09.12.2025 Tag der Pharmazie 2025 an der Philipps-Universität Marburg

Verknüpfung von wissenschaftlicher Pharmazie und pharmazeutischer Praxis

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Mit dem diesjährigen Tag der Pharmazie öffnete der Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg erneut seine Türen, um Forschung, Lehre und berufspraktische Perspektiven in den Mittelpunkt eines lebendigen wissenschaftlichen Austauschs zu stellen. Zwei Antrittsvorlesungen und insgesamt 27 Poster präsentierten die Vielfalt aktueller Projekte in den Arbeitsgruppen der Pharmazie und luden Studierende, Promovierende, Mitarbeitende und Professorinnen und Professoren zum direkten Gespräch im Foyer und Hörsaal ein. 

Die Eröffnung des Tags der Pharmazie durch Prodekan Prof. Culmsee und Grußworten von VP Yvonne Zimmermann (Universität Marburg) und LAK-Präsident Dr. Christian Ude (Apothekerkammer Hessen). (v.l.n.r.)

In seiner Begrüßung hob Prodekan Prof. Dr. Carsten Culmsee besonders die Bedeutung des interdisziplinären Dialogs hervor, der den gesamten Veranstaltungstag prägen sollte. Er verwies auf den intensiven wissenschaftlichen Austausch, der sowohl durch die vielfältigen Posterpräsentationen als auch durch die Antrittsvorlesungen der neu berufenen Professorinnen Höfer und Schützenmeister ermöglicht wurde. Zudem betonte er, dass der Tag der Pharmazie in diesem Jahr eine besondere Gelegenheit bot, dem wissenschaftlichen Beirat des Fachbereichs die aktuellen Aktivitäten in Forschung und Lehre umfassend vorzustellen. Zudem warb er für den Besuch der Workshops mit Informationsangeboten zu den vielfältigen Berufsfeldern der Pharmazie in öffentlicher Apotheke, Krankenhausapotheke und Pharmazeutischer Industrie.

In ihrem Grußwort erläuterte die Vizepräsidentin für Bildung, Prof. Dr. Yvonne Zimmermann, die Bedeutung des größten und eigenständigen pharmazeutischen Fachbereichs in Deutschland für die Philipps-Universität. Sie würdigte nicht nur die hervorragende Arbeit in Forschung und Lehre – u.a. durch das bundesweit einzigartige Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin, sondern auch den wichtigen Beitrag zur öffentlichen Wahrnehmung des Fachbereiches und der Pharmazie im Allgemeinen. Die wissenschaftliche Stärkung durch die zwei neuberufenen Professorinnen, Prof. Höfer und Prof. Schützenmeister, unterstreiche zusätzlich den Beitrag des Fachbereichs zu den strategischen Forschungsschwerpunkten der Universität.

Dr. Christian Ude, Präsident der Landesapothekerkammer Hessen, würdigte das Format des Tags der Pharmazie sowie die Verknüpfung mit Praxis-Workshops für Studierende und Promovierende aus den Bereichen Offizin, Klinische Pharmazie und pharmazeutische Industrie. Er hob hervor, wie essenziell die Verbindung von wissenschaftlicher Pharmazie und pharmazeutischer Praxis für einen modernen, wissenschaftlich geprägten Heilberuf bleibt. Die regionalen Fortbildungsveranstaltungen in Marburg bieten hierfür ebenfalls eine ideale Plattform, auf der sich Studierende, Promovierende und pharmazeutisches Fachpersonal gemeinsam weiterbilden und miteinander austauschen können. Ein wichtiger Aspekt dabei soll sein, dass die Liebe zum Fach nicht verloren gehen soll.

