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Dresden, Meißen, Leipzig, Halle

26. bis 31. Juli 2018

Dresden 2018
Foto: Stephan Tang

Am 26. Juli 2018 starteten wir unsere Konzertreise, die nach Dresden, Leipzig, Meißen und Halle führen sollte. Man könnte es auch so formulieren: Viele versierte Vokalmusikerinnen und Vokalmusiker fuhren voller Vorfreude vom Firmaneiplatz in die Ferne. Die eine oder andere Literration war eingepackt (natürlich nur Wasser zwecks der angekündigten hohen Temperaturen. Heißes Wetter, und das mitten im Sommer! Führende staatliche Transportdienstleister sind schließlich auch jedes Jahr aufs Neue überrascht.

In Dresden angekommen bezogen wir unsere Herberge, die zentral gelegen war und die wir aufgrund ihrer kleinen Größe komplett für uns hatten. Beim Gang in den nahegelegenen Gemeindesaal konnten alle die Busfahrt aus den Beinen schütteln, bevor dort unsere erste Probe stattfand.

Unsere Unterkunft lag in doppeltem Sinne in Campusnähe. Zum einen war die Universität tatsächlich fußläufig zu erreichen, zum anderen waren es nur wenige Schritte zur „Bar Campus“, in der wir unseren ersten Abend verbrachten. Weitere sollten folgen.

Am ersten Morgen ging es nach dem Frühstück mit dem Bus in die Innenstadt, wo wir eine Stadtführung gebucht hatten. Die Teilnahme war freiwillig, führte aber dennoch in den Zwinger. Wie wir dort lernten, ist Zwinger die mittelalterliche Bezeichnung für den Bereich zwischen der Außen- und Innenmauer einer Befestigungsanlage, bspw. einer Burg. Überwanden Angreifer die Außenmauer, waren sie nun zwischen den beiden Mauern eingekesselt und konnten so leicht bezwungen werden. Um in der Hitze eingekesselt zu sein, war es dagegen relativ egal, auf welcher Seite der Mauer man sich befand. Die Führung erinnerte deshalb streckenweise an Takeshi’s Castle, wir sprangen von Schattenplatz zu Schattenplatz. Nach der kompetenten Führung genossen einige die Atmosphäre des Orangengartens, andere wollten im mathematisch-physikalischen Salon ihre Bildung weiter aufbessern, oder sie suchten einfach einen gekühlten Raum und wollten dabei schlau wirken, man weiß es nicht so genau.

Der Nachmittag stand zur freien Verfügung. Dies wurde genutzt, um sich eine Erfrischung in der Dresdner Neustadt, dem Szeneviertel der sächsischen Landeshauptstadt, zu gönnen. Andere besuchten das deutsche Hygiene-Museum, welches zu diesem Zeitpunkt eine Sonderausstellung zum Thema Rassismus bot. Eine schmerzliche Erinnerung daran, dass der Begriff „Rassenhygiene“ in Deutschland einst salonfähig war.

Abends musste die Konzentration jedoch wieder auf das Hier und Jetzt gerichtet werden, denn unser erstes Konzert stand an. Wir durften in der Versöhnungskirche Dresden auftreten! Es ist immer ein schönes Gefühl, das über das Semester mühsam einstudierte Programm nicht nur in Marburg und Umgebung, sondern auch in großen Städten singen zu dürfen. Nach einem gelungenen Konzert ließen wir den Abend wieder in der Campus-Bar ausklingen.

Foto: Stephan Tang

Zum Gelingen des Konzerts trug auch das Stück „Stille – Wasser – Leben“ von Thomas Cornelius bei, welches dieser eigens für unser Programm komponiert hat. Thomas Cornelius war tatsächlich mitgereist und hörte sich jedes unserer Konzerte an. An solch fanatische Anhänger kann man sich gewöhnen.

Tatsächlich sorgte die Exklusivität dieses Stücks für Aussagen in der Probe, die sonst so nicht fallen. Viele erinnern sich leidlich an ihren Deutschunterricht, als man Werke längst verstorbener Autoren interpretieren musste. Wie oft hätte man gerne kurz angerufen und nachgefragt: „Hey Johann-Wolfgang, dieses Gretchen … was macht die auf einmal in deiner Geschichte?“. Nils konnte bei Unklarheiten einfach den Komponisten anrufen, spätestens in der nächsten Probe war klar, wie bestimmte Stellen zu singen sind. Welch ein Privileg!

Doch nicht nur Cornelius‘ Stück begleitete durch die Reise, sondern auch unser Rätselstück, welches jedes Sommersemester in unserem Programm zu finden ist. In diesem Jahr führten wir „Ave Maria“ von Karl Mai auf, das Publikum durfte im Anschluss an das Lied den Komponisten erraten. Dieses Stück entwickelte sich zum Hit, wir sangen es nahezu immer und überall. An diesem Abend sang es eine Gruppe von Unichorleuten im Dresdner Kneipenviertel. Dies weckte die Aufmerksamkeit eines ZDF-Teams von der „Drehscheibe“, sodass der Unichor nicht nur das Dresdner Nachtleben bereicherte, sondern auch das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm.

