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Aus der Frühzeit des Homo Ethnologicus

Der Nachlass des Südamerikaforschers Theodor Koch-Grünberg

von Michael Kraus

tkgyeepa Der Nachlass des bekannten Südamerikaforschers Theodor Koch-Grünberg (1872-1924) wurde zu Jahresbeginn 1999 von dessen Kindern der Völkerkundlichen Sammlung übergeben, wo er im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes ausgewertet wird. In diesem Beitrag soll das vorhandene Material vorgestellt werden, sowie einige Gedanken über seine Verwendungsmöglichkeiten.

Stammesgeschichten mit dem Auge der Wissenschaft zu betrachten, ist das tägliche Brot der Ethnologie. Die Wissenschaft selbst als Stammesgeschichte zu beschreiben bzw. zu analysieren, ist hingegen eine Aufgabe, die manchmal gefordert, bisher jedoch nur selten in die Tat umgesetzt wurde. So vermutet Pierre Bourdieu beispielsweise Ähnlichkeiten zwischen dem Verschicken von Neujahrskarten französischer Medizinprofessoren und dem Kula-Zyklus, jenem rituellen Austausch von Muschelketten und Armbändern, der von den Bewohnern der vor der Ostspitze Neuguineas liegenden Inseln betrieben wurde (Bourdieu 1998 [1984]: 103, Anm. 21. Zum Kula-Tausch vgl. Malinowski 1984 [1922]).

Initiationszeiten (Studium, Feldforschung) mit abschließenden Übergangsriten (Prüfung) lassen sich im sozialen System "Wissenschaft" ebenso aufzeigen wie bei anderen Stämmen auch. Statusaufwertungen werden gleichermaßen öffentlich gemacht: dort Rangabzeichen in Form beispielsweise von Federschmuck, Ohrperforationen oder Halsketten, die einen erfolgreichen Jagd-/Kriegszug oder den Übergang in die nächste Altersklasse dokumentieren, hier in Form akademischer Titel und Ehrungen, welche eine erfolgreiche Forschung nachweisen. Über eine neue Feder oder Zahnreihe in der eigenen Halskette wird Prestigegewinn ebenso nach außen sichtbar gemacht wie durch Hinzufügung eines weiteren Titels zur eigenen Publikationsliste. Umgekehrt vermag das Scheitern einer Jagd- bzw. Forschungsexpedition nicht nur den Spott der Stammesgenossen hervorzurufen, sondern es kann auch weitergehende soziale Konsequenzen haben, auch wenn sich diese, je nach Stammesgefüge und kultureller Wertung, unterscheiden: In der scientific community wird ein Fehlschlag u. a. die Chancen auf eine frei werdende Stelle mindern, in den Gemeinschaften von Amazonasindianern beispielsweise, in deren weitgehend egalitären Gesellschaftssystemen traditionell keine bezahlten Sonderposten zu vergeben waren, mindert mangelnder Jagderfolg die Heiratschancen des Mannes (siehe Anm. 1).

Einen der interessantesten Entwürfe zur Untersuchung der Stammesgemeinschaft Ethnologie, unter Verwendung der von eben dieser Disziplin bei der Erforschung ihr fremder Gesellschaften gewonnenen Einsichten und Termini, hat jüngst Bernhard Streck (1997: 40-52) unternommen. Anhand von Überlegungen zu Zeitkonzeptionen, Kommunikationsstrukturen, sozialen Bindungen und Ahnenverehrung zeigt er Ähnlichkeiten zwischen den Gesellschaften der Untersuchten und der Untersuchenden auf. So zieht Streck beispielsweise Parallelen zwischen akademischen Ausführungen und den Monologen indianischer Häuptlinge, die diese nach Einbruch der Dunkelheit über die verschiedensten Themen auf dem Dorfplatz halten, und die von allen gehört, jedoch von keinem beachtet werden. Am nächsten Abend, oder auch erst nach längerer Zeit, spricht der nächste auf dem Dorfplatz, über ähnliche Themen, wenn auch ohne direkten Bezug auf den Vorredner. Diese Monologketten, die sich neben dem klassischen Rede- und Gegenrede-Modell der Rhetorik auch im Versammlungshaus Universität nachweisen lassen, wirken fort und bilden einen Traditionszusammenhang – ein Zusammenhang, bei dem sich auch immer wieder neue Stimmen und Interpreten der Masken, Ideen und der Autorität der je nach Brauchbarkeit als Zeuge, Vorbild oder abschreckendes Beispiel herbeigerufenen Ahnengeister bemächtigen. Die Ahnen, so Streck, "sind wie Bäume, die in den Himmel und in die Hölle wachsen und die Zwiesprache mit ihnen wechselt zwischen Entlarvung und Verehrung, Kritik und Weiterführung, Vergessen und Neuentdecken" (1997: 45).

