23.11.2023 Tag der Pharmazie 2023

Antrittsvorlesungen, Abschiede und Auszeichnung

Bild: Stephan Tang
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Der Tag der Pharmazie in Marburg am 13.11.2023 stand in diesem Jahr mit den Antrittsvorlesungen von gleich drei Professorinnen ganz im Zeichen der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Pharmazie und Medizin und zwar in der Klinischen Pharmazie und am bundesweit einzigartigen Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin. Zudem wurden Dr. Annette Freidank und Professor Dr. Roland Radziwill für Ihre jahrzehntelange Lehre in der Klinischen Pharmazie am Fachbereich in Marburg gewürdigt und in den Ruhestand verabschiedet.  

Die Vizepräsidentin für Forschung und Lehre and der Philipps-Universität, Frau Professor Hannken-Illies, gegrüßte die neuen Professorinnen in der Pharmazie und dankte Dr. Freidank und Professor Radziwill für Ihr Engagement im Fach Klinische Pharmazie. Sie freute sich über die beeindruckenden Leistungen am Fachbereich Pharmazie, die auch in den ausgestellten Posterbeiträgen sichtbar werde und eindeutig ein Anlass zum gemeinsamen Feiern am Tag der Pharmazie seien. Die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Frau Funke, erklärte die Klinische Pharmazie in Marburg zum Leuchtturm mit einzigartiger Entwicklung und Strahlkraft des Faches, das noch längst nicht an allen Pharmaziestandorten in Deutschland etabliert sei und in Marburg hervorragend entwickelt wurde. Die Dekanin des Fachbereichs Medizin betonte das Alleinstellungsmerkmal des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin, das nunmehr fachübergreifend in Lehre und Forschung überaus erfolgreich aktiv ist und wichtige gemeinsame Projekte wie die Anatomische Sammlung auch für die Öffentlichkeit zugänglich macht.  

Zu Beginn der Veranstaltung wurde zunächst die Studentin Frau Paula Wruck mit dem Stipendium der von-Bülow-Stiftung ausgezeichnet. In der Laudatio würdigte der Dekan Professor Michael Keusgen das besondere Engagement von Paula Wruck als Semestersprecherin, in der Fachschaft und in weiteren Gremien des Fachbereichs sowie ihren außergewöhnlichen Einsatz unter anderem für den Büchermarkt am Fachbereich und den Blutspendemarathon. Trotz Gremienmitarbeit und dem vielfältigen Engagement für andere Studierende erreichte Frau Wruck nach den Ausführungen des Dekans bislang durchgehend sehr gute Studienleistungen und sei damit eine sehr würdige Preisträgerin für das Stipendium. Die von Bülow Stiftung am Fachbereich Pharmazie in Marburg vergibt jährlich Stipendien zur Unterstützung von Pharmaziestudierenden mit hervorragenden Studienleistungen und besonderem Engagement am Fachbereich und darüber hinaus.

Der Prodekan und Professor für Klinische Pharmazie, Carsten Culmsee, zeigte in seinem Übersichtsvortrag zum „Zukunftsfach Klinische Pharmazie“ die Entwicklungen des Fachs an einigen Beispielprojekten in Forschung und Lehre in Marburg auf. Insbesondere wurden Entwicklungen der interprofessionellen Zusammenarbeit im Bereich der Klinik aber auch in Projekten in der öffentlichen Apotheke vorgestellt, in denen arzneimittelbezogene Probleme erkannt und minimiert werden konnten. Damit konnte nicht nur die Arzneimitteltherapie für die Patienten sicherer und effizienter gestaltet werden, auch Therapieverständnis und Adhärenz der Patienten wurden verbessert und die Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegepersonal gestärkt. Zudem konnten durch die pharmazeutische Betreuung und Medikationsmanagement erhebliche Einsparungen bei Arzneimittelausgaben erzielt werden.

In der Lehre der Klinischen Pharmazie können die erforderlichen pharmazeutischen Kompetenzen im Rahmen von Objective Structured Clinical Examinations, den so genannten „OSCE“ vermittelt und überprüft werden. Diese Lehr- und Prüfungsform nutzt Fallbeispiele in theoretischen und praktischen Stationen, in denen anhand von Patientenakten oder in simulierten Beratungssituationen mit Schauspiel-Patienten pharmazeutische Tätigkeiten der Medikationsanalyse sowie Patienten- und Arztgespräche von den Studierenden ausgeführt werden.

