03.11.2025 Startschuss im Maris am 19. November: HeLaMed-Programm begleitet Marburger Medizinstudierende auf ihrem Weg in die Primärversorgung

Am Mittwoch, 19. November 2025, lädt das Schwerpunktprogramm Primärversorgung der Philipps-Universität Marburg zum offiziellen HeLaMed-Kick-off ins Marburger Maris ein. Ab 18 Uhr treffen sich hier Studierende, Lehrende und Mentor*innen zum Austausch, Kennenlernen und gemeinsamen Start in ein Programm, das die medizinische Ausbildung in Hessen nachhaltig prägen soll. Im Mittelpunkt steht das Mentoringprogramm des Netzwerks HeLaMed – Hessen. Land. Medizin., das angehende Ärztinnen und Ärzte auf ihrem Weg in die hausärztliche Versorgung begleitet. Wir haben mit Dr. Jana Groth, Projektleiterin des HeLaMed-Programms, über die Idee, die Besonderheiten und die Bedeutung des Maris als Veranstaltungsort gesprochen.

Copyright: Tony Müller Interviewpartnerin Jana Groth, Projektleiterin des HeLaMed-Programms in Marburg, Fachbereich Medizin, Philipps-Universität Marburg
  1. Frau Dr. Groth, am 19. November startet das Schwerpunktprogramm Primärversorgung mit einer Kick-off-Veranstaltung im Maris. Können Sie uns kurz erklären, was HeLaMed ist und welche Idee hinter dem Programm steht?

Seit dem Wintersemester 2022/23 gibt es in Hessen eine sogenannte „Landärztin- und Landarztquote“. Durch das „Gesetz zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Hessen“ werden jährlich 6,5 % aller Studienplätze im Bereich Humanmedizin an Studierende vergeben, die sich vorab verpflichten, später als Hausärzt*innen in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet in Hessen zu arbeiten. Für diese Studierenden haben wir ein begleitendes Seminar- und Mentoringprogramm entwickelt, um sie vom ersten Semester an bestmöglich auf ihre spätere Tätigkeit vorzubereiten. Das Schwerpunktprogramm steht aber auch allen anderen Medizinstudierenden offen – ganz egal, über welchen Zulassungsweg sie ihren Studienplatz erhalten haben.

Natürlich können auch Studierende mitmachen, die noch nicht genau wissen, ob hausärztliche Medizin etwas für sie ist. Unser Mentoringprogramm ist für alle interessant, genauso wie unser Lerntraining, die Skills-Kurse oder unsere Wochenendexkursionen.

Hinter dem Schwerpunktprogramm steht das Netzwerk HeLaMed, ein Zusammenschluss der allgemeinmedizinischen Institute der hessischen Universitäten Marburg, Gießen und Frankfurt. Gemeinsam begleiten wir alle Studierenden, die ihre Zukunft in der Primärversorgung sehen. Das Programm wird demnach in leicht abgewandelter Form an allen drei Universitäten angeboten. Weitere Informationen gibt es auf unserer Homepage www.helamed.de.

2. Warum ist das Mentoringprogramm ein so wichtiger Bestandteil innerhalb von HeLaMed?

Bei HeLaMed bieten wir ein vielfältiges Programm aus Seminaren, Mentoring, Wochenendexkursionen und praktischen Erfahrungen, z. B. Hospitationen oder Skills-Kursen, an. Das Mentoring ist deshalb so wichtig, weil es sehr viele verschiedene Funktionen erfüllt: Es ist Erfahrungsaustausch, Begleitung, Reflexion, Coping, Resilienz, aber auch Gruppenbildung, Inspiration, Motivation und Persönlichkeitsentwicklung. Die Studierenden kommen hier vier Mal im Jahr zusammen und können sich in einem geschützten Rahmen zu selbst gewählten Themen austauschen. Dabei kann es um ganz praktische Dinge gehen wie Lernstrategien, Zeitmanagement, Finanzierung des Studiums, Auslandsaufenthalte und Praktika. Es können aber auch sehr persönliche Themen angesprochen werden, wie Leistungsdruck, Prüfungsangst oder der Umgang mit schwierigen Situationen im klinischen Alltag. Alles hat hier Raum und darf angesprochen werden.

