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"Deutsche Wirtschaft und Unternehmen im unabhängigen Indien – Chancen, Risiko und Verflechtung, 1950-1980"

Die Zeit ab den 1970er Jahren gilt als eine neue Phase einer globalen Wirtschaft, in der die sogenannten emerging economies und deren Verflechtung mit den Industrieländern eine immer wichtigere politische und wirtschaftliche Rolle einnahmen. Zugleich stellen die 1970er Jahre eine Phase des Umbruchs und der wirtschaftlichen Probleme dar, mit denen die Gesellschaften, die Politik und die Wirtschaft umgehen mussten. Das Projekt fragt nach den Wurzeln dieser „zweiten Globalisierungswelle“ nach dem zweiten Weltkrieg und nimmt hierbei das unabhängige Indien von 1947 bis in die 1980er Jahre in den Fokus. Indien ist heute auch für die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten zunehmend wichtiger geworden.

Das Land steht beispielhaft für ein Schwellenland, an welches von wirtschaftlicher und politischer Seite große Erwartungen und Hoffnungen nach der Unabhängigkeit 1947 geknüpft wurden. Für die international traditionell starke deutsche Wirtschaft stellte Indien die Möglichkeit dar, durch den Krieg verlorene Märkte in Industriestaaten zu „kompensieren“ und den Durchbruch in neuen Märkten der Peripherie zu schaffen. Von der politischen Seite war Indien für die BRD vor dem Hintergrund des Kalten Krieges immer wichtiger geworden, Indien gab hier den Anstoß für die Entwicklung einer bundesdeutschen Entwicklungshilfepolitik für Asien, von der auch deutsche Unternehmen profitieren sollten.

Die Forschung thematisiert ausländische Direktinvestitionen meist nur in kürzeren Untersuchungszeiträumen. Durch die Untersuchung der deutschen Unternehmensaktivitäten in Indien nach 1947 können so Markterschließungs- und -bearbeitungspraktiken von international agierenden Unternehmen in Schwellenländern ergründet werden, sowie die Chancen und Risiken, die aus Exportgeschäften und Direktinvestitionen entstehen. Das Projekt fragt nach Dynamiken bei der Marktbearbeitung und Wahrnehmung der deutschen Unternehmen in Indien im Zeitverlauf und welche Rolle die Herkunft eines ausländischen Unternehmens im Kontext der Dekolonisation spielte, bzw. wie diese im Vergleich zu Konkurrenten aus den politischen Blöcken des Kalten Krieges genutzt werden konnte.

Durch die quellengestützte Untersuchung der Investitionsstrategien von Unternehmen aus der BRD in Indien kann nachvollzogen werden, wie die Unternehmen im Spannungsfeld von unternehmerischem Profitstreben und politischen Zwängen während des Kalten Krieges und stärkerer Marktregulierung in Indien den dortigen potentiell großen Markt (wieder) erschlossen. Das Projekt fragt hierbei, wie die Unternehmen bei ihrem Wiedereintritt auf den internationalen Markt auf die erschwerten Rahmenbedingungen in einem postkolonialen Schwellenland reagierten. Die unternehmenshistorische Untersuchung will so aus einer Mikroperspektive des deutschen Unternehmens heraus verdeutlichen, welche Rolle Vertrauen, Pfadabhängigkeiten und lokales Wissen für Erfolg oder Scheitern bei Investitionen in Schwellenländern spielen. Neben den Quellen aus Unternehmen werden aufgrund der politischen und außenwirtschaftspolitischen Bedeutung Indiens als Sprecher der „Blockfreien“ wichtige Akteure der deutschen Außenwirtschaftspolitik wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Quellen aus der Außenhandelskammer Indien und dem Bundesverband der deutschen Industrie als Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft betrachtet und in Bezug auf die Investitionsbedingungen in Indien und Ziele der indischen Wirtschaftspolitik nach 1947 Quellenmaterialien aus den National Archives of India aus den zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Finanzen in die Untersuchung einbezogen.