Hauptinhalt

Elegant vermittelte er selbst komplizierteste Theorien

Marburger UniJournal Nr 2

Dem Mathematiker Professor Manfred Breuer aus Anlass seines 70. Geburtstages

Über ein Vierteljahrhundert hat Manfred Breuer, der am 15. Mai 1999 seinen 70. Geburtstag feierte, die Mathematik in Marburg mitgeprägt und wegweisende Anstöße zur Entwicklung des Fachbereichs Mathematik und Informatik gegeben.

Nach seinem Studium der Mathematik und Physik in Mainz und dem Mekka der Nachkriegsmathematik in Deutschland, Bonn, das er 1956 mit dem ersten Staatsexamen abschloss, promovierte er 1957 bei einem der führenden Algebraiker jener Jahre, Wolfgang Krull, und habilitierte sich 1964 in Bonn. Mehrere Gastaufenthalte an führenden amerikanischen Universitäten, darunter Berkeley, schlossen sich an, bevor er 1966 die Stelle eines Full Professors an der University of Kansas in Lawrence annahm. Wie geschätzt Manfred Breuer in Amerika war, mag man daraus ersehen, dass die University of Kansas – nachdem er 1971 den Ruf an die Philipps-Universität angenommen hatte – ihm 1972 anbot, als Distinguished Professor in die USA zurückzukehren. Es ist ihm damals wohl nicht leicht gefallen, dieses ehrenvolle Angebot abzulehnen und in Marburg zu bleiben, war doch nicht abzusehen, ob und wie die Probleme, die mit der Umstrukturierung der Universitäten verbunden waren, sich lösen lassen würden.

Manfred Breuer hat wesentliche Beiträge zur Entwicklung der Theorie partieller Differentialgleichungen, singulärer Integraloperatoren und von Neumannscher Algebren geliefert, indem er algebraische Sichtweisen auf analytische Fragestellungen anwendete. Dass er dabei auch tief liegende topologische Zusammenhänge aufdeckte, unterstreicht seine Vielseitigkeit. Neidlos spricht Atiyah davon, dass Breuer Ideen, die zu einem der spektakulärsten Ergebnisse der modernen Mathematik – dem Atiyah-Singerschen Index-Theorem – führten, vorweggenommen habe. Wie vielseitig, kreativ und bewandert Breuer ist, kann man übrigens in den wöchentlichen Sitzungen des Seminars "Mathematische Physik" erleben, an denen Breuer seit Jahren teilnimmt.

Als Lehrer hat es Manfred Breuer immer wieder verstanden, viele Studierende anzuziehen und sie sowohl für die Schönheiten als auch die Probleme der modernen Mathematik zu begeistern. Seine Vorlesungen waren Einblicke in die Werkstatt eines Mathematikers. Man konnte ihm gewissermaßen über die Schulter schauen und zusehen, wie Mathematik entsteht. Scheinbar mühelos gelang es ihm, selbst komplizierteste mathematische Theorien zu vermitteln. Und das auf ausgesprochen liebenswürdige und obendrein elegante Weise. Viele der von ihm betreuten Diplomarbeiten und Dissertationen spiegeln denn auch diese Eleganz wider. Gewissenhaft hat er so manchen Studenten zum Examen geführt; einige seiner Schüler sind heute Lehrer oder Professoren mit hohem Ansehen.

Sachlich und auf ausgleichende Weise durchsetzungsfähig, hat Manfred Breuer stets regen Anteil an den Geschicken des Fachbereichs genommen. Vornehm in Kontroversen und fern jeglicher Ränke, genoss er das Vertrauen aller am Fachbereich Wirkenden. Nicht umsonst hat man ihn daher gebeten, mehrfach das Dekanat zu übernehmen. Mit leisem Spott und einem gehörigen Schuss rheinischer Lebensart hat er sich dabei des steigenden Bürokratismus zu erwehren verstanden, ohne die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen zu verlieren. Freimütig hat er viele seiner Erfahrungen und Einsichten an Jüngere weitergegeben. Sie wurden dankbar aufgenommen. Und so wundert es nicht, dass sein kluger Rat immer noch gesucht und gebraucht wird.

                                                                                                                                                                            Friedrich W. Knöller