Damit ist zugleich gesagt, dass zahlreiche Vorfahren, wie auch immer man mit ihnen umgeht, zumindest nicht vergessen sind. So wie die erfolgreichsten Jagdzüge in den stets von Neuem erzählten Mythen- und Wissensschatz des betroffenen Volkes eingehen, so werden in der Wissenschaft die 'großen" bzw. 'klassischen' Studien ebenfalls regelmäßig rezitiert.

Ein weiteres Bild aus der Religionsethnologie soll den Vergleich zur Stammesgeschichte erweitern. Tullio Maranhão (1992) verweist in einem Beitrag zur Mythenforschung auf die Unterscheidung zwischen der Arbeit des und der Arbeit am Mythos. Während die Arbeit des Mythos im Vortragen der mythischen Erzählungen besteht, bedeutet Arbeit am Mythos denselben zu interpretieren und nach dem Sinn des Vortrags zu fragen. Maranhão vergleicht dabei die Arbeit des Mythos mit der Tätigkeit Penelopes, die das Totenhemd für ihren Schwiegervater Laertes am Tage webt und bei Nacht wieder auftrennt, um Zeit zu gewinnen für die erhoffte Rückkehr des Odysseus. Die Arbeit am Mythos hat nicht den Aufschub an Zeit und die Fortführung des mythischen Hoffnungsbildes zum Ziel, sondern sie versucht, den Mythos zu erklären und letztendlich aufzuheben, das mythische Bild zerschellt, zumindest in der Theorie, am Absolutismus der Wirklichkeit. Dabei gilt jedoch auch, dass bereits der früheste Erzähler, oder anders ausgedrückt, der älteste Mytheninterpret immer schon mit der Arbeit am Mythos beschäftigt ist.

Um nun das überlieferte und in Selbstdarstellungen wie Nachrufen, die im Allgemeinen nach dem Grundsatz de mortuis nihil nisi bene (über Tote soll man nur Gutes sagen) geschrieben wurden, oftmals mythisch überlagerte Bild der Ahnengemeinde unseres Stammes zu de- bzw. rekonstruieren, bedarf es empirischer Untersuchungen - also der Arbeit an den existierenden Interpretationen. Dafür ist es, wie bei anderen Analysen auch, notwendig, über spezifische Daten aus dem entsprechenden Umfeld zu verfügen. Eine umfangreiche Datensammlung, die eine solche Untersuchung erlaubt, steht an der Philipps-Universität mit dem Nachlass von Theodor Koch-Grünberg nun zur Verfügung.

