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Innovation Laboratory School

Der Weiterbildungsmaster Kulturelle Bildung an Schulen (WBM KuBiS) und die Richtsbergschule-Gesamtschule Marburg (eine zertifizierte KulturSchule des Landes Hessen) entwickeln neue Formate für Schulentwicklung und Lehrer*innenbildung.

Ein Blick in die bundesdeutsche Schullandschaft zeigt an ganz unterschiedlichen Standorten Formen der Zusammenarbeit von Universitäten und Schulen. Dass diese Kooperationen allerdings die diversen Fragestellungen umfassend bedienen, die Handlungsfelder abgesichert wissenschaftlich gesichtet und die Erkenntnisse wiederum für das Praxisfeld unmittelbar nutzbar gemacht werden, ist eher die Ausnahme.

Kulturelle Bildung ist seit Anfang der 2000er Jahre in vielen Bundesländern ein sich immer stärker entwickelndes Thema, weshalb auch immer mehr Bundesländer von Norden nach Süden und von Ost nach West das Profil Kulturschule als Schulentwicklungsmaßnahme in unterschiedlichsten Formaten einführen. Sie dokumentieren damit, dass Kulturelle Bildung nicht nur eine schöne Dekoration des sonst oft spröden Schultags ist, sondern dass sie vielmehr als besondere Zugangsweise für lernseitige Lernprozesse einen grundlegenden Baustein für Schule als Ganzes darstellt. So werden Schüler*innen in einer Schule mit kulturellem Profil einerseits individuelle, vom Subjekt her denkende, fachliche Zugänge geboten und gleichzeitig wird Ihnen der Raum zur Mitgestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens geboten und ihnen die Teilhabe … am kulturellen Leben … und „an der Erschließung der Welt“ (Rat für kulturelle Bildung, 2014) ermöglicht (Kammler, Lohmann, 2018, S.12 f.).
Doch so gut und engagiert der Prozess vorangetrieben wird, stellt die zielgerichtete Weiterentwicklung die Schulen auch vor so manche Herausforderung.

Neben den schulinternen Strukturen und der Unterrichtsentwicklung geht es dabei oftmals um das Miteinander von Lehrer*innen und außerschulischen Akteuren. Benötigt Schule einerseits das außerschulische Feld, um authentisch und gesellschaftsrelevant Kulturelle Bildung erlebbar zu machen, so ist es eben doch jene andere Taktung, die „andere Logik“ von Wissenserwerb, die im Alltagsgeschehen immer wieder zu Reibungsverlusten zwischen den Akteuren führt.

Der Studiengang

Die Philipps-Universität Marburg hat deshalb im Jahr 2014 einen Weiterbildungsmaster eingerichtet, um diese virulenten Fragestellungen der kulturellen Schulentwicklung unter den oben genannten Gesichtspunkten, vor allen Dingen aber auch im interprofessionellen Miteinander von Lehrer*innen, Künstler*innen und Vermittler*innen wie z.B. Museumspädagog*innen innerhalb des Studiengangs selbst mit den Akteuren zu bearbeiten (www.wbm-kubis.de).

Die Richtsberg-Gesamtschule

Die KulturSchule Richtsbergschule, Marburg hat sich bei der Ausschreibung des Landes um die Teilnahme an der zweiten Staffel des KulturSchule-Programms im Jahr 2012 beworben und arbeitet seitdem intensiv an der Ausprägung ihres kulturellen Schulprofils. Nach der ersten Arbeitsphase wurde sie durch das Land Hessen 2015 zertifiziert.
Dabei stehen nicht nur strukturelle Fragestellungen im Fokus der Entwicklungsarbeit, sondern insbesondere die Frage, wie ästhetische Lernzugänge für alle Fächer gewinnbringend genutzt werden können. Aufgrund der bestehenden engen Zusammenarbeit zwischen Schule und Universität wurden nun im Februar 2019 die kooperativen Ebenen zwischen den beiden Akteuren im Rahmen eines Kooperationsabkommens und der Vergabe des Prädikats „InnoLabSchool“ geklärt. Die Kooperationsvereinbarung beinhaltet verschiedene Bausteine, die, systematisch angelegt, die inhaltlichen Ziele der Schule für kulturelle Schulentwicklung schärfen (www.richtsbergschule.de).