Am nächsten Morgen stand eine Semperoperführung auf dem Programm. Wir hatten in dem von Gottfried Semper erdachten Bauwerk das vermeintlich erstrebenswerte Freigabe, auch im Opernsaal fotografieren zu dürfen. Dies lag allerdings nur daran, dass gerade an der Bühne gearbeitet wurde und diese komplett mit einem Gerüst versehen war. Ein wahrer Traum aus Stahl! Auch der Wunsch nach der Darbietung eines kurzen Liedes wurde uns verwehrt.

Nach der Führung ist vor dem Konzert: Es ging mit dem Bus in die Porzellanhauptstadt Meißen, wo wir im heimischen Dom ein Konzert zum Besten gaben. Der Star des Konzerts wurde unsere jüngste Mitfahrerin mit zwei Jahren, für Unterhaltung war nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerbereich gesorgt.

Wieder in Dresden angekommen, verbrachten wir den Abend größtenteils wo? Richtig, natürlich in der Campus-Bar. Denn selbst wenn wir nicht auf einer Bremer Stadtführung mit einem Bombenstimmung verbreitenden Stadtführer weilen, gilt: Wir stehen auf Wein! Und auf Bier! In jedem Fall auf gemütliche Abende beisammen!

Der nächste Tag war ein Sonntag. Das Sonntagsgebot verpflichtet seit mehr als einem Jahrtausend alle Katholiken zum Gottesdienstbesuch. Nun sind wir zwar nicht alles Katholiken, nicht mal alle sind Christen, doch dieser Tag war zwei Gottesdiensten in zwei atemberaubenden Kirchen vorbehalten. Der Reihe nach: Wir durften morgens einen Gottesdienst in der berühmten Frauenkirche in Dresden mitgestalten. Die Kirche wurde nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut und strahlt nun heller als je zuvor, jedoch verschweigt sie ihre Vergangenheit nicht. Das alte, zerbeulte Kreuz vom Kirchturm sowie der zerstörte Altar sind in der Frauenkirche noch immer als Mahnmal zu finden. Mit dieser Ehrfurcht und der nötigen Konzentration bereicherte der Unichor den Gottesdienst, danach ging es hoch auf die Kuppel, um die Aussicht über Dresden zu genießen.

Der Unichor ist aufgestiegen, und das ganz ohne finanzielle Unterstützung von österreichischen Brauseherstellern. Wie schafft man jetzt die Überleitung zu Leipzig? Ein schwieriges Unterfangen …

In Leipzig angekommen führte uns die erste Station, nachdem wir unsere Sachen im örtlichen A&O-Hostel abgelegt hatten, in die Thomaskirche, der Hauptwirkungsstätte eines gewissen Johann Sebastian Bach, dessen Gebeine in ebendieser Kirche begraben liegen. Ein Mann, dessen Nachname vollständig aus Noten besteht, ist ja quasi zur Musiklegende prädestiniert. Wir durften die Bachorgel bewundern und anschließend den Abendgottesdienst mitgestalten, wobei die tolle Atmosphäre in der Kirche den Chor noch zusätzlich motivierte. Die beiden Kirchen waren ein echtes Highlight, da wäre es unfair, auf anderen Spizzfindigkeiten herumzureiten.

Am nächsten Tag stand Folgendes auf dem Programm – nichts! Ein freier Montag! Der Traum eines jeden Arbeitnehmers und konzert- sowie gottesdiensterschöpften Unichorsängers! Falls es der geneigte Leser oder die geneigte Leserin schon wieder vergessen hat: Es war heiß. Und was macht der Deutsche, wenn es heiß ist? Er wirft den Grill an! Nun hatten wir den gerade nicht dabei. Was könnte man noch tun? Ins Wasser springen! Wasser! Leben! Stille Wasser Leben! Laute aber auch! Ein Teil des Chores entschloss sich zu einer spontanen Kanutour, wobei die Eigenschaft eines Kanus, die Insassen über dem Wasser zu halten, schnell als hinderlich erachtet wurde. Also nichts wie raus aus dem Kanu, rein ins Wasser, manche fluteten das Kanu gleich mit. Andere Chormitglieder erfrischten sich im kühlen Nass des Cospudener Sees, genannt „Cossi“, ganz ohne schwimmenden Untersatz.

Frisch ausgeruht ging es in die Schlussetappe unserer Chorreise nach Halle. Hier galt es, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren, um dem Publikum ein tolles Konzert zu bieten. Schließlich hätten wir sonst nach Sachsen auch nicht mehr anhalten müssen. Nachdem das Werbesingen am Nachmittag seinen Zweck nur so mittel erfüllt hatte, wählte Nils ein anderes Mittel zum Zweck: Er motivierte uns mit einer flammenden Rede, hier noch einmal alles zu geben, damit wir mit einem tollen Konzert im Rücken die Heimreise nach einer großartigen Chorreise antreten können. Der Funke sprang über: Wir lieferten unser bestes Konzert der Reise ab und waren danach immer noch euphorisch. Das war definitiv ein toller Abschluss und macht Lust auf die nächste Reise mit dem coolsten Chor der Welt, die uns 2020 nach München und Salzburg führen wird.