Der regelmäßige Kontakt zur eigenen Mentoringgruppe führt auch dazu, dass die Studierenden sich untereinander besser kennenlernen, ein Gruppengefühl entwickeln und sich nicht allein gelassen fühlen. Im stressigen Alltag des Medizinstudiums wollen wir mit dem Mentoring einen Rahmen zum Innehalten, Durchatmen und gegenseitigen Bestärken schaffen.

3. Was unterscheidet Ihr Mentoringprogramm von klassischen Mentoring-Angeboten an der Universität?

Viele Mentoring-Programme der Universität haben eine 1:1-Betreuung sowie sehr klar definierte Ziele und Zielgruppen. Es geht dann oft darum, Studierende für eine Promotion zu begeistern, Postdocs auf eine wissenschaftliche Karriere vorzubereiten oder Frauen in den MINT-Fächern oder auf ihrem Weg zur Habilitation zu begleiten. Diese Programme sind wichtig, wir möchten aber – gerade zu Beginn des Studiums – einen anderen Akzent setzen. Bei uns soll es in erster Linie nicht um Leistungsdruck und Karriere gehen, sondern um Resilienz, Selbstvertrauen, Selbstreflexion und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen. Unser Mentoring ist auch kein Einzelmentoring, sondern findet in Gruppen – gemeinsam mit anderen HeLaMed-Studierenden – statt. So können die Studierenden sich auch gegenseitig unterstützen und von ihren Erfahrungen profitieren. Außerdem werden die Mentoringsitzungen immer von mind. zwei externen Personen geleitet – einem Studierenden aus einem höheren Semester und einer berufserfahrenen Person (z. B. Psycholog*in oder Ärzt*in in Weiterbildung). So können die Studierenden von einer sehr breiten Expertise und vielen unterschiedlichen Perspektiven profitieren.

4. Welche Ziele verfolgen Sie konkret mit dem Mentoring – eher fachliche Unterstützung oder auch persönliche Begleitung durch das Studium?

Wie schon erwähnt, geht es eher um eine persönliche Begleitung im Studium. Fachliche Informationen bekommen die Studierenden in unseren Seminaren, Wochenendexkursionen und Praxishospitationen. Das Medizinstudium ist – vor allem in der Vorklinik – sehr stark auf medizinisch-theoretische Inhalte ausgelegt. Bei uns soll es – sowohl im Seminar- als auch im Mentoringprogramm – viel stärker um persönliche und soziale Kompetenzen und nicht zuletzt auch den Erhalt der eigenen Motivation gehen. Die Studierenden müssen neben dem ganzen Lern- und Prüfungsstress ab und zu auch wieder daran erinnert werden, warum sie das alles auf sich nehmen. Dafür braucht es frühzeitig positive Vorbilder, ein realistisches Bild vom späteren Berufsleben und eigene praktische Erfahrungen, die Spaß machen.

5. Wie werden Mentorinnen und Mentoren ausgewählt und vorbereitet?

Wir führen mit allen Bewerber*innen ein persönliches Gespräch, fragen sie nach ihrer Motivation am Programm teilzunehmen und nach ihren individuellen Vorerfahrungen. Wenn uns die Personen geeignet erscheinen, bekommen sie eine ausführliche Mentoringschulung mit vielen didaktischen Tipps und Tricks, aber auch Infos zu den Grenzen des Mentorings, da es sich z. B. klar von einem therapeutischen Setting unterscheiden muss. Außerdem bieten wir allen Mentor*innen einmal pro Jahr eine Supervision an.

