28.04.2022 Stellungnahme wissenschaftlicher Zentren der Universität Marburg zur Festnahme der deutschen Journalistin Marlene F. im Irak

Mit großer Bestürzung haben wir aus der Presse von der Festnahme von Marlene F. und ihrem slowenischen Kollegen Matej K. im Irak erfahren, wo beide journalistisch tätig waren.
Beide waren seit einigen Wochen im Şengal/Nordirak zu Presse- und Recherchearbeiten. Am 20.04. wurden Marlene F. und Matej K. ohne Angabe von Gründen von der irakischen Armee festgenommen. Sie werden aktuell in Bagdad festgehalten. Beide hielten sich für eine Recherche über die gesellschaftlichen Verhältnisse der ezidischen Gemeinschaft im Şengal auf und haben dazu in den letzten Wochen verschiedene zivilgesellschaftliche Institutionen besucht. Die Festnahme erfolgte auf der Rückreise vom ezidischen Neujahrsfest „Çarşema Sor“ an einem Checkpoint der irakischen Armee.

Marlene war bis vor Kurzem Studentin an der Universität Marburg, wo sie unter anderem Friedens- und Konfliktforschung studierte, und trat auch außerhalb der Universität überzeugt für feministische und friedensorientierte Forschung und Bildung ein. Sie widmet sich kontinuierlich Fragen friedvoller Lösungen von Konflikten in Europa und im Nahen und Mittleren Osten.
Die Festnahme von Marlene und ihrem Kollegen Matej erschüttert uns daher umso mehr.
Auf politischer Ebene wird die Festnahme aus verschiedenen Perspektiven als Teil der Eskalation im Rahmen der großangelegten Militäroffensive der Türkei, die am 18. April begonnen hat, eingeordnet, sowie im Kontext der sich verschärfenden Spannungen zwischen der Zentralregierung in Bagdad und den ezidischen Selbstverwaltungsstrukturen.
Als wissenschaftliche Zentren unterstreichen wir die Wichtigkeit von Pressefreiheit in Konflikten und Krisengebieten und ihre große Bedeutung für Demokratie, Frieden und die Suche nach Konfliktlösungen.

Gerade in einer Region, in der erst vor wenigen Jahren der sogenannte IS Femizide und umfassende geschlechterbasierte Gewalt verübt hat, und die heute von einer starken Frauenselbstorganisation geprägt ist, halten wir eine feministische Perspektive bei Recherchen und in der Berichterstattung für unverzichtbar.
Wir verurteilen daher die Festnahme von Marlene F. und ihrem Kollegen Matej K. aufs Schärfste und appellieren an die zuständigen Behörden, sich für ihre umgehende Freilassung einzusetzen.

In diesem Sinne unterstützen wir auch den offenen Brief an Annalena Baerbock, der dies ebenso fordert: https://freemarleneandmatej.wordpress.com/

Marburg, 28.04.2022

Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung

Centrum für Nah- und Mittelost-Studien

Zentrum für interdisziplinäre Religionsforschung

Zentrum für Konfliktforschung

Edit (11.05.): Link zur neuen (internationalen) Petition

Presselinks (Auswahl)

Marburg: https://www.op-marburg.de/Marburg/Marburg-Journalistin-im-Irak-verhaftet
https://www.op-marburg.de/Marburg/Ex-Marburgerin-im-Irak-festgenommen

Hessen: https://www.linksfraktion-hessen.de/presse/mitteilungen/detail-pressemitteilungen/news/landesregierung-muss-sich-fuer-die-im-irak-festgenommene-hessische-journalistin-einsetzen/

Deutschland: https://anfdeutsch.com/aktuelles/offenber-brief-pressefreiheit-ist-kein-luxus-freiheit-fur-marlene-und-matej-31847
https://civaka-azad.org/deutsche-journalistin-in-sengal-von-irakischer-armee-verhaftet/

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