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Marburger Wissensräume - Andreas Schübeler im Interview

Mit der Zeitmaschine durch 500 Jahre Unigeschichte

Marburger Wissensräume machen vergangene Orte wieder zugänglich 

Andreas Schübeler erforscht nicht nur historisch Gebäude, sondern arbeitet auch in einem: Im Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität koordiniert er das Digital-Forschungsprojekt „Marburger Wissensräume“. Zur 500-Jahr-Feier 2027 wird eine Webanwendung entwickelt, die die Universitätsgeschichte anhand ihrer Räume und Gebäude digital erlebbar macht – darunter auch längst zerstörte oder unzugängliche Gebäude.

Die Webanwendung kombiniert Gebäudedaten, architekturgeschichtliche Informationen und die Geschichten der Menschen, die hier lehrten, studierten und arbeiteten.

Alumni, Alumnae und Studierende sind eingeladen, unter dem angegebenen Link diese virtuellen Räume mit ihren persönlichen Anekdoten und Erinnerungen zu bereichern und das Projekt dadurch um ihre Perspektiven zu erweitern. 

https://wissensraeume.online.uni-marburg.de/de

  • 2027 wird die Uni Marburg 500 Jahre alt. Wie ist die Idee entstanden, Universitätsgeschichte in virtuellen Räumen aufleben zu lassen?

    Die Idee zu den Marburger Wissensräumen kommt von Prof. Dr. Peter Bell vom Kunstgeschichtlichen Institut. Er wollte den Gebäudebestand der Philipps-Universität einmal erfassen und die zugehörigen Daten für weitere Forschungen zur Verfügung stellen. Zusammen mit dem Marburg Center for Digital Culture and Infrastructure (MCDCI) sollten dafür verschiedene Datensätze kompiliert und auch der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Idee für eine Webanwendung, mit der alle Interessierten die Universitäts-, Wissenschafts- und universitäre Architekturgeschichte erleben können, war geboren. Die Anwendung wird die verschiedenen Gebäude, ihre Nutzung und bedeutende Persönlichkeiten interaktiv und digital präsentieren. Ziel ist es, vielfältige Medien und Datenbanken zu verknüpfen und möglichst vielen Menschen, auch denen, die nicht nach Marburg kommen können, einen lebendigen Einblick in die Historie der Universität zu ermöglichen. Das 500. Universitätsjubiläum ist ein wunderbarer Anlass, das Projekt zu präsentieren.

  • Was ist das Besondere an den „Marburger Wissensräumen“?

    Es handelt sich bei den Wissensräumen um ein interdisziplinäres Projekt. Viele Studierende sowie Lehrende der Universität beschäftigen sich im Rahmen ihrer Seminare und Abschlussarbeiten auf vielfältige Weise damit, die Wissensräume zu konstruieren und mit Informationen zu befüllen. Dabei arbeiten sie eng mit den Archiven und Sammlungen in Marburg zusammen. Das heißt, sie bringen ihr im Studium erlerntes Wissen zur Anwendung, bündeln und bereiten Information auf sensationelle Weise auf und wir alle – ob nah, ob fern – dürfen davon profitieren.

    Das Projekt besteht aus zwei digitalen Teilen:

    Ein wissenschaftlicher Teil hält die Architektur der Universität sowie ihre Geschichte digital fest. Dafür nutzen die Wissensräume die Datenbanken der Wikimedia-Familie (Wikipedia, Wiki Commons, Wikidata). Artikel, Bilder und Datensätze über Gebäude, Persönlichkeiten und auch kleinere Gegenstände wie Gerätschaften zur Forschung werden dort eingestellt, gepflegt und dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht. Ziel ist, die universitäre Geschichte auch nach dem Jubiläum für alle sichtbar und erlebbar zu machen – online, transparent und nachhaltig.

    Die Anwendungsebene macht die Inhalte in einer Webanwendung für alle zugänglich. Sie können von zuhause aus durch die Universität „navigieren“ – mit Bildern, Texten, Videos und Audiodateien. Durch Ihre Beiträge kann das Team der Marburger Wissensräume die jeweiligen Räume noch lebendiger gestalten. Bei einem physischen Besuch der Stadt soll es möglich werden, dass Inhalte direkt an den jeweiligen Gebäuden oder Orten in einer virtuellen „Wolke“ angezeigt werden. Zudem sollen spielerische Elemente integriert werden, um den Blick auf die Universität abwechslungsreich und spannend zu gestalten.

  • Welcher Raum eignet sich besonders, um das Projekt anschaulich zu machen und die Veränderung der Universität sichtbar zu machen?

    Die Universitätsbibliothek ist dafür sehr gut geeignet. Sie spielt in jedem Studierendenleben eine zentrale Rolle, war aber in verschiedenen Gebäuden beheimatet. Verschiedene Generationen assoziieren daher unterschiedliche Gebäude mit ihr. Die verlassenen Gebäude erhalten neue Aufgaben. Die Wissensräume befassen sich mit der Institution Universitätsbibliothek, schauen dabei auf alle Gebäude bis hin zum aktuellen Neubau und seinen Funktionen und Möglichkeiten. Sie betrachten aber auch die verlassenen Gebäudehüllen, aus denen die Universitätsbibliothek ausgezogen ist, sowie deren Wandel und unterschiedliche Nutzungen.

