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MarMass: HDX

Die HDX-Massenspektrometrie (auch HXMS) ist eine relativ junge Methode, die die Einbaurate von Deuterium (aus D2O) in Proteine untersucht. Azide Seitenkettenprotonen tauschen dabei innerhalb von Millisekunden aus, während der Austausch an den Amidprotonen sehr viel langsamer von statten geht. Er kann von Sekunden bis hin zu Stunden oder gar Tagen betragen. Er ist überwiegend Basen-katalysiert, unter sehr sauren Bedingungen aber auch Säure-katalysiert. Ein Minimum liegt in etwa bei pH 2.5. Desweiteren ist er abhängig von der Temperatur (je niedriger, desto langsamer) und von der chemischen Umgebung (in H-Brücke involviert oder nicht, Lösungsmittel-exponiert oder nicht, etc.). 

In der Praxis wird ein Protein für bestimmte Zeitspannen in einem möglichst großen Überschuss an D2O durch Verwendung entsprechender Puffer inkubiert. Man erreicht so max. Deuteriumgehalte von 80-90% unter Austauschbedingungen. Die Inkubationszeiten in diesem Puffer liegen dabei typischerweise zwischen einigen Sekunden bis hin zu Stunden. Es ist ratsam, eine Kinetik mit zumindest 2-3 Zeitpunkten (neben den t0-Werten) auf zu nehmen. Jeder Zeitpunkt sollte für eine gewisse Statistik min. dreimal gemessen werden. Flexible ungefaltete Regionen des Proteins werden dabei sehr schnell austauschen, während in Sekundärstrukturen eingebettete oder anderweitig abgeschirmte Regionen deutlich langsamer austauschen. 

In einem "Dynamik"-Experiment mit einem Protein alleine werden so ungefaltete und hoch-flexible Regionen identifiziert, die z.B. einer Kristallisation zur Strukturaufklärung hinderlich sein könnten. Es lassen sich aber auch Bindungstaschen von Substraten und Inhibitoren oder Protein-Protein-Kontaktflächen in Komplexen bestimmen, indem z.B. der Deuterium-Einbau mit und ohne Inhibitor verglichen wird. Unterschiede deuten im Idealfall auf die Bindungstasche oder induzierte Konformationsänderungen hin.

Nach erfolgtem Austausch wird die Reaktionslösung zu definierten Zeitpunkten gequencht. Dabei wird sie schlagartig auf pH 2.5 gebracht und auf nahezu 0°C herunter gekühlt. Unter den sauren Quenchbedingungen sind nur noch wenige Proteasen aktiv. Üblicherweise wird deshalb Pepsin für einen proteolytischen Verdau verwendet. Es gibt aber auch einige wenige Alternativen. Um den ganzen Prozess möglichst schnell und automatisiert bearbeiten zu können wird die Protease auf Säulenmaterial (z.B. POROS AL 20) immobilisiert und in eine Leerkartusche gefüllt. Sie befindet sich dann über ein Schaltventil in dem chromatographischen Kreislauf. Eine separate HPLC-Pumpe versorgt diesen Kreislauf mit 0.1% Ameisensäure in Wasser. Sämtliche HPLC-Kapillaren und auch die Trap- und Trennsäulen werden dabei auf nahezu 0°C gekühlt. Entweder in einem Eisbad oder in einem entsprechenden HPLC-Modul (vgl. HDX-Manager der Firma Waters). Die Pepsin-Säule lässt sich wahlweise ebenfalls bei nahe 0°C oder bei erhöhten Temperaturen (bis RT) betreiben. Die so erzeugten peptischen Peptide gelangen auf eine Trapsäule, wo eine Festphasenextraktion stattfindet. Durch Schalten eines Mehrwege-Ventils wird die Trap-Säule schließlich in den Fluss eines Gradienten-HPLC-Systems eingeschaltet, so dass die Peptide von der Trap-Säule auf eine Chromatographie-Säule eluiert und dort chromatographisch getrennt werden. 

Leider arbeitet Pepsin relativ unspezifisch, so dass sich die entstehenden Peptide zum einen schlecht vorhersagen lassen und in sogenannten t0-Läufen in H2O-Puffer experimentell bestimmt werden müssen, es zum anderen aufgrund der Vielzahl an Peptiden und den möglichst kurzen Analysezeiten (wenig Rücktausch) zu Überlagerungen im Spektrum kommt. Als vorteilhaft erweist sich hier der Einsatz einer Ionenmobilitätstrennung in der Gasphase oder der Einsatz einer möglichst hohen Massenauflösung und -genauigkeit sowie ein möglichst schnell scannendes Massenspektrometer bzw. Data Independent Acquisition-Technologien, wie sie mittlerweile von mehreren Geräteherstellern angeboten werden.

Anhand der t0-Läufe erfolgt nun wie in der klassischen Proteomik eine Peptididentifizierung, wobei aufgrund der Unspezifität von Pepsin am besten die Einstellung "no enzyme" für die bioinformatische Analyse verwendet werden sollte um Schnitte hinter jeden einzelnen Aminosäure theoretisch zu erlauben. Da man es in der Regel nur mit einem oder sehr wenigen Proteinen zu tun hat funktioniert dies relativ gut und in einer akzeptablen Rechenzeit.
Spezialisierte Auswertesoftware (z.B. HDX-Workbench, DynamiX und HDExaminer) ordnet den identifizierten Peptiden dann geshiftete Signalserien zu. Nach einer manuellen Validierung der Daten können diese dann auf unterschiedliche Weise je nach den Erfordernissen und Fragestellungen visualisiert werden.