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Von der Marburger Studentin... zur Drehbuchautorin und Schriftstellerin

Foto: Peter Porst

Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?

Kopfsteinpflaster und Ausblicke, Cafes und Buchläden und immer schöne Wege: entlang der Lahn, durch den Alten Botanischen Garten, durch die Oberstadt.

Wo haben Sie damals gewohnt?

Erst in Cölbe, dann am Renthof. Dort hatte ich von der Küche aus Blick auf die Elisabethkirche, von meinem Schreibtisch aus sah ich das Schloss und in der Badewanne konnte ich einen romantischen Blick auf die Severinskapelle zwischen alten Bäumen genießen. Ich fand es wunderbar, in der Oberstadt zu wohnen. Während der Examensphase bin ich oft spät nochmal kurz ins „Slot“ um die Ecke, um eine Runde zu tanzen nach dem langen Stillsitzen.  

Warum haben Sie gerade an der Philipps-Universität studiert?

Es war eine Mischung aus Zufall, Fächerkombination und dem Flair der Studentenstadt. 

Warum haben Sie die Fächer Anglistik, Amerikanistik und Germanistik gewählt?

Große Literaturliebe und große Englandliebe kamen da zusammen.

Was war ihr damaliger Berufswunsch?

Ich habe zunächst Lehramt studiert, wusste damals gar nicht so recht, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Aber das erste Schulpraktikum hat mir schnell gezeigt, dass ich wirklich gänzlich ungeeignet bin für den Schulunterricht. Noch während des Praktikums habe ich mich für den Magisterstudiengang eingeschrieben und gehofft, einmal bei Verlag, Theater, Film landen zu können. 

Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?

Ich hatte immer diverse Jobs. Das ging von HiWi-Stellen oder der Betreuung amerikanischer Austauschstudierender und Schülernachhilfe bis zu Blockflötenunterricht, dazu dann oft Jobs in den Semesterferien, um etwas Polster anzusammeln. Es gab etwas Unterstützung von Zuhause, aber leider kein Bafög.

Was haben Sie damals in Ihrer Freizeit gemacht? 

In der englischen Theatergruppe des Fachbereichs Anglistik gespielt, übrigens zusammen mit dem Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel und dem Regisseur Florian Gärtner, mit dem ich vor einigen Jahren auch an einem Filmprojekt zusammengearbeitet habe. Ich habe sehr viel gelesen, bin oft im Kino gewesen, habe mich immer in Geschichten bewegt, Geschichten gesucht. 

Haben Sie sich neben dem Studium engagiert?

Die für mich passenden Stellen für ehrenamtliches Engagement habe ich erst später im Leben gefunden.

Was haben Sie neben dem fachlichen Wissen gelernt?

Einige der Freundschaften, die ich in der Zeit geschlossen habe, sind noch immer ganz lebendig und innig. Ich hatte nie wieder so viel Zeit und Gelegenheit, mich so intensiv auszutauschen, Freundschaften zu leben, emotional und kommunikativ zu wachsen.

Was waren Ihre Lieblingsorte in Marburg?

Der Alte Botanische Garten, das Eiscafé oben im Steinweg, das es jetzt nicht mehr gibt, die Programmkinos im Steinweg, die es auch nicht mehr gibt… heute wäre einer meiner Lieblingsorte wahrscheinlich die neue UB.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an die Marburger Studienzeit?

Dieses Eingebettetsein in eine idyllische Stadt, in der man immer jemanden trifft, den oder die man kennt.  

An was erinnern Sie sich ungern?

Dieses Eingebettetsein in eine idyllische Stadt, in der man immer jemanden trifft, den oder die man kennt… Und natürlich an den sehr nüchternen Augenblick, als ich mein Magisterzeugnis bekam: In einem Verwaltungsbüro, völlig anonym, wurde mir das Papier in einer Klarsichthülle in die Hand gedrückt. Es war etwas so Besonderes für mich, als erste in der Familie studiert zu haben und nun ein summa-cum-laude-Zeugnis in der Hand zu halten – da hätte ich mir etwas Feierlichkeit gewünscht, das war damals eine sehr karge Angelegenheit. 

Haben Sie einzelne Professorinnen oder Professoren in besonderer Erinnerung?

Helen Haywood, die Dozentin, die damals auch die englische Theatergruppe leitete, war ein inspirierendes Vorbild für mich. Es gab tatsächlich wenig lehrende Frauen in den 80ern in meinen Fachbereichen.

Sehen Sie Ihr Studium als notwendige Voraussetzung für Ihren beruflichen Werdegang?

Ja und nein. Ja, weil das analytische Lesen und die Fähigkeit, Texte einzuordnen auch beim Verfassen eigener Texte hilfreich ist, und weil Lesen einfach die beste Vorübung fürs eigene Schreiben ist. Und nein, weil es keine direkte Ausbildung oder Qualifikation für das ist, was ich heute tue.

Was würden Sie als Studienanfängerin heute anders machen?

All die Zweifel, ob ich das richtig mache, ob ich das überhaupt schaffe, der Druck, den ich mir selbst gemacht habe – das würde ich hoffentlich ad acta legen, das Studium mehr genießen und diese Zeit und Gelegenheit zum Lernen freudiger nutzen. Gegen Ende meines Studiums ist mir das ganz gut gelungen, in den ersten Jahren weniger.

Sind Sie noch hin und wieder in Marburg?

Da ich vor circa zehn Jahren wieder in die Nähe gezogen bin, in den Vogelsberg, bin ich sogar relativ häufig in Marburg. 

Welchen Wunsch möchten Sie heute der Philipps-Universität mit auf den Weg geben?

Dass sie immer ein Ort ist, wo Wissen, Austausch, Kreativität, Welt- und Gedankenoffenheit, Freiheit im Denken und Forschen und persönliches Wachstum ineinandergreifen, ein Ort der Bildung und Gleichberechtigung. 

Haben wir eine Frage vergessen?

 Ja, ich würde wieder in Marburg studieren, wenn Sie mich danach fragen!

Astrid Ruppert - Vita

„Obendrüber, da schneit es“ – mit diesem Titel reüssierte Astrid Ruppert 2008 als Romanautorin. Zuvor hatte sie nach dem Studium in Marburg bereits lange Jahre erfolgreich als Dramaturgin, Redakteurin und Filmproduzentin fürs Fernsehen gearbeitet. Schriftstellerin zu werden sei bereits ein Kindheitstraum gewesen, erzählt die gebürtige Saarländerin; doch daran erinnert habe sie sich erst durch eine „unfreiwillige Auszeit aus einem vollständig durchgetakteten Leben“. Sie nutzte die Zwangspause mit Gewinn: Die Verfilmung ihres Debütromans avancierte  zu einem der erfolgreichsten Fernsehfilme des Jahres 2012. Seitdem hat die Autorin zahlreiche weitere Romane und Geschichten vorgelegt, von denen viele ihren Platz auf den Bestsellerlisten gefunden haben. Astrid Ruppert lebt heute als freischaffende Schriftstellerin und Drehbuchautorin im Vogelsberg. 

Text: Ellen Thun

Der Fragebogen ist im Marburger Unijournal Nr. 70 erschienen.