Koch-Grünberg hatte ursprünglich klassische Philologie für das Lehramt studiert, nahm von 1898-1900 jedoch an der zweiten Expedition des Leipzigers Hermann Meyer durch Zentralbrasilien teil, und arbeitete ab 1901 zunächst als Volontär, ab April 1902 dann als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Berliner Museum für Völkerkunde. Zwischen 1903 und 1905 unternahm er eine umfangreiche Expedition in das nordwestliche Amazonasgebiet, deren wissenschaftlicher Ertrag in Form von Beschreibungen der dort lebenden Indianervölker, umfangreichen Sprachaufnahmen, Fotos sowie einer eindrucksvollen ethnographischen Sammlung seinen zukünftigen Ruhm begründen sollte. 1909 wechselte er von Berlin an die Universität Freiburg, wo er sich habilitierte und zunächst als Privatdozent, ab 1913 als außerordentlicher Professor tätig war. Dazwischen lag von 1911 bis 1913 eine weitere Expedition, die ihn diesmal zu den Indianern des nordbrasilianischen Roraima-Gebietes und des Weiteren über den Rio Uraricuera und den Rio Merewarí zu den im Süden Venezuelas beheimateten Indianervölkern führte. Ab Oktober 1915 war Koch-Grünberg wissenschaftlicher Direktor des Stuttgarter Linden-Museums. 1924 brach er zu einer weiteren Expedition nach Brasilien auf, zu deren Beginn er am 8.10.1924 im brasilianischen Vista Alegre an Malaria verstarb.
Theodor Koch-Grünberg gehört damit zur zweiten Generation deutscher Ethnologen, die in Südamerika Forschungen unternahmen und deren Wirken in Deutschland es zu verdanken ist, dass diese Wissenschaft, die bis dahin lediglich über ein gesichertes Standbein institutionalisierter Arbeitsmöglichkeiten verfügte (die Rede ist von den völkerkundlichen Museen), auch an den Universitäten Fuß zu fassen vermochte. Was den Nachlass wissenschaftsgeschichtlich interessant macht, ist der Einblick in die Produktionsbedingungen von Wissenschaft zu jener Zeit. Wie kamen die publizierten Ergebnisse zustande? Was wurde und was wurde nicht veröffentlicht? Wie sahen die Beziehungen innerhalb der sich erst im Etablieren begriffenen Stammesgemeinschaft der Ethnologen aus? Wie waren die Außen- und Tauschbeziehungen, d. h. der theoretisch vorgestellte wie der praktisch realisierte Kontakt zu den erforschten Fremden? Auf welche Weise, unter welchen Bedingungen und zu welch vielseitigen Zwecken wurden die dort erworbenen Kenntnisse und Materialien im Binnenraum des eigenen Stammes bzw. der diesen umgebenden Gesellschaft verwertet?

Das Kernstück des Nachlasses bilden die Forschungstagebücher der ersten drei Reisen, die Einsichten zu Hintergründen, Schwierigkeiten, Forschungsstrategien der Expedition und die Gedankenwelt des Reisenden, wie auch die schriftstellerische Verarbeitung des Erlebten im Feld, zulassen. Ergänzt werden diese durch die vorhandene Feldpost, d.h. Post von Freunden, Verwandten und Kollegen an Koch-Grünberg wie auch Kopien der von diesem aus Amazonien versandten Briefe und der Zwischenberichte an seinen Vorgesetzten Karl von den Steinen (siehe Anm. 2). Dazu kommen 37 Aktenordner mit Schriftwechseln, die den Werdegang Koch-Grünbergs sowie den wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Austausch mit Kollegen zwischen 1898 und 1924 belegen.

Weiterhin von zentraler Bedeutung für eine Erschließung des damaligen Wissens sind die vorhandenen Vortrags- und Vorlesungsmanuskripte des Gelehrten. Hier wird der Stand einer Wissenschaft, die gerade erst dabei war, sich von Nachbardisziplinen abzusetzen und sich dauerhaft eigenständig an der Universität zu etablieren, deutlich, wie er den ersten Studierenden dieses Faches dargeboten wurde. Ebenfalls vorhanden im Nachlass sind zahlreiche Zeitungsberichte und wissenschaftliche Rezensionen aus jenen Tagen, die es erlauben, das fachinterne wie auch das öffentliche Bild Koch-Grünbergs und seiner Disziplin aus der Sicht seiner Zeitgenossen zu rekonstruieren. Abgerundet wird der Bestand durch zahlreiche Sprachaufzeichnungen und Manuskripte zu Buchveröffentlichungen, ca. 1000 Glasdias bzw. -negative und 67 Tonwalzen, die Koch-Grünberg während seiner Reisen aufnahm, sowie durch weitere Objekte aus dem persönlichen Bereich (Fotoalben, Fotoapparat, Literatur, Zeichnungen).