Antrittsvorlesung Prof. Dr. Katharina Höfer und Prof. Dr. Nina Schützenmeister

Prof. Höfer (r.) und Prof. Schützenmeister (l.) hielten ihre Antrittsvorlesung am Tag der Pharmazie 2025 des Fachbereichs Pharmazie der Philipps-Universität Marburg

Prof. Dr. Katharina Höfer ist Leiterin der Arbeitsgruppe „Pharmazeutische Biotechnologie“ am Institut für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie der Philipps-Universität Marburg. Nach einem Studium der Life Sciences in Hannover und der Molekularen Biotechnologie an der Universität Heidelberg promovierte sie dort 2017 und schloss anschließend eine Postdoc-Phase an. Seit 2020 leitete sie eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPI-TM) in Marburg mit Schwerpunkt „Bacterial Epitranscriptomics“. Im August 2024 wurde ihr eine LOEWE-Spitzenprofessur verliehen, damit verbunden ist die Professur an der Philipps-Universität Marburg, die sie zum Oktober 2025 angetreten hat. Neben mehreren DFG-Einzelprojekten wird Professorin Höfer durch das europäische ERC-Programm gefördert und ist auch Teil des Marburger Exzellenz-Clusters „Microbes for Climate- M4C“.

Wissenschaftlich beschäftigt sie sich mit der Regulation bakterieller Genexpression auf Ebene der RNA: Ihre Gruppe erforscht RNA-Modifikationen, etwa NAD-capped RNAs, und ihre Rolle bei der Interaktion von Bakterien mit Bakteriophagen. Kürzlich entdeckte ihr Team eine bisher unbekannte enzymatische Reaktion, mit der RNA an Proteine gebunden wird („RNAylierung“). Für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen erhielt sie 2024 u.a. den Otto-Meyerhof-Preis der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und wurde in das Nachwuchsnetzwerk der European Molecular Biology Organization (EMBO) als „Young Investigator“ aufgenommen.

Prof. Höfer zeigt, dass sich auf einem Pflanzenblatt noch weitere potente Mikroorganismen befinden. Dies nutzte Sie zur Einführung von ihrer Antrittsvorlesung.

Zu Beginn ihrer Antrittsvorlesung führte Prof. Dr. Katharina Höfer das Publikum mit dem bildhaften Einstieg „Ein Pflanzenblatt ist mehr als ein Blatt“ in das Thema ein. Sie zeigte, dass selbst ein scheinbar einfaches Blatt von einer unsichtbaren Welt aus Mikroorganismen wie Bakterien und Viren besiedelt ist. Unter diesen Viren finden sich auch „die guten Viren“ – die Bakteriophagen, echte „Bakterienfresser“, die gezielt Bakterien infizieren und zerstören können.

In humorvollen „Phun Phacts“ gab sie einen Überblick über die faszinierenden Eigenschaften von Phagen und spannte anschließend einen historischen Bogen zur Entwicklung der Phagentherapie. Dabei verwies sie darauf, dass Phagen in ihrer medizinischen Nutzung mehrfach einen „Dornröschenschlaf“ durchliefen – ein charmantes Bild aus der Märchenwelt mit lokalem Bezug zu den Gebrüdern Grimm und ihrer Zeit Marburg.

Heute jedoch sind Phagen alles andere als schläfrig: Sie bilden eine wertvolle Werkzeugkiste der modernen Molekularbiologie. Prof. Höfer hob zwei Meilensteine hervor: die Entdeckung des CRISPR-Cas-Systems – Grundlage der modernen Genscheren-Technologie – sowie die T7-Phagen-RNA-Polymerase, die heute für RNA-Synthesen und damit auch für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen genutzt wird. Einen lokalen Bezug stellte sie dabei zur Produktionsstätte von RNA-Impfstoffen in Marburg her, die den Großteil der weltweit eingesetzten Corona-Vakzine lieferte.

Abschließend zeigte sie auf, welches Potenzial Phagen heute erneut für die Medizin besitzen – insbesondere im Kampf gegen die zunehmende Antibiotikaresistenz. Mit Blick auf den kürzlich veröffentlichten WHO Global Antibiotic Resistance Surveillance Report 2025 unterstrich sie die Notwendigkeit innovativer Ansätze. Phagen- und RNA-basierte Therapien könnten hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten und neue Wege für die Behandlung bisher schwer therapierbarer Infektionen eröffnen.