6. Was nehmen die Studierenden idealerweise aus den Mentoringtreffen mit – sowohl für ihr Studium als auch für ihre spätere Tätigkeit auf dem Land?

Da die Studierenden die Themen, die innerhalb der Mentoringsitzungen besprochen werden, selbst festlegen können, lässt sich das nicht so einfach sagen. Es hat sich gezeigt, dass die Gruppen vielfältige Themen wie Stressmanagement, Lernstrategien, Prüfungsvorbereitung, Freizeitgestaltung und Studienfinanzierung behandeln. Zudem reflektieren sie den Studienverlauf und tauschen Erfahrungen zu praktischen Phasen wie Hospitationen und dem Pflegepraktikum aus. Das Thema „Tätigkeit auf dem Land“ spielt vor allem bei unseren Wochenendexkursionen eine zentrale Rolle. Dort fahren wir wirklich raus aufs Land und lernen die Akteure vor Ort kennen. Einige unserer Mentor*innen und Dozent*innen sind selbst im ländlichen Raum tätig und können so ihre vielfältigen Erfahrungen weitergeben.

Für die Studierenden der Vorklinik arbeiten wir gerade an einer Workshopreihe zum Thema „Lernen lernen“. Die Studierenden können dort ihren eigenen Lernstil reflektieren, Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Lernstrategien kennenlernen und eigene Lernpläne erstellen. So wollen wir verhindern, dass die Studierenden jahrelang „falsch“ lernen und am Ende womöglich frustriert das Studium abbrechen. Mit ein paar Tipps und Tricks lässt sich auch das Lernen leicht erlernen. Man muss sich nur ein wenig Zeit dafür nehmen.

7. Gibt es bereits Rückmeldungen oder Erfahrungen aus den ersten Jahrgängen, die besonders eindrucksvoll waren?

Für unsere Homepage haben wir Studierende von allen drei Standorten (Marburg, Gießen, Frankfurt) zu ihren Erfahrungen bei HeLaMed befragt. Das Video ist hier zu sehen: www.helamed.de/lehrangebot / Zum Mentoring sagt eine Teilnehmerin aus Marburg: „Die Mentorings sind jedes Mal wieder klasse. Ich geh rein und ich bin vielleicht gestresst, mir geht’s nicht so gut, und am Ende vom Mentoring komm ich raus und mir geht’s irgendwie besser. Ich bin entspannter, ich habe das Gefühl: Okay, ich habe jetzt nochmal so neue Sichtweisen, mit denen ich arbeiten kann.“

8. Die Landärzt*innenquote ist noch ein relativ neues Instrument in Hessen. Wie unterstützt das Mentoringprogramm die Studierenden dabei, sich langfristig mit der hausärztlichen Versorgung auf dem Land zu identifizieren?

Das Mentoringprogramm ist nur ein Baustein von vielen. Für die Identifikation mit der hausärztlichen Versorgung auf dem Land braucht es vor allem positive Rollenvorbilder und eigene praktische Erfahrungen. Mit unserer vorklinischen Hospitationswoche bekommen die Studierenden beispielsweise schon im 2. Semester einen Einblick in die hausärztliche Praxis auf dem Land. Bei dem einwöchigen Praktikum geht es darum, erste Elemente der Primärversorgung in der Praxis zu beobachten und zu verinnerlichen, aber auch erste praktische Handlungen unter Anleitung selbst durchzuführen, z. B. einen Verbandswechsel oder verschiedene körperliche Untersuchungen. Es sind vor allem diese praktischen Erfahrungen, die das Selbstvertrauen der Studierenden stärken und dazu führen, dass ihre Motivation, später selbst hausärztlich tätig zu werden, langfristig erhalten bleibt.

