03.07.2025 „Es gibt kein Publikum“
Performanceduo „Rimini Protokoll“ lernte die Uni beim „Townhallmeeting“ kennen

Endlich hört einmal jemand zu! Beim Townhallmeeting mit „Rimini Protokoll“ in der letzten Juniwoche wurde man Zeuge eines seltenen Schauspiels: Das Performanceduo Helgard Haug und Daniel Wetzel befragte die Hochschulangehörigen, die der Einladung ins Marburger Landgrafenschloss gefolgt waren, über ihr Verhältnis zur Alma mater philippina, und die Anwesenden stimmten mit den Füßen ab. Es war ein Auftakt für das dreijährige Gastspiel der beiden Performer, der neugierig auf mehr machte.
„Wir wollen die Uni kennengelernen“, sagte Helgard Haug eingangs über die eigene Motivation. Die Hochschule hatte sich fürs Kennlernen mächtig ins Zeug gelegt: Im hochherrschaftlichen Fürstensaal war Videotechnik aufgebaut, das Hochschulrechenzentrum hatte einen Techniker abgestellt, zur Begrüßung gab es Getränke, und das halbe Präsidium wurde bei der Veranstaltung gesichtet. Der Aufwand unterstrich die Bedeutung des Termins für die Vorbereitung der 500-Jahr-Feier, von der man bislang universitätsöffentlich nicht allzuviel mitbekommen hatte.
„Rimini Protokoll“, unter diesem Namen macht die Gruppe um Helgard Haug und Daniel Wetzel seit der Jahrtausendwende Furore auf Theaterbühnen in der Bundesrepublik und weit darüber hinaus. Zum bald anstehenden Universitätsjubiläum hat die Hochschule sie für eine gemeinsame Gastprofessur gewonnen. Beim Townhallmeeting bekamen Universitätsangehörige in vier Zeitslots von je einer Stunde Gelegenheit, die beiden kennenzulernen.
Am Vortag in ihrer Antrittsvorlesung hatten Haug und Wetzel unter dem Titel „Was wäre, wenn?“ Beispiele ihrer bisherigen künstlerischen Arbeit gezeigt, mit der die Gruppe seit ihrer Gründung in Gießen die Theaterlandschaft aufmischt: Laien, die auf der Bühne von sich erzählen; Schauspieler, die unangekündigt im öffentlichen Raum auftreten; Aufführungsbesucher, die selbst die Aktion auf der Bühne bestreiten.
„Es gibt kein Publikum“, mit dieser Ansage forderte Daniel Wetzel auch tags drauf beim Townhallmeeting im Fürstensaal des Marburger Landgrafenschlosses zum Mitmachen auf. Die Künstler hatten eine Reihe von Fragen vorbereitet, die auf einem Monitor eingespielt wurden. Die erste Aufgabe für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lautete, die Fragen vorzulesen: Wer ist in Marburg geboren? Wer hat an der Philipps-Universität studiert? Wer hält die Hochschule für exzellent? Wer hat hier seinen Lebenspartner kennengelernt? Nach jeder Frage galt es, die eigene Zustimmung oder Ablehnung zu demonstrieren, indem man sich einer von zwei Gruppen zuordnete, „Ich“ oder „Nicht Ich“.
Am Schluss konnte jeder und jede eigene Frage stellen. Wann wären die Hochschulangehörigen schon einmal so intensiv befragt worden? Wann hätten sie schon einmal Gelegenheit bekommen, mit ihren eigenen Fragen Präsidiumsmitglieder auf eine Entscheidung zwischen Ja und Nein festzulegen?
Es wurde sogar lustig. „Haben Sie bei den Antworten geschummelt?“, lautete eine der Fragen gegen Schluss an die Hochschulangehörigen. Wem soll man da glauben, wenn er oder sie sich auf die Seite der Wahrhaftigkeit schlägt? Schon befindet man sich im schönsten philosophischen Diskurs. Rimini Protokoll, das kann ja heiter werden!
Bericht auf der Startseite der Uni: Fragenspiel zum Auftakt