Wie Prof. Culmsee anlässlich der Verabschiedung am Tag der Pharmazie ausführte, hat Frau Dr. Freidank solche OSCEs erstmals im Jahr 2006 im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Strathclyde-University in Glasgow mit 24 Studierenden an der Philipps-Universität Marburg durchgeführt und dann auch regelmäßig in Fulda als Lehrformat angeboten. Aufbauend auf diesen erfolgreichen Vorerfahrungen mit den kleineren Gruppen wurden die OSCEs in Marburg im Rahmen eines Promotionsprojekts für Kohorten von bis zu 120 Studierenden eingeführt und evaluiert.

Frau Dr. Freidank hat in Marburg von 1976 bis 1980 Pharmazie studiert und wurde dort 1985 am Institut für Pharmakologie und Toxikologie promoviert. Nach der Promotion war sie ab 1986 als Apothekerin im Klinikum Fulda tätig und seit August 1991 auch stellvertretende Direktorin der Klinikapotheke bis zu ihrer Verabschiedung in den Ruhestand im Juni 2023. Sie hat für die Einführung der OSCE in die Ausbildung der Pharmaziestudierenden 2012 den Innovationspreis der ADKA erhalten und sich auch in anderen Bereichen der Pharmazie, wie beispielsweise Antibiotic Stewardship und in der Onkologie weiterqualifiziert. Sie ist im Ruhestand weiterhin in der Pharmazie aktiv, unter anderem im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie. Dr. Freidank war seit 2004 in der Lehre der Klinischen Pharmazie in Marburg engagiert und hat auch Promotionen im Bereich von Projekten zur interprofessionellen Zusammenarbeit in der Onkologie, zu den OSCE sowie zur Einführung von interprofessionellen Ausbildungsstationen (IPSTA) mit betreut.

Auch Professor Dr. rer nat. Radziwill blickt auf eine lange Lehr- und Forschungstätigkeit in Marburg zurück. Er approbierte 1981 als Apotheker und promovierte anschließend bis 1984 am Institut für Pharmakologie der Universität Heidelberg. Anschließend kam er 1985 ans Klinikum Fulda und war dort seit 1991 bis zu seiner Verabschiedung im Januar 2023 als Direktor der Apotheke tätig. Seit 1992 hat Prof. Radziwill einen Lehrauftrag an der Philipps-Universität Marburg für die Bereiche Fertigarzneimittel bzw. Klinische Pharmazie. Im September 2003 wurde Prof. Radziwill vom Präsidenten der Philipps-Universität Marburg zum Honorarprofessor ernannt. 

Als Autor verschiedener (Lehr)Buchkapitel widmete er sich vor allem den Gebieten "Klinische Ernährung" und "Rationale Antibiotikatherapie". Im Juni 2003 wurde Prof. Radziwill für seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Klinischen Pharmazie, der Sanofi-Synthelabo Preis verliehen. Darüber hinaus ist Prof. Radziwill Mitglied in zahlreichen internationalen und nationalen Komitees und Arbeitsgruppen, u.a. Mitglied der ESCP (European Society of Clinical Pharmacy), Vorsitzender des Ausschusses Klinische Pharmazie der ADKA e.V., Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) sowie Leiter der Gruppe "Heimparenterale Ernährung" im Rahmen der Leitlinien-Erstellung der DGEM. 

In Fulda hat er beispielhaft die klassische Krankenhausapotheke von der Arzneimittel-Versorgungseinheit zum pharmazeutischen Servicezentrum entwickelt, wo Medikationsanalyse, Visitenteilnahme und interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern fest etabliert sind. Prof. Culmsee dankte Prof. Radziwill ausdrücklich im Namen des Fachbereichs Pharmazie in Marburg für die langjährige Gestaltung der Lehre und die vielen wissenschaftlichen Projekte in der Klinischen Pharmazie über mehr als 30 Jahre auch über den Ruhestand hinaus. „Er hat die Klinische Pharmazie als eigenständiges Fach im Universitätsstudium Pharmazie etabliert und die weitere Entwicklung des Fachs in Deutschland wesentlich geprägt.“  

