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Die neuronale Verarbeitung figurativer Sprache bei Menschen mit Depression

Foto: Marie Müller
Nadine Müller (M.A.)

Kontakt

Philipps-Universität Marburg
AG Klinische Linguistik
Pilgrimstein 16
Raum: +1/0140
Tel.: +49-6421-28-23502
E-Mail: nadine.mueller@staff.uni-marburg.de

Betreuung

Prof. Dr. Christina Kauschke (Philipps-Universität Marburg)
Prof. Dr. Arne Nagels (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Förderung

Die Promotion erfolgt im Rahmen des von der DFG seit 2017 geförderten Projekts „Durch die rosarote Brille gesehen: Die neuronale Verarbeitung sprachlicher Ausdrücke für innerpsychische Zustände mit figurativen und nicht-figurativen Mitteln“, das an den Universitäten Marburg und Mainz angesiedelt ist.

Projektbeschreibung (see English version below)

Model Foto: Colourbox.de

Ziel des Projekts ist es, die neuronale Sprachverarbeitung von Ausdrücken für innere Zustände zu untersuchen. Da Gedanken und Emotionen einen großen Teil des alltäglichen Lebens ausmachen, gibt es in der Sprache ein großes Repertoire an Möglichkeiten auf diese Bezug zu nehmen. Dabei finden sich sowohl wörtliche Ausdrücke ("Freude", "Wut") als auch bildliche Mittel ("sauer sein", "Dampf ablassen"), die sich auf Außersprachliches beziehen. Das Bildliche fügt der abstrakt emotionalen noch eine weitere konkreter erfahrbare Ebene hinzu, die von unseren Lebenserfahrungen Gebrauch macht.
So wurde beispielsweise gezeigt, dass der Ausdruck „sauer“ im figurativen Sinne für wütend nicht nur emotionale Areale des Gehirns aktiviert, sondern zusätzlich gustatorische, die hauptsächlich für unseren Geschmackssinn zuständig sind. Die zusätzliche Ebene intensiviert das Erleben und sorgt für mehr Erfahrbarkeit.

Graphik: Nadine Müller

Damit das Verstehen des figurativen Begriffs möglich ist, muss daher die Übersetzung von einer konkreten Ebene (herausströmender Dampf) auf eine abstrakte (die Wut raus lassen >> Druck senken) gelingen. Das Gehirn überträgt dabei körperlich erfahrbare Situationen auf abstrakte Konzepte.
Da Sprache und Inneres in einer gegenseitigen Wechselwirkung stehen und das eine ohne das andere schwer existieren kann, sind auch Störungen des affektiven Befindens für die Sprachwissenschaft interessant. In diesem Projekt liegt das Augenmerk auf der Depression. Depressionen gehen unter anderem einher mit gedrückter Stimmungslage, Antriebslosigkeit und der verminderten Fähigkeit Freude zu empfinden. Daher wird die Hypothese aufgestellt, dass sich Depression ebenso wie auf das emotionale Erleben auch auf die Sprache auswirkt – insbesondere auf die intensivierte figurative, welche eine große Rolle beim Sprechen über Inneres spielt. Es wurde beispielsweise gezeigt, dass Menschen, die unter Depression leiden Stimuli häufig als stärker negativ und weniger positiv beurteilen. Daher zielt das Projekt darauf ab die neuronalen Korrelate figurativer Sprache zu untersuchen und herauszuarbeiten inwieweit Störungen des emotionalen/affektiven Erlebens die Verarbeitung verändern. Hierfür werden zwei Probandengruppen untersucht - gesunde und an Depression leidende.

Methode

Foto: Nagels et al. (2013)

Zur Verbildlichung neuronaler Aktivität nutzen wir die funktionale Magnetresonanztomographie (fMRT). Die fMRT ist eine nicht-invasive online Methode der Neurowissenschaften und ermöglicht es Unterschiede in den neuronalen Aktivierungsmustern zwischen Bedingungen sowie Gruppen festzustellen. Gemessen werden hierbei die Blutoxigenierungslevel (BOLD); der Sauerstoffgehalt der roten Blutkörperchen, der aufgabenspezifisch an besonders aktive Regionen transportiert wird.
Mit zwei Paradigmen, die von den Probanden bearbeitet werden, während sie im Scanner liegen, wird die Verarbeitung figurativer Sprache in unterschiedlichen Kontexten untersucht. Zum einen während einer Satzvervollständigungsaufgabe, zum anderen in einer natürlichen Sprachumgebung in mehreren kleinen Kurzgeschichten. Ziel ist es zu zeigen, dass die Ergebnisse des künstlichen Settings ebenso in einem natürlichen Setting valide sind.

Veröffentlichungen

Kauschke C, Mueller N, Kircher T and Nagels A (2018) Do Patients With Depression Prefer Literal or Metaphorical Expressions for Internal States? Evidence From Sentence Completion and Elicited Production. Front. Psychol. 9:1326. doi: 10.3389/fpsyg.2018.01326

Mueller, N., Nagels, A., & Kauschke, C. (2021). Metaphoric Expressions Originating from Human Senses – Psycholinguistic and Affective Norms for German Metaphors for Internal State Terms (MIST). Behavior research methods. published online, doi: https://doi.org/10.3758/s13428-021-01639-w

The Project

The aim of the project is to investigate the neural processing of expressions for inner states. Since thoughts and emotions play a vital part in our everyday life, language has many ways to express them literally (“angry”, “happy”) as well as figuratively (“to be bitter”, “to blow of steam”). To ensure understanding of the figurative expression there has to be a transfer from a concrete level (a steaming pot) to an abstract level (less steam à less pressure à calming experience). The brain thereby translates life experience to abstract concepts and adds another layer of processing to it. For instance it has been shown that the figurative expression “she looked at him sweetly” not only activates language and emotion areas in the brain but also gustatory ones. By combining emotion and taste, the additional layer thus seems to enrich experience.

Since language, thoughts and feelings are in constant interaction and one can hardly exist without the other, affective disorders are of great interest for cognitive linguistics as well. Because of that this project focuses on depression and its impact on language processing. Typical for depression are the diminishment of pleasure and enjoyment, depressed mood, and lack of motivation. It is therefore hypothesized that depression has a strong impact on language, especially on figurative language since it plays an important role when talking about feelings. It has already been shown that depressed patients rate stimuli more negatively and less positively, have a higher use of first person pronouns, and sometimes have a tendency to interpret figurative language concretely. To summarize, the project studies neural correlates of figurative language and how affective disorders impact language processing using two groups: patients suffering from depression and healthy controls. 

Method

To visualize neuronal activity we are using functional magnetic resonance imaging (fMRI) which is a non-invasive online method used in neuroscience. It allows the assessment of differences in activation patterns between conditions and groups by measuring blood oxygen (BOLD). Since oxygen is the body’s energy supplier higher oxygen levels are found in more active regions.

Two paradigms are used to determine figurative language processing in different contexts: first in an active sentence completion task, secondly in a natural language setting while passively listening to short stories containing a few sentences. The purpose is the validation of data from the artificial first setting by the natural second one.

Publications

Kauschke C, Mueller N, Kircher T and Nagels A (2018) Do Patients With Depression Prefer Literal or Metaphorical Expressions for Internal States? Evidence From Sentence Completion and Elicited Production. Front. Psychol. 9:1326. doi: 10.3389/fpsyg.2018.01326