Hauptinhalt

Christina Fischer

Innensicht und Außensicht: Erzählerpräsenz in Chwedyl Iarlles y Ffynawn (Owein)


There are no authorial comments [in Owein] on the significance of events or situations, there are no formal rhetorical passages to amplify the material or to explore the emotions. It follows that there are no soliloquies, descriptive monologues or imaginary debates. The only narrator is the anonymous author who never intrudes or intervenes. (Brynley F. Roberts)

Trotz dieser Feststellung haben wir mit dem kymrischen Owein eine Erzählung vorliegen, die uns Emotionen, individuelle Charaktere und individuelle literarische Ästhetik vermitteln. In welchen narrativen Strategien des Erzählers können wir diese also festmachen?

Der zunächst scheinbar zurückhaltende mittelalterliche walisische Erzähler verfügt über andere stilistische Mittel und Strategien, um als individuelle Erzählerautorität und 'Künstler' sicht- oder hörbar zu werden, als der stringent kommentierende und wertende explizite Erzähler des Yvain, wie auch der der weiteren kontinentalen Versionen. Diese narrativen Strategien sollen in diesem Projekt herausgearbeitet werden. Auf einer zweiten Ebene wird die Funktion des Erzählers im Kontext seiner Präsenz bezüglich einer Figurenentwicklung und darüber hinaus seiner Wirkung auf die Rezipienten untersucht.

Um die spezifischen Charakteristika des mittelkymrischen Bearbeiters herauszustellen, wird der Owein systematisch bezüglich Erzählhaltung und Perspektive analysiert. Hierzu werden die beiden Versionen des Llyfr Coch Hergest und des Llyfr Gwyn Rhydderch herangezogen. In einer „Satz-für Satz-Analyse“ sollen Funktion und Wirkung von Wahrnehmungs- und Emotionsdarstellung und Ornamentierung in Erzähler- und Figurenrede sowohl stilistisch als auch semantisch analysiert werden. Ggf. können hierbei narratologische Ansätze als theoretisches Handwerkszeug hilfreich sein.

Ein Vergleich mit Chrétien de Troyes Yvain und der altnordischen Version (Ívens Saga) soll außerdem Aufschluss darüber geben, wie stark oder schwach die Erzählerpräsenz im Hinblick seiner Nähe und Distanz zur eigenen walisischen Erzähltradition ausgeprägt ist. Dies soll in erster Linie für den Owein untersucht werden, jedoch bedarf es hierzu auch der Überprüfung einheimischer mittelkymrischer Texte im engeren Sinn (Pedeir Keinc y Mabinogi) und solcher Texte, die fremde Stoffe aus den kontinentalen altfranzösischen Erzählkulturen aufnehmen (ex. Ystoria Bown o Hamtwn, Cân Rolant).

Das Ziel dieses Projekts ist es, den mittelalterlichen walisischen Erzähler besser und systematischer zu identifizieren und seine narrativen Strategien interpretierbarer zu machen.

Publikationen

  • Mitarbeit an: Buhez Sante Barba « Vie de Sainte Barbe » de 1608. Édité par Paul Widmer avec la collaboration de Christina Fischer et Ricarda Scherschel. Rennes: TIR 2013.

  • Zu Pelletiers Vorlage des 'Buhez Sant Gwenole'. Zusammen mit Paul Widmer (Universität Zürich). In: Mélanges En L'Honneur De Pierre-Yves Lambert. Guillaume Oudaer, Gael Hily &Herve Le Bihan (Hgg.). Rennes: TIR 2015. S. 51-55.

  • The significance of Cynon’s story-within-a-story for the narrator’s presence in 'Chwedyl Iarlles y Ffynnawn'. In: Adapting Texts and Styles in a Celtic Context. Interdisciplinary Perspectives on Processes of Literary Transfer in the Middle Ages. Studies in Honour of Erich Poppe. Axel Harlos & Neele Harlos (Hgg.). Münster: Nodus 2016. S. 177-183.

  • Innensicht und Außensicht. Zur Figurenpsychologie in Chwedyl Iarlles y Ffynnawn (Owein). In: Emotion und Handlung im Artusroman. Cora Dietl et al. (Hgg.). Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2017. S. 99-115.

  • Fischer, Christina & Reich, Björn (Hgg.): Losz büchlin von kurtzwil wegen. Gedruckt von Michael Furter, Basel um 1510. In: Marco Heiles, Björn Reich & Matthias Standke (Hgg.): Gedruckte deutsche Losbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Stuttgart: Hirzel 2021. S. 123-147.

  • Von der mittelalterlichen Rinderraub-Erzählung zum irischen Nationalepos? Die Táin Bó Cúailnge. In: Epen der Weltliteratur. Eine komparatistische Einführung. Manuel Bauer & Nathanael Busch (Hgg.). Darmstadt: wbg 2023. S. 93-101.

Vorträge

  • The significance of Cynon’s story-within-a-story for the narrator’s presence in 'Chwedyl Iarlles y Ffynnawn'. Symposium: Adapting Texts and Styles in a Celtic Context. Interdisciplinary Perspectives on Processes of Literary Transfer an der Philipps-Universität Marburg, 23.-26.7.2014.

  • Innensicht und Außensicht. Zur Figurenpsychologie in Chwedyl Iarlles y Ffynnawn (Owein). Kolloquium der Internationalen Artusgesellschaft, Sektion Deutschland/Österreich: Emotion und Motivation (Figuren-)Psychologisierungen in der Artusepik, Gumpoldskirchen bei Wien, 24.–27.02.2016.

  • Táin Bó Cúailnge: "Ireland`s closest approach to a great epic". Vortrag bei der Ringvorlesung 'Epen der Weltliteratur' an der Philipps-Universität Marburg am 16.12.2020.

  • Narrative Strategien im mittelkymrischen Chwedyl Iarlles y Ffynnawn (Owein) - 'Die Geschichte von der Gräfin vom Brunnen'. Gastvortrag im Hauptseminar 'Iwein' an der Justus-Liebig-Universität Gießen am 11. Februar 2021.

  • Irische immrama (Meerfahrten in die Anderswelt): Navigatio Sancti Brendani - Die Seereise des Heiligen Brendan. Vortrag bei der 'Ringvorlesung zur europäischen Kultur- und Literaturgeschichte' an der Philipps-Universität Marburg am07.12.2022.                                                                                                                                                                         
  • Thoughts and perceptions: views into characters and the narrator's presence in Chwedyl Iarlles y Ffynnawn.  Vortrag beim International Congress of Celtic Studies XVII Utrecht am 27.07. 2023.

Projekt-Organisation

  • International Celtic Studies Postgraduate Seminar 2012 an der Philipps-Universität Marburg, 17.–19. August 2012.

  • Adapting Texts and Styles in a Celtic Context. Interdisciplinary Perspectives on Processes of Literary Transfer an der Philipps-Universität Marburg, 23.–26. Juli 2014.

  • seit 2017 (Mit-) Organisation des Interdisziplinären Literaturwissenschaftlichen Kolloquiums (ILK) an der Philipps-Universität Marburg (Arbeitsgruppe 18 bei MARA)

Mitgliedschaft

  • Internationale Artusgesellschaft, Sektion Deutschland/Österreich