08.05.2025 Auf einmal knallt’s

Gewerkschaftsaktive trafen sich bei der sechsten Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin

Streikende aus dem Berliner Uniklinikum Charité besuchten die Gewerkschaftskonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Foto: Johannes Scholten
Streikende aus dem Berliner Uniklinikum Charité besuchten die Gewerkschaftskonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Geduld! Sie lassen sich mit Händen greifen, die widrigen Verhältnisse, mit denen Gewerkschaften zu kämpfen haben; an der Technischen Universität Berlin begleiten Missstände die diesjährige Streikkonferenz auf Schritt und Tritt. „Dass ich zwanzig Minuten Wartezeit vor jedem Workshopbesuch einplanen muss, weil im ganzen Institut nur ein einziger Aufzug funktioniert: grotesk!“, schimpft beim Abschlussplenum ein ver.di-Kollege über den Berliner Senat, der die Stadt kaputt spart. 

Ja, es gibt sie, die Widrigkeiten, die Gegenwehr erfordern, und Gewerkschaftslinke prangern sie an, wo sie können. Bei der Tagung unter dem Titel "Gegenmacht im Gegenwind" gibt es freilich auch lange Schlangen vor der mittäglichen Essensausgabe. Sie reichen aus dem Gebäude heraus bis auf den Vorplatz hinaus. Die Plenarveranstaltung hat wieder länger gedauert als geplant und danach haben es alle eilig zu speisen, bevor es zum nächsten Programmpunkt geht. 

Die Organisatoren von der Rosa-Luxemburg-Stiftung tun Anfang Mai, was sie können, um für alle 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer drei Tage lang einen reibungslosen Verlauf hinzubekommen. Die Stiftung organisiert das Treffen seit 2013 alle zwei Jahre; schon 2023 in Bochum herrschte Riesenandrang, schon damals kamen auffallend viele junge Kolleginnen und Kollegen. "Viele von denen haben gar keine betriebliche Anbindung", lästert eine Kollegin.

In Berlin treffen sie sich wieder, Leute, für die Gewerkschaft mehr bedeutet als Tarifdienstleistung und Rechtsschutz: ein verschworener Haufen von Gleichgesinnten. Da ist schon mal vom „Kirchentag der Gewerkschaften“ die Rede. Es herrscht ein salopper Ton, fast familiär, man kommt zwanglos mit Wildfremden ins Gespräch, neben denen man zufällig am Mittagstisch sitzt. In den Pausen zwischen den Gesprächskreisen taucht auf den Gängen immer mal wieder ein bekanntes Gesicht aus der Menge auf: „Schön, dich zu sehen!“, „was macht du jetzt so?“ Und was hörst du dir als Nächstes an?

Ja, was? Die politische Großwetterlage, die langjährige Rechtsdrift sind thematisch sehr präsent. Viele der Veranstaltungen warten mit Beispielen aus der Praxis auf: Wie gestaltet man eindrucksvolle Transparente? Wie baut man öffentlichen Druck auf, um politische Ziele durchzusetzen? Der Marburger Personalratsvorsitzende Mathis Heinrich berichtet in einer Diskussionsrunde über die hessische Tarifrunde 2024, bei der Entfristungen in der Wissenschaft verabredet wurden. Da staunen Hochschulbeschäftigte aus anderen Bundesländern: Wie habt ihr das hingekriegt? 

Die Plenarsitzungen schwören die Anwesenden auf laufende Arbeitskämpfe ein. „Die Kollegen müssen den Kampf als den ihren begreifen“, fasst ein Teilnehmer der Berliner Verkehrsbetriebe sein Erfolgsrezept zusammen, „die Selbstwirksamkeit ist das Wichtigste.“ 

Dann entern Putzkräfte und Küchenhilfen des Berliner Uniklinikums Charité das Podium. Sie streiken seit Wochen für bessere Löhne. Das Auditorium spendet stehend Beifall. Hach, wie ist das schön, wenn sich alle einig sind: gemeinsam gegen, na, die anderen eben, die Bosse, die Rechten, Kapitalismus und Rassismus, you name it. 

Mit einem Mal knallt es. Die Bässe wummern, der Techno-Rhythmus bei der Konferenzparty schüttelt Arme und Beine und Leiber durch, da geraten zwei aneinander, rempeln und schubsen, bis andere dazwischengehen. 

Für einen Moment schimmert durch, dass es auch in den Gewerkschaften Konflikte gibt; ansonsten geht die Selbstfeier munter weiter. Immerhin, beim Branchentreffen der Hochschulen steht plötzlich die Frage im Raum, wie Gewerkschaften mit gegenseitiger Konkurrenz umgehen. „Ich sage den ver.di-Kollegen schon nicht mehr, dass ich der GEW angehöre“, klagt eine Teilnehmerin über den Umgangston an ihrer Uni. Ein anderer spitzt weiter zu: „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag – eine Gewerkschaft – so kenne ich das!“ Die einen grinsen, manche runzeln ihre Stirnen. Aber am Abend stehen sie alle beim Bier zusammen.

„Ich nehme die Energie aus Berlin gleich in mein morgiges Gewerkschaftstreffen mit“, sagt ein Kollege zum Abschied. In zwei Jahren, bei der nächsten Streikkonferenz können dann er und wir und alle zurückblicken, wie Organisationsaufbau, Arbeitskämpfe oder politische Kampagnen gelaufen sind. Nur Geduld!

 Homepage der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Rückblick: RLS-Gewerkschaftskonferenz 2023 in Bochum