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Projekt A4 - Dynamik sprachlicher Repräsentationen in der Morphologie

PI und Ko-PI: Prof. Dr. Lameli, Prof. Dr. Scharinger, Prof. Dr. Spieß
Promovierende: Denise Al-Rubaye-Jung

Forschungskontext

In diesem Projekt geht es um Verkleinerungsformen (kurz Diminutive) des Deutschen. Es handelt sich dabei um einen sehr heterogenen und sprachhistorisch gesehen dynamischen Bereich, in dem es immer wieder zu Veränderungen und Umbauprozessen kam. Durch Vorarbeiten konnte so bereits der Abbau des -lein-Suffix und die historisch gesehen kurze Verwendung des -gen-Suffix mit anschließender, deutlich dominanterer Verwendung des -chen-Suffix belegt werden. Doch auch wenn bereits klar ist, dass Diminutive von Situation und Adressat stark abhängig sind, bleibt die Forschungsfrage, wann genau Sprecher welche Diminutive anwenden. Auch ist unklar, ob, und wenn ja, inwieweit sich die Gebrauchshäufigkeit von Diminutiven in jüngerer Vergangenheit und im heutigen Sprachgebrauch verändert hat. Aus sprachtypologischer Perspektive stellt sich zudem die Frage nach dem Verhältnis von analytischer und synthetischer Bildung der Diminutive. Denkbar wäre z.B., dass Sprecher vorangestellte Adjektive (z.B. der kleine Junge) anstelle von Suffixen verwenden, um die Diminution auszudrücken. Im Mittelpunkt der Forschungsfragen steht dabei insbesondere die Dynamik der mentalen Repräsentation von Diminutiven und damit die Frage, wie Diminutive kognitiv verarbeitet werden.

Aktuelles Promotionsprojekt

Arbeitstitel: Hochdeutsche Diminutiventwicklung in geschriebener und gesprochener Sprache ab 1950

Ziele

Ziel des Projekts ist es zuverlässige Aussagen über die Entwicklung und Verwendung von Diminutiven von 1950 bis heute treffen zu können. Durch Korpusanalysen soll festgestellt werden, wie häufig und in welchen Kontexten Diminutive verwendet werden. Über den Einsatz experimenteller Methoden soll zudem eine möglichst genaue Aussage über die Repräsentation und Verwendung von Diminutiven im heutigen Sprachgebrauch und im intergenerationellen Vergleich getroffen werden.

Methoden

Zur Untersuchung des Diminutivgebrauchs in der Schriftsprache und in der Eltern-Kind-Interaktion werden zunächst umfangreiche Korpusanalysen durchgeführt. Diese schließen für die Schriftsprache den Zeitraum von 1950-2018 und für die Eltern-Kind-Interaktion einen Zeitraum ab 1971 ein. Um in der Eltern-Kind Interaktion zuverlässigere Aussagen treffen zu können und umfangreichere und aktuellere Daten zu erhalten, ist die Erstellung neuer Aufnahmen und deren Analyse sinnvoll. Um die Diminutivverwendung im heutigen Sprachgebrauch zu analysieren, soll ein Online-Fragebogen (in Form von Decision Tasks) eingesetzt werden.

Vorarbeiten

Vorarbeiten zum korpusanalytischen Teil finden sich z.B. in den Arbeiten von Lameli, so z.B. in einer Analyse zum Zeitraum 1600 bis 1900 (Lameli 2018). Hierdurch konnte belegt werden, dass bis 1650 das -lein-Suffix dominierte und es ab dem 18. Jahrhundert – initiiert durch ein -gen-Suffix – zur Ersetzung durch -chen kam. Dieser Prozess wurde zunächst durch einen generellen Rückgang in der Diminutivverwendung begleitet, welcher sich aber im Anschluss wieder stabilisierte. Die frequentere Verwendung von -chen führte schließlich auch dazu, dass sich die Literatur, in denen -lein und -chen verwendet wurden, änderten. So wird -lein - zuvor vor allem in nicht-wissenschaftlichen und theologischen Kontexten in Gebrauch – heute vorrangig in Märchen gebraucht. Mit dem Anstieg des Gebrauchs von -chen, das zunächst primär in botanischen Texten verwendet wurde, fand schließlich ein Anstieg der Verwendung aller Diminutiv-Suffixe in allen Genres statt, ehe -gen schließlich gar nicht mehr gebraucht wurde, -lein überwiegend in Märchen und -chen zum dominierenden Suffix für Diminutive wurde. Zur Gegenwart hin deutet sich ein Rückgang der Gebrauchshäufigkeit an.

Im Bereich des Sprachgebrauchs befasst sich etwa Korecky-Kröll (2011, 2022) mit der heutigen Verwendung von regionalen und hochdeutschen Diminutiven. Die Autorin konnte für die Untersuchung von Diminutiven in der gesprochenen Sprache unter anderem einige methodischen Hürden und Herausforderungen (z.B. Diminutivverweigerung) identifizieren. Außerdem konnte sie einen stärkeren Gebrauch der Diminution in Eltern-Kind Gesprächen belegen (2011). Da der Diminutivgebrauch oft emotional ist, unterstreicht sie die Wichtigkeit des Situationsaufbaus in experimentellen Settings.

Bezüge zu anderen Projekten

A3 – Sprachliche Repräsentationen und standartorientiertes Sprechen