9. Was erwartet die Teilnehmenden beim Kick-off im Maris?

Beim Kick-off im Maris stellen wir die Inhalte und Ziele des Schwerpunktprogramms Primärversorgung vor. Natürlich gibt es auch einige Infos zum Anmeldeverfahren und zum organisatorischen Ablauf. Beim Kick-off können sich Interessierte unverbindlich informieren, um danach zu entscheiden, ob das Programm etwas für sie ist oder nicht. Es geht aber auch darum, dass sich Studierende, Mentor*innen und Programmverantwortliche gegenseitig kennenlernen und zusammen eine schöne Zeit haben. Beim gemeinsamen Pizza-Essen geht das bekanntlich immer am besten… 😊 Im Anschluss gibt es noch ein Schnuppermentoring. Das heißt, die Studierenden erleben eine erste Mentoringsitzung, um das Format kennenzulernen und eventuell auch schon entscheiden zu können, welche Mentor*innen für sie die richtigen sind.

10. Warum haben Sie sich für das Maris als Veranstaltungsort entschieden – was macht den Ort für Sie besonders geeignet?

Das Maris ist einfach ein schöner Ort und steht als Einrichtung für moderne, praktisch ausgerichtete Medizinausbildung. Die hellen Räumlichkeiten sind ideal für eine Auftaktveranstaltung. Wir bieten aber auch andere Veranstaltungen gemeinsam mit dem Maris an. Bald wird es einen Sonografiekurs speziell für die HeLaMed-Studierenden im Maris geben. Ein Skills-Tag ist ebenfalls geplant. Da ist es schön, wenn die Studierenden die Räumlichkeiten vorher schon einmal gesehen haben.

11. Wie kann man sich für das Mentoring oder das Schwerpunktprogramm anmelden – und wer darf teilnehmen? Wie viele freie Plätze gibt es noch?

Nach dem Kick-off haben die Studierenden drei Wochen Zeit, um sich für das Schwerpunktprogramm anzumelden. Dafür stellen wir unmittelbar nach der Auftaktveranstaltung ein Anmeldeformular auf unsere Homepage: https://www.uni-marburg.de/de/fb20/bereiche/methoden-gesundheit/allgprmed/lehre/schwerpunktprogramme/schwerpunktprogramm-primaerversorgung

Anmelden können sich alle Studierenden, die Interesse an der Primärversorgung haben. Die Plätze werden vorrangig an die Studierenden der Landarztquote vergeben. Es gibt aber jedes Jahr auch 10-15 Plätze für andere interessierte Studierende.

12. Was möchten Sie den Studierenden, die vielleicht noch zögern, mit auf den Weg geben?

Für die meisten Studierenden ist die hausärztliche Tätigkeit auf dem Land – gerade zu Beginn des Studiums – noch nicht so attraktiv. Viele haben andere Berufsvorstellungen und das ist auch vollkommen okay so. Wir bieten aber auch ganz unabhängig von der späteren Berufsvorstellung ein durchaus attraktives Programm: Dazu zählt nicht nur das Mentoring, sondern auch die Skills-Kurse, das Lerntraining, die Wochenendexkursionen und vor allem die individuelle Betreuung. Bei uns sind die Studierenden nicht nur eine Zahl. Wir kennen uns untereinander und helfen uns gegenseitig. Das ist eine schöne Gemeinschaft.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit, liebe Frau Dr. Groth!  Das Interview führte Kerstin Thies, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Medizindidaktik, Prüfungen und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Dr. Reinfried-Pohl-Zentrum (Maris).

Weitere Informationen zu HeLaMed unter: 
https://www.uni-marburg.de/de/fb20/bereiche/methoden-gesundheit/allgprmed/lehre/schwerpunktprogramme/schwerpunktprogramm-primaerversorgung

https://www.uni-marburg.de/de/fb20/bereiche/methoden-gesundheit/allgprmed/lehre/dateien/merkzettel-mentoring-stand-01-2025.pdf

https://www.youtube.com/watch?v=PCvQzfO8k8Y