Setzt man die vorhandenen Dokumente in Bezug zueinander, so lässt sich beispielsweise aufzeigen, wie wenig Wissenschaftler bereits zu den Anfangszeiten des Faches sich "reinem Forschen aus innerem Antriebe" widmen konnten, wie es dem Gelehrtenideal jener Tage entsprach (vgl. z.B. Schmeiser 1994: 34-42). Stattdessen wird deutlich, wie sehr wissenschaftliches Arbeiten immer durchdrungen ist von den politischen und ökonomischen Zwängen des Augenblicks. So waren die Forschungen in Amazonien, wie die Tagebücher belegen, neben eigenen Interessen und der Auskunftsbereitschaft der Indianer immer auch von geographischen Schwierigkeiten, sozialen Beziehungen, Finanzierungsmöglichkeiten und politischer Großwetterlage abhängig. Bei keiner der zwei Expeditionen, die Koch-Grünbergs wissenschaftliche Bedeutung ausmachen (1903-05 und 1911-13), arbeitete der Gelehrte in dem Areal, das zu erforschen er eigentlich ausgezogen war. Eine Vielzahl von Faktoren, die im Einzelnen an anderer Stelle aufgeführt werden sollen, verhinderte jeweils das Umsetzen der ursprünglichen Pläne. Und auch die Arbeit im eigenen Land war nie frei von ökonomischen oder sonstigen Zwängen. Die Gemeinschaft des "homo ethnologicus", die zu Lebzeiten Koch-Grünbergs gerade ihre institutionelle Gründerzeit durchlebte, war hier u. a. mit Territorialstreitigkeiten beschäftigt: Zum Teil gegen den Widerstand anderer Fächer und Interessensgruppen war es notwendig, sich ein gesichertes Stammesterrain (in Form von Lehrstühlen, neuen Museen, dauerhaft zugänglichen Fördermitteln) für das eigene wirtschaftliche und kulturelle Leben zu erobern (vgl. Kraus 2000. Bezüglich der Abhängigkeit ethnologischer Forschungen von der Politik im eigenen Land vgl. Streck 1997: 53-71), eine Tätigkeit, die sich wiederum auf interne Verhaltensmuster auswirkte. Beispielsweise war die Sozialisation des Nachwuchses, wie Briefwechsel belegen, nicht alleine auf die wissenschaftliche Unterrichtung der Studierenden ausgelegt, richtungsweisend für die pädagogische Arbeit war zudem der Blick auf die eigenen Aufstiegschancen im Großverband "Wissenschaft". So riet der Hamburger Museumsdirektor Georg Thilenius seinem jungen Kollegen Koch-Grünberg, bei künftigen Vorlesungs- und Publikationstätigkeiten verstärkt Themen der allgemeinen Ethnologie zu berücksichtigen, da zu großes Spezialistentum bei der Besetzung einer von diesem ins Auge gefassten Stelle in der momentanen Situation eher nachteilig bewertet würde. Zudem sei es natürlich förderlich, sich auf den nationalen und internationalen Verbandstreffen sehen zu lassen (Thilenius an Koch-Grünberg. Briefe vom 22.09.1908, 18.01.1909, 26.01.1909).

Eine Aufarbeitung des Nachlasses, dessen Wert an dieser Stelle lediglich mittels knapper Überlegungen angedeutet werden konnte, zeigt folglich unter anderem, was bei der Präsentation wissenschaftlicher Ergebnisse häufig übergangen wird: die Strukturbedingungen des Feldes, in denen wissenschaftliche Forschung abläuft und die die Ergebnisse und die Ausrichtung seiner Protagonisten stets ein entscheidendes Stück weit mitbestimmen (vgl. hierzu v.a. die Untersuchung von Bourdieu 1998).