Schulentwicklung - Praxisnah

Die Schule selbst arbeitet kontinuierlich an der Ausprägung ihres Profils. Dabei ist es hilfreich, auf unterschiedlichen Ebenen Rückmeldung und Impulse zu bekommen.

Der praxisnahe Ansatz im Miteinander beleuchtet verschiedene Handlungsebenen, die von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung sind (vgl. Kammler; Lohmann, 2018, S. 137 – 193.

Handlungsfelder definieren

Die Richtsbergschule selbst pflegt einen überaus aktiven Austausch im Kollegium. Viele Entscheidungen werden in den unterschiedlichsten, bereits installierten Gremien diskutiert und in einem partizipativen Miteinander in der Schule beschlossen. Im Rahmen der Kooperation tritt die Schule allerdings in eine neue Ebene des sich Verständigens ein. Nicht nur innerhalb der Schule, sondern eben auch gegenüber dem wissenschaftlichen Kooperationspartner werden Aushandlungsprozesse transparent gemacht und so eine kontruktiv-kritische Rückmeldung des critical friends Universität ermöglicht.

KulturSchule entwickelt sich natürlich auch im bewussten „Kultur leben“ durch die Aktivitäten im Bereich der Kulturellen Bildung. Hier gilt es im Miteinander zwischen Schule und Universität die Rahmung der Zusammenarbeit zu klären, Schwerpunkte festzulegen und die Bedeutung der unterschiedlichen Aktivitäten für den Schulentwicklungsprozess zu betrachten. So können Impulse wie eine Dichterlesung, Projekte wie z.B. ein Street Art Projekt mit einer/m Künstler*in oder aber eben der grundsätzliche interdisziplinäre ästhetische Zugang zu Unterricht selbst, ganz unterschiedliche Einflüsse auf den Schulentwicklungsprozess nehmen. Im Rahmen der Kooperation werden durch die Universität eben solche Impulse oder Projekte durchgeführt, um so Zugänge zu Unterricht zu erproben und im schulischen Geschehen für alle Fächer zu unterstützen.

Im Weiteren bemüht sich die Schule Gelingen zu ermöglichen, indem sie strategisch angelegt Strukturen schafft, die Organisationsentwicklungsschritte transparent und von klaren Beauftragungen getragen werden. Hierzu gehört eine von der Schule offensiv gepflegte Bereitschaft des Kollegiums, sich für diesen Bereich zu professionalisieren, weshalb bereits jetzt vier Kolleg*innen der Schule den KuBiS Masterstudiengang zusätzlich zu ihrer Lehramtsqualifikation absolviert haben.
Auf dieser Basis werden Chancen genutzt, Fördergelder einerseits und Akteure mit besonderen Kompetenzen andererseits für die Ausprägung der KulturSchule gesucht und konzeptionell eingebunden. So ergänzen sich Kolleg*innen untereinander im Fächer vernetzenden Unterricht und im interprofessionellen Miteinander mit Künstler*innen aller Sparten.
Diese Ausgangssituation ermöglicht der Schule, im besonderen Maße sich zu öffnen, gezielt Kooperationen mit kulturellen Partnerinstitutionen einzugehen und sich bewusst, z.B. für Förderprogramme zu bewerben, die die Schule auch tatsächlich in der ihr eigenen Art und Weise von Entwicklung unterstützt.