Im zweiten Teil ihrer Antrittsvorlesung präsentierte Prof. Dr. Katharina Höfer ihre wegweisenden Forschungsergebnisse zur RNAylierung, einem völlig neuartigen Konzept der Interaktion zwischen RNA und Proteinen. Dabei zeigte sie, wie bestimmte RNAs mithilfe eines besonderen chemischen Merkmals – sogenannter NAD-capped RNAs – an Proteine gekoppelt werden können. Diese Form der kovalenten Modifikation eröffnet ganz neue Perspektiven auf die Art und Weise, wie RNA und Proteine miteinander kommunizieren und biologische Prozesse steuern.

Prof. Höfer erläuterte, dass der NAD-Baustein als eine Art zusätzlicher „fünfter Baustein“ der RNA betrachtet werden kann. Er erweitert damit die strukturelle und funktionelle Vielfalt der RNA weit über die klassischen vier Nukleotide hinaus. Um diese spezialisierten RNAs gezielt untersuchen zu können, entwickelte sie die innovative Methode NAD-capture-Seq. Mit ihr lassen sich NAD-modifizierte RNAs im wahrsten Sinne des Wortes „herausfischen“ und umfassend charakterisieren. Ihre Forschung zeigt, wie durch RNAylation neuartige Regulationsmechanismen sichtbar werden – Mechanismen, die nicht nur das Verständnis bakterieller Genexpression verändern, sondern auch Perspektiven für biotechnologische und medizinische Anwendungen eröffnen.

Prof. Schützenmeister schilderte eindrücklich die Herausforderungen und dynamischen Wendungen eines Totalsyntheseprojekts.

Prof. Dr. Nina Schützenmeister ist seit August 2025 an der Philipps-Universität Marburg und leitet am Institut für Pharmazeutische Chemie die Arbeitsgruppe „Medizinische Synthesechemie“ mit den Schwerpunkten: Totalsynthesen von Naturstoffen und Entwicklung neuer Antiinfektiva. Die Professur wird aus Mitteln des Professorinnenprogramms 2030 des BMFTR gefördert. 

Prof. Schützenmeister hat an der ETH-Zürich Chemie studiert und 2012 in Göttingen bei Prof. Tietze promoviert. Nach Postdoc-Aufenthalten in Göttingen (bei Prof. Tietze und Prof. Griesinger) und in Bristol (Prof. Aggarwal) – finanziert durch ein DFG-PosDoc-Stipendium, war sie von 2015 – 2020 W1-Professorin für medizinische Chemie an der Universität Hamburg. Ab 2020 wechselte sie als Assistenzprofessorin für Medizinische Chemie an die Uni Wien (mit Tenure Track). In diesem Jahr wurde sie mit dem Chemistry Journals Award ausgezeichnet. Zusätzlich hatte Sie in den Jahren 2022-2023 eine Vertretungsprofessur für Organische Chemie an der Uni Hamburg inne. Die Arbeiten von Nina Schützenmeister und ihrer Gruppe möchten Beiträge leisten, wie moderne pharmazeutische Chemie durch clevere Synthesestrategien Naturstoffe und Analoga effizient und skalierbar für die Wirkstoffforschung zugänglich macht.

Für ihre innovativen Arbeiten im Bereich der Pharmazeutischen Chemie erhielt Schützenmeister 2021 den Innovationspreis Medizinische/Pharmazeutische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und der Deutschen Pharmazeutischen Geseellschaft (DPhG). Der Preis würdigt ihre originären und zukunftsweisenden Forschungen zur Synthese biologisch aktiver Naturstoffe und deren Anwendung im Bereich antiinfektiver Substanzen.

In ihrer Antrittsvorlesung „Natur als Vorbild, Nachhaltigkeit als Ziel – Die Kunst der grünen Naturstoffsynthese“ nahm Prof. Dr. Nina Schützenmeister die Zuhörenden mit auf eine kurzweilige Reise durch die Geschichte der Naturstoffsynthese – ein Fachgebiet, das seit Jahrzehnten maßgebliche Impulse für die pharmazeutische Wirkstoffentwicklung liefert. Ausgangspunkt bildeten Meilensteine der Totalsynthese: vom komplexen Antibiotikum Tetracyclin über das Malariamittel Chinin und das hochtoxische Strychnin bis hin zum japanischen Kugelfischgift Tetrodotoxin und dem antiviralen Wirkstoff Oseltamivir. Diese Beispiele zeigten eindrucksvoll, wie wissenschaftliche Kreativität, strategisches Denken und technologische Fortschritte immer wieder zu Syntheseerfolgen geführt haben.

