07.11.2025 8 Fragen an Mareike Sommer, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin für interprofessionelle Lehre an der Hochschule Fulda & an der Philipps-Universität Marburg
Interprofessionelle Lehre bringt Studierende aus Medizin, Pflege, Hebammenkunde und Physiotherapie zusammen. Im Interview spricht Mareike Sommer über ihre Vision einer vernetzten Ausbildung, die den Austausch zwischen Professionen stärkt und echte Teamarbeit fördert.
1. Frau Sommer, Sie sind seit dem 1. Juni 2025 in dieser Funktion tätig – was hat Sie an der Stelle besonders gereizt und was bereitet Ihnen Freude?
Als Physiotherapeutin habe ich interprofessionelle Lehre bereits international, unter anderem in Australien, erlebt. Mich reizt besonders, unterschiedliche Professionen wie Medizin, Pflege, Hebammenkunde und Physiotherapie stärker zu vernetzen. Es treffen verschiedene Charaktere und Denkweisen aufeinander – das macht die Arbeit spannend. Meine Vision ist, Grenzen zwischen Professionen aufzuweichen und Studierenden Offenheit und Teamgeist vorzuleben.
2. Was versteht man unter interprofessioneller Lehre?
Interprofessionelle Lehre (IPL) bedeutet, dass Studierende verschiedener Gesundheitsberufe gemeinsam lernen, um ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und neues Wissen zu schaffen. Dabei steht die patientenzentrierte Zusammenarbeit im Mittelpunkt. Angesichts zunehmender Komplexität in der Gesundheitsversorgung ist IPL wichtiger denn je, um Patient*innen ganzheitlich auf hohem Niveau behandeln zu können.
3. Können Sie ein Beispiel nennen, wie Studierende voneinander profitieren?
Ein Beispiel sind palliativmedizinische Fallbesprechungen von Patient*innen, in denen Studierende verschiedener Disziplinen gemeinsam Lösungen erarbeiten. So lernen sie, die Perspektiven anderer Berufsgruppen zu verstehen. Auf Intensivstationen wird Interprofessionalität bereits erfolgreich gelebt – ein Vorbild, das wir stärker in die Lehre integrieren wollen.
4. Wie gehen Sie strategisch vor, um interprofessionelle Lehre an beiden Hochschulen zu verankern?
Ich starte mit einem neutralen, offenen Kennenlernen aller drei Standorte, um Strukturen, Personen und Bedarfe zu verstehen. Mein Ziel ist es, Vertrauen aufzubauen und als Brückenbauerin die verschiedenen Professionen zu vernetzen. Langfristig soll ein sogenannter longitudinaler Strang (also über mehrere Semester hinweg) in die Curricula integriert werden, um IPL dauerhaft zu verankern.
5. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist, Transparenz und eine gemeinsame Basis zwischen den Institutionen zu schaffen. Nur mit Offenheit, Klarheit und gegenseitigem Vertrauen lassen sich Strukturen entwickeln, die IPL langfristig tragen.
6. Was braucht es, damit interprofessionelle Lehre erfolgreich gelingt?
IPL muss strukturell, didaktisch und kulturell verankert werden. Dazu gehören qualifizierte Lehrende, gemeinsame Lehrkonzepte und eine Kultur der Offenheit. Wenn Studierende und Lehrende den Nutzen interprofessioneller Zusammenarbeit erkennen, entsteht nachhaltige Motivation, IPL im Alltag zu leben.
7. Wo stehen Sie aktuell?
Momentan laufen viele Gespräche, um Netzwerke und Kooperationen aufzubauen. Die Stelle wird aktuell Campus-Fulda-übergreifend bekannt gemacht, und ich vernetze mich, unter anderem als neues Mitglied im Ausschuss der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA).
8. Welche Vision haben Sie für die kommenden Jahre?
Ich wünsche mir, dass Interprofessionalität selbstverständlich gelebt wird – weniger hierarchisches Denken, geprägt von gegenseitigem Respekt. Die Weiterentwicklung soll wissenschaftlich begleitet, regelmäßig evaluiert und kontinuierlich verbessert werden. So kann IPL zu einem festen Bestandteil der Ausbildung in Fulda und Marburg werden.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit, liebe Frau Sommer, und viel Erfolg bei Ihren Vorhaben!
Das Interview führte Kerstin Thies, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Medizindidaktik, Prüfungen und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Dr. Reinfried-Pohl-Zentrum (Maris).