02.12.2019 Panikstörung und Depression zeigen genetische Gemeinsamkeiten

Genomstudie unter Marburger Federführung weist Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen nach. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht.

Die Mediziner (von rechts) Dr. Andreas Forstner, Dr. Benedikt Bürfent und Professor Dr. Johannes Schumacher vom Marburger Institut für Humangenetik legten Genomdaten zur Panikstörung vor.

Das Krankheitsbild der Panikstörung beruht auf denselben Genen wie Depression und andere Erkrankungen – wenigstens zum Teil. Das ist eines der Ergebnisse einer länderübergreifenden Studie, die Mediziner des Marburger Instituts für Humangenetik mit zahlreichen Fachkolleginnen und -kollegen durchgeführt haben. Sie berichten im Fachblatt „Molecular Psychiatry“ über ihre Resultate. Panikstörung ist eine der schwersten Angststörungen, gekennzeichnet durch plötzliche und wiederholte Panikattacken. „Bislang wusste man nicht, welche Gene für diese Krankheit verantwortlich sind“, sagt der Marburger Mediziner Dr. Andreas Forstner, der die aktuelle Studie leitete.

Um die genetischen Ursachen für Panikstörungen herauszufinden, analysierten er und zahlreiche Fachleute aus dem In- und Ausland das Erbgut von Betroffenen und verglichen die Daten mit denen gesunder Personen. Die Studie schließt 2248 Patientinnen und Patienten ein, deren Panikstörung klinisch gut charakterisiert ist. Außerdem umfasst die Analyse 7992 gesunde Kontrollpersonen. Die Proben stammen aus vier europäischen Ländern, nämlich aus Dänemark, Estland, Deutschland und Schweden. „Es handelt sich somit um die bisher größte derartige Studie“, erklärt Seniorautor Professor Dr. Johannes Schumacher, der dem Institut für Humangenetik der Philipps-Universität vorsteht.

Für ihre Analyse nahm das Team Genvarianten unter die Lupe, die sich in einem einzelnen Baustein von anderen Versionen desselben Gens unterscheiden, sogenannte SNPs. Die Forschungsgruppe überprüfte, ob SNPs an bestimmten Genorten bei Patienten mit Panikstörung häufiger vorkommen als bei gesunden Personen. Zwar entdeckten die Forscherinnen und Forscher mit dieser Methode kein Gen, das für sich genommen die Panikattacken verursacht. Dafür fanden sie jedoch heraus, dass ein genetischer Zusammenhang zwischen Panikstörung und anderen Erkrankungen besteht, nämlich mit depressiver Störung sowie Neurotizismus; darunter versteht man einen Aspekt der Persönlichkeit, der sich unter anderem durch erhöhte Reizbarkeit auszeichnet. Diejenigen Erbanlagen, die zu Panikattacken beitragen, haben auch einen Einfluss auf die beiden anderen psychischen Erscheinungsbilder.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Angststörungen und Depression die extremen Ausprägungen von seelischen Veranlagungen sein könnten, die auch jeder ganz normalen, gesunden Persönlichkeit zugrunde liegen“, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren aus den Daten. „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Personen mit großer Reizbarkeit eher als andere zu Gefühlen wie Ängstlichkeit neigen, die sich bis zu Panikattacken steigern können.“

Der Mediziner Professor Dr. Johannes Schumacher lehrt Humangenetik an der Philipps-Universität. Dr. Andreas Forstner leitet eine Nachwuchsgruppe am Marburger Institut für Humangenetik. Erst vor Kurzem veröffentlichte er eine große genetische Studie zur bipolaren Störung. Neben Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeiteten zahlreiche Fachleute deutscher sowie europäischer Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen an der Studie mit. Aus Deutschland beteiligten sich neben der Universität Marburg unter anderem die Universitäten Würzburg und Bonn, die Charité Berlin und das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München an den Untersuchungen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie weitere europäische Fördereinrichtungen unterstützten die zugrundeliegende wissenschaftliche Arbeit finanziell.

Originalveröffentlichung:
Andreas J. Forstner & al.: Genome-wide association study of panic disorder reveals genetic overlap with neuroticism and depression, Molecular Psychiatry 2019,
DOI: https://doi.org/10.1038/s41380-019-0590-2

Kontakt