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Saskia Grandel: Morphosyntaktische Komplexität, Normativität und Sprachkontakt. Eine Projektskizze

KURZFASSUNG: Der deutsche Standard gilt als eine high-contact-Sprache. Intensiver Sprachkontakt durch erwachsene L2-Lerner führt zur Simplifizierung von Sprachen (Trudgill 2009, 2010, 2011a, 2011b). In der Fachliteratur finden sich allerdings Hinweise darauf, dass die deutsche Standardsprache im Vergleich zu anderen germanischen high-contact-Standardsprachen wie Englisch oder Norwegisch morphosyntaktisch deutlich komplexer ist (Campbell / Poser 2008, McWhorter 2008). Und auch intralingual zeigt das Deutsche auf dieser Ebene komplexitätsrelevante Unterschiede: In einer empirischen, frequenzbasierten Untersuchung wird gezeigt, dass der geschriebene Standard als morphosyntaktisch signifikant komplexer eingeschätzt werden kann als die gesprochene Alltagssprache. Hier drängt sich die Frage auf, ob es neben dem Sprachkontakt noch einen weiteren komplexitätsbeeinflussenden Faktor gibt, der diese Beobachtung erklären kann. Eine mögliche Wirkung des Faktors Normativität wird diskutiert. Dies könnte vor allem für den geschriebenen Standard relevant sein, schon allein wegen seines Mediums, aber auch wegen seiner ausgeprägten Geltung im deutschen Sprachraum, während die gesprochene Alltagssprache als flüchtige Kommunikationsform naturgemäß weniger normativem Druck unterliegt. Der Beitrag stellt eine Projektskizze einer Dissertation dar.

Schlagworte: Komplexität, Morphosyntax, Normativität, Sprachkontakt, Deutsch, Variation

 

ABSTRACT: Standard German is considered to be a high-contact language. Intensive language contact of adult L2-learners leads to simplifications of languages (Trudgill 2009, 2010, 2011a, 2011b). There are, however, indications to be found in the literature that Standard German is morphosyntactically more complex than other Germanic high-contact standards such as English or Norwegian (Campbell / Poser 2008, McWhorter 2008). The German language also shows differences relevant for complexity on an intralingual basis: In an empirical, frequency-based research it is shown that the morphosyntax of the written standard is supposed to be significantly more complex than in spoken everyday language. This leads to the question of a potential factor other than language contact, which influences complexity and may explain the research’s results. A possible effect of normativity will be discussed. This could be especially relevant for the written standard, not only because of its medium but also because of its distinctive prestige within the German-speaking area. Whereas the spoken everyday language – as a fugitive form of communication – naturally underlies less normative pressure. This article represents a project sketch of a dissertation.

Keywords: Complexity, morphosyntax, normativity, language contact, german, variation