den Spracherwerb im Deutschen wurde die Wahrnehmung und Produktion von Reduktionssilben bisher nur wenig erforscht. Es ist unklar, wie Kinder Schwa-Silben verarbeiten und kategorisieren und welche Faktoren den Lernprozess beeinflussen. Ein Manko in der bisherigen Forschung ist die getrennte Betrachtung von Wahrnehmung und Produktion. Unser Ansatz vereint diese Aspekte, um tiefere Einblicke in die kindliche Repräsentation schwacher Silben mit Schwa liefern zu können. Die gewonnenen Daten sollen das Wissen über die Wechselwirkungen zwischen Sprachwahrnehmung und lexikalischen Repräsentationen bereichern. Darüber hinaus stellen reduzierte Silben eine potenzielle Hürde für Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen (SES) bzw. Aussprachestörungen dar. Bislang wurden dabei vor allem Fehler in der Wortproduktion beschrieben. Das geplante Projekt geht über diese offensichtlichen expressiven Symptome hinaus, indem es zugrundeliegende Verarbeitungsdefizite aufdeckt und so klinische Implikationen für die Diagnostik und Intervention erlaubt.

Einem multi-methodalen Ansatz folgend wurden vier Experimente entwickelt, um systematisch verschiedene Verarbeitungsebenen mit Hilfe von Eyetracking und Pupillometrie zu untersuchen:

  1. Diskrimination: Sensitivität für Vokalveränderungen
  2. Wahrnehmung von Reduktionssilben: Worterkennung mit korrekt vs. falsch ausgesprochenen Wortformen
  3. Kategorisierung: Antizipatorische Blickbewegungsaufgabe zur Klassifikation von Wörtern unter Berücksichtigung ihrer prosodischen Struktur
  4. Lernen: Interaktive Wortlernaufgabe mit bekannten und neuen Wörtern.

Die Experimente werden mit 90 Kindern mit typischer Entwicklung (im Alter von 18-36 Monaten), 30 Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerung (30-36 Monate) und 30 Kindern mit SES (im Vorschul- und Grundschulalter) durchgeführt. Die Sprachfähigkeiten aller Kinder werden mit altersgemäßen standardisierten Tests untersucht. Insgesamt fokussiert das geplante Projekt auf die Verarbeitung, Repräsentation und Produktion von Reduktionssilben in der kindlichen Entwicklung und trägt damit zum Gesamtziel der Forschungsgruppe bei, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Verarbeitung schwacher Elemente im erwachsenen und im sich entwickelnden Sprachsystem zu herauszuarbeiten.