17.07.2020 Informationen und Materialsammlung des Erfahrungsaustauschs zum Thema digitale Tagungen

Das Servicezentrum digital gestützte Forschung der Philipps-Universität Marburg (UMR) hat am 14. Juli 2020 zu einem Erfahrungsaustausch zu digitalen Tagungen eingeladen. An dem Erfahrungstausch haben fast 50 Personen teilgenommen, darunter auch Expertinnen und Experten der Universitätsbibliothek, des Hochschulrechenzentrums und der Zukunftswerkstatt. Nachfolgend finden Sie gebündelt Informationen zu den gesammelten Erfahrungen und Vorschlägen sowie Hinweise auf nützliche Services der UMR, andere Tools und Material. Die genannten Tools sind bislang von der UMR nicht weiter überprüft worden, etwa in Bezug auf Datenschutzkonformität etc.

Leitfrage zur Eröffnung: Sind digitale Konferenzen äquivalent zu physischen Tagungen? Was unterscheidet beide? Was für Einschränkungen sind zu beachten, welche Chancen entstehen?

  • Am Fachbereich 17 (Biologie) fand eine kurzfristig ins Digitale verschobene Tagung statt:
    • Da das Programm schon feststand, wurde die Tagung wie eine Präsenzveranstaltung durchgeführt.
    • Der lange Zeitraum am Bildschirm wurde als anstrengend empfunden, gleichzeitig lief die Tagung insgesamt sehr gut ab.
    • Mit der Software Zoom wurden sehr gute Erfahrungen in Sachen Performanz und Stabilität gemacht.
  • Bericht von einer interkontinentalen Tagung
    • Ein näheres Kennenlernen erscheint ohne physische Präsenz und durch Abschalten von Videos erschwert zu sein.
    • In kleinen Räumen wirkt das Format übersichtlich und persönlich, bei Keynotes jedoch eher unübersichtlich.
    • Fragen können schriftlich und schnell beantworten werden. Dadurch ist auch ein Dialog möglich.
  • Bei digitalen Tagungen entsteht durch die Anonymität oftmals eine nur geringe Verbindlichkeit. Als schnelle Abhilfe steht als Vorschlag Profilbilder für Teilnehmende im Raum.
  • Digitale Tagung am FB09 (Abteilung Deutsch als Fremdsprache): Jahrestagung DaF
    • Es wurde mit Zoom eine große Tagung durch (>500 Personen, international) durchgeführt
    • Screencasts/Vorträge wurden zehn Tage im Vorhinein in eine eigene, passwortgeschützte ILIASonline Gruppe gestellt (Neben der regulären, uniinternen ILIAS-Plattform bietet die UMR die ILIASonline-Plattform, die auch für außeruniversitäre Teilnehmende zur Verfügung steht, vgl. https://ilias.online.uni-marburg.de/goto.php?target=root_1&client_id=mronline). Alle Vorträge konnten so im Vorfeld online angesehen werden. Während der Tagung fanden dann Diskussionsforen und Podiumsdiskussionen statt (Ansprechpartnerin für solche Lösungen an der UMR ist die Zukunftswerkstatt,  .)
    • Die Tagung bot verschiedene parallele Räume, die Videofunktion für alle Teilnehmenden blieb immer angeschaltet. Das funktionierte gut und ermöglichte die hohe Interaktion.
    • Das digitale Format führte zu einer Verschiebung der Teilnehmenden: Online haben deutlich mehr ausländische Personen teilgenommen, die sonst vermutlich nicht hätten teilnehmen können.
    • Das digitale Format erschwerte hingegen Smalltalk oder Pausengespräche. Es besteht Bedarf an Ideen und Lösungen, um Smalltalk und Pausengespräche digital zu ermöglichen (s.u.).
    • Entsprechend bestand die digitale Tagung hauptsächlich aus dem Kommentieren und Diskutieren der bereits gesehenen Aufzeichnungen.