Schulentwicklung - wissenschaftlich

Ermöglicht durch eine Forschungskooperation zwischen Philipps-Universität Marburg und dem Hessischen Kultusministerium sichtet die Arbeitsgruppe der Akademischen Leiterin des WBM KuBiS, Prof. Dr. Heike Ackermann, die Arbeit der Richtsbergschule bereits seit 2013. In einem qualitativ-quantitativen Untersuchungsdesign wird die Schule kontinuierlich in Bezug auf strukturelle und personelle Fragestellungen sowie auf die Ausgestaltung des KulturSchul-Programms hin untersucht (vgl. Ackermann, Retzar, Mützlitz, Kammler, 2015).
Durch diese Langzeituntersuchung erhält die Schule wertvolle Hinweise auf virulente Fragestellungen für die Weiterentwicklung. In regelmäßigen Abständen treffen sich Lehrer*innen, Schulleitung und Wissenschaftler*innen zum gemeinsamen Austausch. Dabei werden aktuelle Probleme angesprochen, gemeinsam beraten und im Rahmen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen für andere Schule transferfähig gemacht.
Dabei dienen die Untersuchungsergebnisse auch der strategischen Weiterentwicklung des Programms KulturSchule Hessen. Die hier gewonnen Untersuchungsergebnisse helfen dann auch in anderen Bundesländern, wissenschaftlich abgesichert „Kulturschule“ als Schulprofilformat sinnvoll zu etablieren.

Lehrer*innebildung - interdisziplinär

Aus den Impulsen der gemeinsamen Arbeit von Schule und Universität wiederum erwachsen auch neue Handlungshorizonte für grundständige Lehreramtsstudierende.
Felder wie z.B. Forschendes Lernen/Ästhetische Forschung werden den Marburger Lehramtsstudierenden als Seminarformate angeboten, um so lernseitige Unterrichtsentwicklung als zukunftsträchtige Formate in der Lehrer*innenbildung zu erproben. So erschließen sich Studierende theoretisch im Seminar den konzeptionellen Hintergrund und erfahren dann in einer Projektdurchführung an der Inno lab School, wie sich die Arbeit mit den Schüler*innen in der Praxis ausgestaltet.

Seminar zur theoretischen Verordnung Seminar als Ort persönlicher Erprobung Schule zur Felderprobung Phasenübergreifendes Miteinander zur Professionalisierung von Unterricht

Dabei werden sie von den Kolleg*innen des Jahrgangs unterstützt und beraten und treten so in einen Berufsphasen übergreifenden Austausch ein. Aber auch andere Themen werden in dieser Form zwischen Schule und Universität gewinnbringend bearbeitet. Dazu zählen Seminarformate wie „Theater im Kontext gruppendynamischen Handelns“, „Tanz im Kontext Kulturelle Bildung an Schulen“ oder „Museen als interdisziplinäre Lernorte“.

Lehrer*innenbildung – interprofessionell

Besonders eng sind die Entwicklungsziele der beiden Institutionen im Bereich der Weiterbildung. Das gemeinsame Agieren von Schule und Weiterbildungsmaster ermöglicht einen gewinnbringenden Austausch in den Netzwerkstrukturen der beiden Institutionen. Bei regionalen oder überregionalen Netzwerktreffen bieten beide das gewonnene Transferwissen an, um so Handlungsimpulse ins Feld zu tragen. Dieses Anliegen gewinnt zusätzlich Raum, indem die Schule sich als Erkundungsort für die Weiterbildungsstudierenden öffnet und diese gezielte Beobachtungen unter bestimmten Fragestellungen durchführen lässt, die dann wiederum im Dialog zwischen Kollegium und Studierenden den interprofessionellen Austausch in hohem Maße prägen. So wird einerseits die Rückmeldung der Studierenden zu Entwicklungsimpulsen für die Schule und andererseits tragen die Studierenden mit ihren unterschiedlichen Professionen und bundesweiten Standorten das gewonnene Wissen wieder ins Feld der bundesweiten kulturellen Schulentwicklung zurück.