Mit den Antrittsvorlesungen von gleich zwei außerplanmäßigen Professorinnen wurden die neuen Kolleginnen Prof. Dr. Carina Hohmann und Prof. Dr. Martina Hahn offiziell im Fach Klinische Pharmazie begrüßt. Frau Prof. Dr. Hohmann hat in Marburg Pharmazie studiert und wurde 2007 am Klinikum in Fulda im Bereich der Neurologie promoviert. Sie ist als Apothekerin am Klinikum Fulda tätig und seit 2004 über viele Jahre in der Lehre der Klinischen Pharmazie in Marburg aktiv, wo sie 2014 auch die Venia legendi erlangte und 2022 zur Außerplanmäßigen Professorin ernannt wurde. Prof. Culmsee würdigte neben den wissenschaftlichen Arbeiten in der Klinischen Pharmazie auch die weiteren Qualifikationen von Prof. Hohmann, die als Fachapothekerin für Klinische Pharmazie auch die Zusatzbezeichnungen „Geriatrische Pharmazie“ und „Infektiologie“ führt. Thema der Antrittsvorlesung war in einem weiteren Gebiet ihrer Expertise zu Antikoagulantien das „Medikationsmanagement bei Schlaganfallpatienten“.

Frau Prof. Dr. Martina Hahn stellte in ihrer Antrittsvorlesung den „Einsatz von Antikonvulsiva jenseits der Epilepsie“ vor. Sie hat ebenfalls in Marburg studiert und nach der Approbation zur Apothekerin anschließend im Jahr 2007 an der University of Florida den Doctor of Pharmacy erlangt. Es folgte 2011 die Promotion an der Johannis-Gutenberg-Universität in Mainz zum Thema „Vermeidung von Interaktionen in der Psychopharmakotherapie“, das prägend für den weiteren beruflichen Weg sein sollte. Darunter fällt auch die Tätigkeit als Klinische Pharmazeutin in der Vitos Klinik am Eichberg mit Etablierung des „Eichberger Modells“ als beispielhafte klinisch-pharmazeutische Betreuung von Psychiatrie-Patienten durch eine Apothekerin im interprofessionellen Team auf Station. In der Lehre war Prof. Hahn bereits seit 2012 als Clinical Assistant Professor der University of Florida sowie u.a. in Frankfurt, Basel und Marburg tätig, bevor sie sich 2019 an der Philipps-Universität Marburg habilitierte und im November 2021 zur außerplanmäßigen Professorin ernannt wurde.

Die Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Maike Rotzoll zum Thema ihres kürzlich veröffentlichten Buchs „Arzneimittelprüfung an Minderjährigen im Langzeitbereich der Stiftung Bethel in den Jahren 1949 bis 1975“ nahm das Thema Antikonvulsiva noch einmal historisch aus einer ganz anderen Perspektive auch unter ethischen Aspekten auf. Frau Prof. Rotzoll ist seit 2022 Universitätsprofessorin für Geschichte der Pharmazie und Medizin and der Philipps-Universität Marburg. Sie hat in Lübeck und Heidelberg Medizin studiert und wurde 1994 in Lübeck im Fach Medizingeschichte promoviert.  Auf die Facharztqualifikation 1998 im Fach Psychiatrie folgten wissenschaftliche Tätigkeiten in verschiedenen DFG-Projekten und 2014 die Habilitation im Fach Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin in Heidelberg. Prof. Rotzoll war von 2016–2018 Kommissarische Direktorin der Institute für Geschichte und Ethik der Medizin an den Universitäten Halle und Heidelberg und sie ist seit 2021 Mitglied der Lancet Commission "Medicine and the Holocaust: Historical Evidence, Implications for Today, Teaching for Tomorrow".

Mit der Berufung von Prof. Rotzoll nach Marburg wurde auch das fachübergreifende Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin gegründet, das die Direktorin des Instituts, Frau Prof. Dr. Tanja Pommerening ausführlich vorstellte. Das Institut ist mit den wissenschaftlichen Aktivitäten der Professorinnen in mehreren Verbundprojekten aktiv, unter anderem im DFG Graduiertenkolleg zur „Inszenierung religiöser Atmosphäre in antiken Kulturen“, im LOEWE-Pojekt „ArchaeoScent: Zerstörungs- und berührungsfreien Analyse von archäologischen organischen Rückständen und Artefakten“ sowie in der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Pflege der eingangs genannten Anatomischen Sammlung.

Neben den Antrittsvorlesungen wurden die Posterbeiträge aus der Klinischen Pharmazie in dreiminütigen Kurzvorträgen vorgestellt, als Impuls für die weiteren Diskussionen an den Postern in den Pausen und beim Ausklang, den die Fachschaft Pharmazie mit einem Punschausschank zum Abschluss des ereignisreichen „Tags der Pharmazie“ gestaltete.

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