Thema: Networking, Verbindlichkeit, Zugänglichkeit

Wie kann die soziale Komponente der Tagung gefördert werden?

  • Um Vortragende persönlich nah erscheinen zu lassen, die zum Beispiel einen Screencast präsentieren (also selbst nicht zu sehen sind), kann zu Beginn des Vortrags oder schon im Programm ein Bild gezeigt werden.
  • Einige Softwareangebote, unter anderem WebEx, bieten Profilbilder an. Viele Softwarelösungen sind aber auch stabil und flüssig genug, um die Webcamnutzung aller Teilnehmenden zu ermöglichen. Unter anderem Zoom erlaubt die simultane Nutzung vieler Webcams.
  • Informeller Austausch:
    • Bei bisherigen digitalen Tagungen wurden auch speziell eingerichteten Konferenzräumen für den informelleren Austausch nach dem Ende eines Vortrages eingerichtet. Hier können sich Vortragende und interessierte Publikumsmitglieder zusammenfinden und klassische Pausengespräche führen.
    • Remo ist z.B. ein Tool für “Tische”, https://remo.co/conference. Das Tool erlaubt Flexibilität sowie „Nähe“ für Teilnehmende und Referierende.
    • breakout rooms oder extra sessions für Kaffeepausen (mit Themen wie “meet the lecturer”, “smokers corner”) funktionieren gut.
    • Ein Tool für interaktives Nachfragen während der eher frontalen Präsentation wäre z.B. https://onlinequestions.org. Die Nachfragen können von den Teilnehmenden auch hochgevotet werden. Hilfreich ist ein zusätzlicher Moderator.

Thema: Wie viel Screentime ist machbar? Wie lange kann digital getagt werden, bevor Konzentration und Aufmerksamkeit nachlassen? Welche Möglichkeiten gibt es, „Marathonsitzungen“ zu vermeiden?

  • Können und müssen digitale Tagungen einen ähnlichen Zeithorizont wie Präsenztagungen haben?
    • Als Alternative wurde zum Beispiel eine konzentrierte Tagung in ein regelmäßiges Onlinekolloquium abgewandelt. In regelmäßigen Abständen finden zweistündige Webkonferenzen statt, mit Vortrag und Diskussion.
    • Jahrestagung DaF: Die Jahrestagung umfasste zwei Tage. Die Vorträge mussten im Voraus angesehen werden. Das Format beinhaltet damit ca. zwölf Stunden reine Tagung in drei Blöcken à vier Stunden. Dieses geteilte Format benötigt dennoch ca. 15 Stunden Vorbereitung pro Person, wenn alle Vorträge angeschaut werden sollen. Bei Diskussionen treten unter Umständen Probleme auf, wenn nicht alle Teilnehmenden alle Beiträge gesehen haben.
    • Eine Tagung in einem naturwissenschaftlichen Bereich umfasste fünf volle Tage. In der Präsenzfassung hätte die Tagung sieben Tage lang gedauert.

Thema: Hybridformate - Tagung vor Ort mit Liveübertragung und Interaktionsmöglichkeiten in beide Richtungen

  • In einer naturwissenschaftlichen Disziplin ist ein Hybridtermin im September geplant, d.h. einige Teilnehmende nehmen vor Ort teil, andere online. Die Software Zoom wird eingesetzt. Um dieses Format umzusetzen, fehlt noch Audio- und Video-Equipment in ausreichender Menge vor Ort. Ziel ist es, für die digital Teilnehmenden den Eindruck zu vermitteln, vor Ort teilzunehmen. Einer der Gründe für dieses Konzept ist auch der Carbon Footprint der Veranstaltung: nationale Gäste können vor Ort teilnehmen, internationale Gäste können auf Reise verzichten und online teilnehmen.
  • Ausstattung der UMR mit mit Audio- und Videosysteme für Hybrid-Veranstaltungen sowie Bedarf an Aufzeichnungen auch von Beiträgen aus dem Publikum
    • Bei bereits durchgeführten Hybrid-Veranstaltungen hat sich gezeigt, dass die Ausstattung noch optimiert werden muss.
    • Das Hochschulrechenzentrum weist darauf hin, dass Deckenmikrofone gängiger Standard sind und eine hohe Qualität bieten, da sie Diskussionen gut einfangen können und wenige Störgeräusche aufnehmen. Darüber hinaus testet das HRZ derzeit die Alternative, dass Teilnehmende ihr Smartphone per App als Mikrofon nutzen.