Vor diesem historischen Hintergrund leitete Prof. Schützenmeister zum scheinbaren Oxymoron der „Green Chemistry“ über. Sie stellte die grundlegenden Prinzipien der Grünen Chemie vor und diskutierte, wie sich diese Nachhaltigkeitskonzepte sinnvoll auf die moderne Arzneistoffsynthese übertragen lassen. Anhand ausgewählter Beispiele aus ihrer eigenen Forschung verdeutlichte sie, wie durch schutzgruppenfreie Strategien, atomökonomische Reaktionen oder verkürzte Syntheserouten nicht nur Effizienz, sondern auch ökologische Verantwortung in die Wirkstoffchemie integriert werden können.

Besonders eindrücklich war die Art und Weise, wie Prof. Schützenmeister die Herausforderungen und dynamischen Wendungen eines Totalsyntheseprojekts schilderte. Mit großer Klarheit und viel Humor beschrieb sie die typischen Höhen und Tiefen des Laboralltags – von ersten Erfolgsmomenten bis zu notwendigen Umwegen und neu gedachten Strategien. Dadurch gelang es ihr, auch Nicht-Synthesechemikerinnen und -chemiker mitzunehmen und die Faszination für die oft komplexen Wege eines Moleküls verständlich zu vermitteln.

Für die Studierenden boten beide Vorlesungen darüber hinaus einen wertvollen Einblick in die aktuellen Herausforderungen der Bakteriophagen und RNA-Forschung sowie der neuen Techniken der Wirkstoffsynthese und lieferte inspirierende Ansätze für Wahlpflichtpraktika, Forschungsprojekte und mögliche Abschlussarbeiten. 

Info- und Karriereworkshops für Studierende und Promovierende

Am folgenden Tag wurde das Programm weitergeführt und stand ganz im Zeichen des Austauschs zwischen Wissenschaft, Studierenden und Berufspraxis. Während sich der wissenschaftliche Beirat des Fachbereichs Pharmazie in einer gemeinsamen Sitzung mit Dekanat und Institutsvertreterinnen und -vertreter über die aktuellen Forschungs- und Lehraktivitäten informierte, konnten Studierende und Promovierende parallel an einer Vielzahl von Informations- und Karriereworkshops teilnehmen.

Die Themenpalette der Workshops reichte von praxisnahen Einblicken in die Pharmaindustrie über klinische und öffentliche Apotheken bis hin zu innovativen Zukunftstechnologien in der Arzneimittelherstellung. So berichteten Vertreter der Temmler Pharma GmbH/AENOVA Group Marburg über Karriereperspektiven in der industriellen Produktion. Auch Boehringer Ingelheim informierte über berufliche Wege in der klinischen Pharmakologie, während die Lahnapotheke Marburg die Apotheke im Jahr 2025 und innovative Versorgungsformen vorstellte. Ergänzend dazu veransteltete Apotheker Stefan Göbel mit seinem Team von der Brücken Apotheke Heringen einen Praxisworkshop zu Medikationsanalysen in der öffentlichen Apotheke.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Krankenhauspharmazie: Anhand der Zentralapotheke der Mühlenkreiskliniken AöR und praxisnaher Fallbeispiele wurden Strukturen, Leistungsspektrum und Karriereperspektiven aufgezeigt. Für Studierende der Lebenswissenschaften boten zudem Workshops von GSK Vaccines Marburg interessante Einblicke in die Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle in der Impfstoffproduktion. Innovative Ansätze in der Medikamentenentwicklung präsentierte BioSpring mit dem Thema „Die Kunst, Medizin herzustellen: Zukunft der Oligonukleotid-Therapeutika“. 

Der Tag der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg wurde so zu einer lebendigen Plattform für Austausch, Orientierung und Inspiration in allen Bereichen der pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis.

Text: Dr. Christof Wegscheid-Gerlach, FB Pharmazie Universität Marburg

Bilder: Regina Gerlach-Riehl /FB Pharmazie Universität Marburg

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