Bei all dem ist natürlich zu berücksichtigen, dass das vorhandene Material für eine möglichst objektive Analyse der Frühzeit der ethnologischen Wissenschaft stets einseitig bleibt. Wir haben hier die Sicht eines, wenn auch bedeutenden Forschers bzw. die Korrespondenz an ihn, bei deren Interpretation stets das Verhältnis zu berücksichtigen ist, in dem der jeweilige Absender zum Adressaten stand. Vieles wird in persönlichen Briefen wohl deutlicher ausgesprochen als in öffentlichen Stellungnahmen, vieles bleibt jedoch auch ungesagt oder wird diplomatisch formuliert, je nach Grad der Vertrautheit, Abhängigkeit, Selbstverständlichkeit, der Interessenlage oder sonstiger Überlegungen der Schreiber. So gesehen ist der zur Verfügung stehende Nachlass vergleichbar mit den verschriftlicht vorliegenden Aussagen eines Vertreters einer bestimmten Kultur, der uns Aufschluss über die dort vorherrschenden Verhältnisse gibt und dessen Darlegungen überprüft und abgeglichen werden müssen mit den Ansichten weiterer Beteiligter, in diesem Falle also von Kollegen und Zeitgenossen, deren Standpunkte es anhand ihrer Publikationen sowie durch Material aus anderen Archiven zu ermitteln gilt, und für deren Aussagewert natürlich wiederum die gleichen Einschränkungen gelten. Der Bote in die Vergangenheit ist das Papier, das wie andere Vermittler in die Zeit, in der die Stammesahnen wirkten, gelegentlich tricksterhafte Züge an sich haben mag, denen es mit den Methoden der Quellenkritik so gut als möglich zu begegnen gilt.

Die Bilder der Vorfahren nicht unbedarft zu übernehmen, sondern die Sicht auf die Ahnengalerie durch Arbeit am Geschichtsbild zu hinterfragen, heißt dabei keineswegs, dass ein Bildersturm beabsichtigt wäre. Die Großartigkeit einer, zu jeder Zeit zeitgebundenen Forschungsleistung, wie sie die frühen Expeditionen der Völkerkunde darstellen, soll nicht mit der Überheblichkeit des sich überlegen dünkenden Nachgeborenen kritisiert, sondern lediglich im Rahmen ihrer Entstehungsbedingungen analysiert werden - auch Wissenschaftsgeschichte muss, so Streck, das delphische Ideal des "Erkenne Dich selbst" zum Ziel haben. Anders ausgedrückt: Penelopes Werk wird ein weiteres Mal aufgetrennt, nur um es mit dem aus der empirischen Analyse und mit den Methoden einer historisch arbeitenden Ethnologie gewonnenen Material ein Stück weit neu zu weben. Das Gewand der Stammesgeschichte auf diese Weise teilweise neu zu gestalten, heißt dabei weder, es zu zerstören, noch den alten Geschichten ihren Glanz zu nehmen. Die Muster, die das Gewand bis dahin aufwies, können sich verschieben, ganz verschwinden werden sie ebenso wenig wie die Tätigkeit des Webens, dessen Fortgang auch die von unserer Hand, und mit welchen methodischen Fortschritten auch immer entworfenen Bilder, bald wieder verändern dürfte.

Veröfftenlicht in Kraus, Michael 2001. Aus der Frühzeit des Homo Ethnologicus: Der Nachlass des Südamerikaforschers Theodor Koch-Grünberg. In: Stéphane Voell (Hg.) '... ohne Museum geht es nicht': Die Völkerkundliche Sammlung der Philipps-Universität Marburg (Curupira Workshop, 7). Marburg: Curupira: 233-241.

Anmerkungen:

1) Vgl. z.B. Fejos 1943: 75, 107. Koch-Grünberg 1923: 59. Je nach kultureller Ordnung kann die Form der gesellschaftlichen Auswirkungen bei ähnlicher Ausgangslage folglich sogar ganz gegenteilige Ergebnisse zeitigen: Mindert bei Amazonasindianern mangelnder Berufserfolg die Heiratschancen, so war im akademischen Bereich eher berufliches Weiterkommen mit (temporärem) Heiratsverzicht verbunden, was v.a. auf die ungesicherte ökonomische Absicherung der Forscher zurückzuführen ist. Deutlich zeigt sich dies bei dem an deutschen Universitäten zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführten Privatdozententum, das Habilitierten eine Unterrichtsverpflichtung ohne ökonomische Gegenleistung auferlegt, weshalb, so nicht andere Mittel zur Verfügung standen, keine Familie ernährt werden konnte. Zwischen 1870 und 1920, was in etwa der Lebensspanne Theodor Koch-Grünbergs (1872-1924) entspricht, lagen deutsche Professoren denn auch "im Vergleich zu anderen Bevölkerungs- und Berufsgruppen mit einem durchschnittlichen Heiratsalter von 33 Jahren an der Spitze der Spätheiratenden." (Schmeiser 1994: 39).
2) Karl von den Steinen leitete zu dieser Zeit die Südamerikanische Abteilung im Berliner Museum für Völkerkunde. Im Jahr 1890 war von den Steinen der erste Ethnologe gewesen, der an der Philipps-Universität unterrichtete. Vgl. hierzu Kraus 2001 b .

Literatur:

Bourdieu, Pierre 1998 [1984]. Homo academicus (stw, 1002). Frankfurt/M.: Suhrkamp. 465 S.
Fejos, Paul 1943. Ethnography of the Yagua (Publications in Anthropology, 1). New York: Viking Fund. 144 S.
Koch-Grünberg, Theodor 1923, Vom Roroima zum Orinoc:. Ergebnisse einer Reise in Nordbrasilien und Venezuela in den Jahren 1911-1913 (Ethnographie, Bd. 3). Stuttgart: Strecker und Schröder. x, 446 S.
Koch-Grünberg, Theodor 1967 [1909/10]. Zwei Jahre unter den Indianern. Reisen in Nordwest-Brasilien 1903/1905. Mit Marginalien in englischer Sprache und einer Einführung von Dr. Otto Zerries, München. 2 Bde. (Klassiker der Ethnographie Südamerikas, 2). Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt.
Kraus, Michael 2000: Über das Museum an die Universität. Etablierungsprobleme eines jungen Faches, aufgezeigt anhand der Schriftwechsel von Theodor Koch-Grünberg. In: Ders./Mark Münzel (Hg.) Zur Beziehung zwischen Universität und Museum in der Ethnologie (Curupira Workshop, 5). Marburg: Curupira: 17-36.
Kraus, Michael 2001a. Aus der Frühzeit des Homo Ethnologicus: Der Nachlass des Südamerikaforschers Theodor Koch-Grünberg. In: Stéphane Voell (Hg.) '... ohne Museum geht es nicht': Die Völkerkundliche Sammlung der Philipps-Universität Marburg (Curupira Workshop, 7). Marburg: Curupira: 233-241.
Kraus, Michael 2001b.  'Ohne Museum geht es nicht': Zur Geschichte der Völkerkunde in Marburg. In:  Stéphane Voell (Hg.) '... ohne Museum geht es nicht': Die Völkerkundliche Sammlung der Philipps-Universität Marburg (Curupira Workshop, 7). Marburg: Curupira: 31-65.
Malinowski, Bronislaw 1984 [1922]. Argonauten des westlichen Pazifik: ein Bericht über Unternehmungen und Abenteuer der Eingeborenen in den Inselwelten von Melanesisch-Neuguinea. Frankfurt am Main.: Syndikat. 585 S.
Maranhão, Tullio 1992. Mythos: Penelopes Arbeit zwischen Mensch und Gott. In: Karl-Heinz Kohl (Hg.) Mythen im Kontext: Ethnologische Perspektiven. Frankfurt am Main/New York: Ed. Qumran im Campus Verlag: 129-146.
Schmeiser, Martin 1994. Akademischer Hasard: Das Berufsschicksal des Professors und das Schicksal der deutschen Universität 870-1920. Eine verstehend soziologische Untersuchung. Stuttgart: Klett-Cotta. 436 S.
Streck, Bernhard (1997): Fröhliche Wissenschaft Ethnologie: Eine Führung. Wuppertal: Hammer. 264 S.