Thema: Copyright und Lizenzaspekte in digitalen Tagungen

  • Zum Nutzung von lizenzierten Medien, handschriftlichen Notizen u. Ä. bei digitalen Tagungen wird vor allem der Umgang mit noch unveröffentlichten Forschungsergebnissen diskutiert, Bei physischen Konferenzen ist die Möglichkeit vorhanden, darum zu bitten, keine Fotos anzufertigen, und dann z. B. noch unveröffentlichte Informationen und Forschungsergebnisse in kleiner Runde zu zeigen. Digital ist dies nur schwierig möglich, da Aufzeichnungen trotzdem erfolgen können und keine umfassende Kenntnis über teilnehmende Personen vorliegen. Es gilt auch zu bedenken, dass Verlage den Originalitätsgehalt von Forschungsergebnissen kritisch sehen, wenn dieser schon durch digitale Tagungen verbreitet wurde.
    • Die Frage bleibt offen und wird ggf. beim nächsten Erfahrungsaustausch erneut angesprochen.

Thema: Screencasts und Vorträge als Publikationen

  • Nach der DaF-Jahrestagung wurden einige Vorträge mit Einverständnis der Vortragenden auf dem YouTube-Kanal des Fachverbands DaF veröffentlicht. Doch die Verfügbarmachung über YouTube entspricht nicht den gängigen Anforderungen an wissenschaftliche Publikationen. folgende Möglichkeiten wurden gesammelt, Vorträge/Screencasts zu publizieren, zu indexieren und ggf. mit DOI zu versehen:
    • Fachrepositorium als zitierfähige Publikationsquelle
    • Die UMR verfügt über ein eigenes Repositorium: data_UMR (https://data.uni-marburg.de/). data_UMR ist allerdings nur bedingt für diese Zwecke geeignet: Dort können Videos und Daten zwar abgelegt werden und Zitierbarkeit sowie DOI Vergabe werden gewährleistet, allerdings besteht keine Funktion, Videos online anzusehen, d.h. Videos müssen heruntergeladen werden.
    • Die Universitätsbibliothek prüft derzeit, ob der Publikationsserver der UMR für die Publikation von Vorträgen geeignet ist.
    • Des Weiteren wird diskutiert, wie sich die zeitschriftenartige Ablage von Tagungsunterlagen/Tagungsband inkl. der Datensätze und Videos organisieren lässt. Dies Thema wird ggf. bei Folgeveranstaltungen aufgegriffen.

Thema: Postersessions. Wie können Postersessions digital umgesetzt werden?

Folgende Vorschläge werden für digitale Postersessions gesammelt:

  • Bei einer Tagung wurden kleine Räume für Posterpräsentation vorsehen und darin 5-6 Personen pro Raum zugelassen. Die einzelnen Poster wurden vorher im Plenum mit Teasern vorgestellt. Es ergab sich jedoch nur wenig Interaktion.
  • Es ist zu überlegen, bei einer digitalen Postersession abgewandelte Formate zu nutzen und nicht nur auf eine Übernahme des Präsenz-Formats zu setzen. Die Möglichkeiten von z. B. BigBlueButton könnten für interaktivere Formate genutzt werden, zum Beispiel die Einbindung von Videos, Code, oder Einblicken in die Datenlage oder Live-Einblicke in die Auswertung von Forschungsdaten.
  • Eine Option für Posterräume oder auch für Interaktion ist mozilla hubs (https://hubs.mozilla.com/), wo sich die Teilnehmenden per Browser in einem 3D Raum aufhalten und gegenseitig die Avatare sehen.

