Hauptinhalt
Simon Pröll: Warum Einsprachige integrieren müssen, Mehrsprachige aber nicht
KURZFASSUNG: Explanative Modelle für die Integration von Fremdwörtern haben eine Vielzahl an hauptsächlich soziolinguistisch erfassbaren Faktoren ermittelt, die Grad, Richtung und Verlauf von Kontakterscheinungen beeinflussen. In diesen soziofaktoriellen Modellen der Integration wurde bislang Mehrsprachigkeit als weiterer Faktor schlicht beigeordnet. Im Rahmen dieses Artikels wird die Hypothese präsentiert, dass Mehrsprachigkeit keinen parallelen Integrationsfaktor unter vielen darstellt – stattdessen können die mannigfaltigen sozialen Faktoren nur auf der Basis zumindest rudimentärer Mehrsprachigkeit zum Tragen kommen. Diese angenommene zentrale Rolle der Mehrsprachigkeit (als Grundvoraussetzung statt als optionaler Faktor) wird im Anschluss empirisch analysiert. Dazu wird eine experimentelle Studie durchgeführt, die die Kompetenz Monolingualer und Bilingualer zur Produktion von Fremdelementen vergleicht. Anhand von messphonetischen und morphologischen Variablen zum Kontakt zwischen Italienisch und Deutsch wird dabei mikrostrukturell und statistisch belegt, dass Mehrsprachigkeit die grundlegende Voraussetzung dafür ist, die Struktur des Gebersystems beibehalten zu können, also umgekehrt nicht ins Nehmersystem integrieren zu müssen. Das zeigt: Monolinguale integrieren automatisch, nur für Bilinguale sind soziale Faktoren überhaupt relevant. Varietätenweite Wandelprozesse werden durch kumulative Effekte niedriger Mehrsprachigkeit und/oder entsprechender sozialer Faktoren bei hoher Mehrsprachigkeit ausgelöst.
Schlagworte: Sprachkontakt, Mehrsprachigkeit, Lehnwort, Integration, Sprachwandel, Phonetik
ABSTRACT: Explanatory models for the integration of foreign words have identified a variety of mainly sociolinguistically determinable factors that influence the degree, direction and course of contact phenomena. In these socio-factorial models of integration, multilingualism has simply been treated as one of many equally important factors. This article presents the hypothesis that multilingualism does not simply represent one factor among many – instead, the multiple social factors need to be backed by at least rudimentary multilingualism. This assumed central role of multilingualism (as a basic condition rather than as an optional factor) is subsequently empirically analyzed. An experimental study comparing the ability of monolinguals and bilinguals to produce foreign elements is presented. On the basis of phonetic and morphological variables in Italian-German contact, microstructural and statistical evidence shows that multilingualism is the basic prerequisite for being able to keep the structure of the original language – or rather not having to integrate into the recipient system. This shows that monolinguals need to integrate automatically, while social factors are only relevant for bilinguals. Change processes in varieties result from cumulative effects of low multilingualism and/or social factors in case of high multilingualism.
Keywords: language contact, multilingualism, loan words, integration, language change, phonetics