  • Einige Gebäude, wie die Frauenklinik, gibt es nicht mehr. Woher kommt das Wissen über diese Räume?

    Das Wissen über diese Räume verdanken wir den engagierten Lehrenden und Studierenden, die sich im Rahmen ihrer Forschung oder ihrer Abschlussarbeiten der Recherche gewidmet haben. Aber auch viele Mitbürgerinnen und Mitbürger helfen mit, Wissen zusammenzutragen oder einen Bau sowie Institutionen zu erforschen. Dabei greifen sie auf die Unterstützung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie aus den Fachbereichen und Fachrichtungen zurück, die sich mit ihrer Geschichte beschäftigen. In Jubiläumsschriften, auf Webseiten und in anderen historischen Dokumenten finden sich Fotos und Texte, die die Historie festhalten. 

    Zugleich sind die Wissensräume auch auf das breite Wissen der Alumni, der Universitätsgemeinschaft und der Bevölkerung angewiesen. Über ein speziell entwickeltes Webformular können alle ihre Erinnerungen, Fotos und Informationen beisteuern. So schließen wir viele Lücken. 

    Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Wissensräumen wird ergänzt durch technische Lösungen, die helfen, die historischen Inhalte zu erfassen, zu verknüpfen und digital zugänglich zu machen. Studierende und Lehrende aus verschiedenen Fachrichtungen und vielen Fachbereichen tragen aktiv zu dem Projekt bei, indem sie ihre Kenntnisse in die Entwicklung der Webanwendung, die Sammlung architektonischer Informationen, die Produktion von Videos und die Gestaltung der Inhalte einbringen. Dabei können sie ihr Wissen praktisch anwenden, mitgestalten und so direkt an der Weiterentwicklung der eigenen Zukunft wie auch der der Hochschule beteiligt sein.

  • „Wie können sich Absolventen und Absolventinnen als Zeitzeugen der Universitätsgeschichte einbringen?“

    Unser nächster Schritt ist, das Projekt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und es zu einem Citizen Science Projekt zu entwickeln. Dafür wird ein Webformular bereitgestellt, in dem alle ihr Wissen, Erlebnisse und Anekdoten zu den Wissensräumen teilen können. Es geht nicht darum, dass jeder alles wissen muss, sondern dass alle das beitragen, was sie kennen und wissen. So entsteht ein großes, vielfältiges Mosaik, das die Facetten der Universität sichtbar macht. Dieses Wissen werden wir in die Datenbanken der Wikimedia-Familie einpflegen und Inhalte für die Webanwendung aufbereiten. Ziel ist, neben den Fakten auch persönliche Geschichten und besondere Momente der Universität in die Wissensräume einzubringen.

    Ich möchte Sie, die Alumni und Alumnae, ermutigen: Erinnern Sie sich! Schmunzeln Sie! Kennen Sie einen Raum, der in Ihren Augen für Wandel und Neues steht? Haben Sie einen Raum im Sinn, der für gute oder schlechte Ereignisse in der Universitätsgeschichte steht? Wo wird die Vielfalt der Universität besonders lebendig oder auch nicht? Welche Formen von Wissen verbinden Sie mit einem Gebäude? Teilen sie prägende Ereignisse der Universitätsgeschichte anhand ihrer Orte. Übermitteln Sie uns Daten zur Bau- und Nutzungsgeschichte und/oder zum Leben in der Universität. Bitte beteiligen Sie sich zahlreich an diesem Projekt. Das Webformular ermöglicht es, Wissen, Fotos, Videos, Audios und andere Formate hochzuladen. Dieses Formular ist zugänglich und kann von Ihnen unter folgendem Link aufgerufen werden: https://wissensraeume.online.uni-marburg.de/de.

    Zusätzlich lade ich herzlich dazu ein, direkt Kontakt mit mir aufzunehmen, wenn jemand eine spezielle Idee für ein Format oder Materialien hat, die in die Wissensräume eingebunden werden sollen (wissensraeume@uni-marburg.de). Wir sind offen für alles, was das Projekt bereichert – egal, ob es um Fotos, Reden, Anekdoten oder andere Erinnerungsstücke geht. Besonders spannend sind für uns Bilder und Geschichten aus Seminaren, Vorlesungen, dem studentischen Alltag und anderen Teilen des universitären Lebens. Diese Materialien sind rar, und wir freuen uns sehr, wenn Alumni und Alumnae uns alles schicken, was sie haben. Wir schauen uns alles genau an und versuchen, es in die Datensätze und die Webanwendung zu integrieren. 

Wie wird es am Ende aussehen? 

Bildstrecke zu Vorher-Nacher-Slidern mit Marburg-Bildern

 erstellt von: Anna Gaidukevich und Georgii Astakhov;

historisches Foto: „Der ehemalige Deutschordensbereich in Marburg, 13. Februar 1903“, in Historische Bilddokumente, https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bd/id/65-026 (Stand 12.03.2021)

aktuelles Foto: Anna Gaidukevich und Georgii Astakhov.