Thema: Kosten und Nutzen von Konferenzsoftware. Lohnt es sich, Mittel für die Anschaffung von Software aufzuwenden (bzw. Software as a Service zu nutzen)?

  • Qualität der Konferenzsoftware
    • Das Hochschulrechenzentrum arbeitet an weiteren Verbesserungen für BigBlueButton.
    • Der Betrieb von BigBlueButton liegt beim HRZ (); ein weiteres Update folgt in ca. zwei Wochen. Ein Ausbau der Server, auf denen BigBlueButton läuft, steht an und wird die Performance verbessern.

Thema: Sicherheitsvorkehrungen – wie sorgen Sie vor, damit keine unerwünschten Gäste auftauchen?

  • Es kann beispielsweise ein Warteraum eingerichtet werden; dann erfolgt ein einzelner Einlass durch Gastgebende.
  • Ebenso kann ein Passwort an alle Angemeldeten vergeben und in Ilias hinterlegt werden, dort besteht dann ein Link zum Zoom-Raum

Linksammlung

Literatur

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Gichora, Fatumo, Ngara, et al (2010) Ten Simple Rules for Organizing a Virtual Conference—Anywhere https://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1000650

Alharthi, Spichkova, Hamilton (2018) Sustainability requirements for eLearning systems: a systematic literature review and analysis

Bielawski, Metcalf (2003) Blended Elearning : Integrating Knowledge, Performance, Support, and Online Learning

Häfele Maier-Häfele (2016). 101 e-Learning Seminarmethoden : Methoden und Strategien für die Online- und Blended-Learning-Seminarpraxis
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Klein (2015) 150 kreative Webinar-Methoden : kreative und lebendige Tools und Tipps für Ihre Live-Online-Trainings
https://hds.hebis.de/ubmr/Record/HEB362707790

Kunert (2020) Grenzen der Online Kommunikation
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https://scholarworks.boisestate.edu/under_conf_2019/123

Parncutt, Meyer-Kahlen (2018) Semi-Virtual Conference Guidelines Strategies to improve accessibility, diversity, documentation, and sustainability
https://static.uni-graz.at/fileadmin/veranstaltungen/music-psychology-conference2018/documents/Semi_Virtual_Conference_Guidelines.pdf

Csanyi (2012) Digitale Medien - Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre.
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Csanyi, Reichl, Steiner (2012) Digitale Medien - Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre.
https://www.pedocs.de/volltexte/2013/8289/pdf/Csanyi_Reichl_Steiner_2012_Digitale_Medien.pdf

Kamzelak, Steyer (2018) Digitale Metamorphose : Digital Humanities und Editionswissenschaft ; [Ausgewählte Beiträge der Tagung 2015 an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel im Rahmen des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel].
http://www.zfdg.de/sites/default/files/pdf/sb02_gesamt.pdf

Köhler, Neumann (2011) Wissensgemeinschaften. Digitale Medien - Öffnung und Offenheit in Forschung und Lehre.
https://www.pedocs.de/volltexte/2016/11643/pdf/Koehler_Neumann_Wissensgemeinschaften.pdf

Mandel (2010) Digitale Medien für Lehre und Forschung.
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Niegermann (2008) Kompendium multimediales Lernen.
http://scans.hebis.de/19/16/41/19164157_toc.pdf
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Thomas (2018) “IT FOR GREEN EVENTS” - Entwicklung von Lehrinhalten zum Thema digitales und ressourcenschonendes Management von Tagungen und Kongressen.
https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-33196.pdf

Wannemacher (2016) Digitale Modelle internationaler Hochschulkooperationen in der Lehre.
https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD_AP_Nr22_Internationale_Hochschulkooperationen.pdf