10.07.2025 Wer profitiert
Nicht mit uns! ver.di führte die Proteste von Beschäftigten und Studierenden gegen die angekündigte Sparversion des hessischen Hochschulpakts an

In ganz Hessen haben am 8. Juli 2025 Protestaktionen gegen den angekündigten hessischen Hochschulpakt stattgefunden, auch in Marburg. Die Unibeschäftigten zogen von der Aula der Martburger Alten Universität, wo sie zu einer Vollversammlung zusammengekommen waren, gemeinsam mit Studierenden vors Erwin-Piscator-Haus. Bei der Kundgebung sprach für die Betriebsgruppe ver.di-Kollege Johannes Scholten. Wir dokumentieren seinen Redebeitrag:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, wir stehen schon zum wiederholten Mal hier gegen drohende Kürzungen und haben jetzt schon einiges gehört darüber, was sie für die Uni Marburg und die hessische Bildungslandschaft bedeuten. Das ist alles nicht schön, man kann es nicht mehr hören. Ich will Ihnen lieber etwas Schönes erzählen. Es klingt wie ein Märchen. Vielleicht kennen Sie es. Ich zitiere wörtlich:
'Wir sorgen weiterhin für eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung, damit sich unsere Hochschulen erfolgreich positionieren können', heißt es da. Und weiter: 'Zusätzlichen Belastungen ... dürfen nicht auf Kosten von Forschung und Lehre gehen. Deswegen wollen wir die Finanzierung der Hochschulen im Nachfolge-Hochschulpakt ab 2025 verlässlich und angemessen steigern.'
Haben Sie das erkannt? Ja, das hat die Landesregierung in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Das war Anfang 2024, vor anderthalb Jahren.
Was wir heute hören, klingt ganz anders. Da heißt es, im neuen Hochschulpakt solle jedes Jahr 167 Millionen eingespart werden. Das entspricht 10 Prozent der Personalkosten. Jede zehnte Stelle müsste wegfallen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, unsere Antwort auf die angedrohten Kürzungen kann nur lauten: Nicht mit uns! Wir lassen uns die Uni nicht kaputtsparen!
Wir können uns ja vorstellen, was das bedeutet, wenn jede 10. Stelle wegfällt. Wer befristet beschäftigt ist, erhält keinen Anschlussvertrag. Da hängen Existenzen dran. Und die Arbeitskraft dieser Menschen fehlt ja, das müssen andere auffangen. Als hätte die Uni bisher zu viel Personal, zu viel Geld gehabt. Aber wir beobachten ja seit Jahren und Jahrzehnten, dass die Uni ein Millionendefizit vor sich herschiebt. Seit Jahren und Jahrzehnten erhält die Uni schon zu wenig Geld. Wo soll da jetzt noch gespart werden? Da wird doch mehr Geld benötigt und nicht weniger!
Dabei sind die Folgen für die Betroffenen das eine. Die Kürzungen haben aber Folgen für uns alle und für die Bürgerinnen und Bürger das Landes Hessen. Wir erledigen doch wichtige Aufgaben, unverzichtbare Aufgaben für das Gemeinwesen: Hier werden die jungen Leute ausgebildet, die morgen als Fachleute dringend gebraucht werden, als Ärztinnen und Ärzte, als Lehrerinnen und Lehrer. Liebe Studierende, ihr wisst: Unsere Arbeitsbedingungen sind eure Studienbedingungen! Deshalb ist es gut, dass ihr hier seid und zeigt: Wir lassen uns die Uni nicht kaputtsparen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute hier stehen, dann nicht nur für uns. Wir sind es gewohnt, regelmäßig in der Tarifrunde auf die Straße zu gehen, wenn es um unsere eigenen Arbeitsbedingungen geht, um den Lohn, um die Arbeitszeit, den Urlaubsanspruch. Und wir werden auch im kommenden Frühjahr wieder für besssere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen, und wir werden uns mit unseren Forderungen nicht zurückhalten bloß weil die Tarifsteigerungen vom Land nicht voll übernommen werden.
Aber hier und heute steht ja nicht nur die Uni unter Druck, nicht nur die hessischen Hochschulen, sondern der gesamte öffentliche Dienst in Hessen: In den Landesbehörden soll jede dritte Stelle wegfallen. Da kann man sich vorrstellen, wie lang die Warteschlangen in den Ämtern künftig werden. Dabei wird da überall Arbeit für uns und das hessische Gemeinwesen geleistet. Da werden soziale Dienste geleistet, da wird die Infrastruktur erhalten. Wer sich ein Bild davon machen will, was die Unterfinanzierung des Öffentlichen Dienstes schon jetzt angerichtet hat, der schaue nach Norden, nach Wehrda, in die Kasseler Straße, wo die Brücke über das Bahngleis abgerissen werden musste, so dass die Kolleginnen und Kollegen jetzt lange Umwege in Kauf nehmen müssen, wenn sie von Norden mit dem Bus zur Arbeit in die Innenstadt fahren.
Wer profitiert davon? Die nachfolgenden Genarationen, die eine marode Infrastruktur übernehmen? Sicher nicht. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht mehr darauf verlassen können, dass der Öffentliche Dienst seine Aufgaben erfüllen kann? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, die einzigen, die vom Raubbau an unserem Gemeinwesen profitieren, das sind die Feinde der Demokratie, die sich freuen, wenn der Öffentliche Dienst nicht mehr funktioniert. In einer Zeit, in der eine rechtsextreme Partei hohe Wahlgewinne einfährt, ist es gemeingefährlich, das Gemeinwesen verkommen zu lassen. Wer den öffentlichen Dienst ausbluten lässt, spielt den Feinden der Demokratie in die Hände. Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Wir lassen uns den Öffentlichen Dienst nicht kaputtsparen, wir lassen nicht zu, dass das Gemeinwesen ruiniert wird! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, wir lassen nicht zu, dass unsere Demokratie in Gefahr gerät! Nicht mit uns!"