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Vom Marburger Studenten
... zum Autor und Cartoonisten

Das Foto zeigt ein Selbstporträt des Cartoonisten Freimut Woessner.
Foto: Freimut Woessner

Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?

Romantischer Nebel über der Lahn, eine Steinbrücke, schöne Altstadt, bunte Studenten mit Säbel, die männlich gucken, legendäres Bauernfrühstück im Krug zum grünen Kranze.

Wo haben Sie damals gewohnt?

Gräßliches, hellhöriges Studentenwohnheim Am Schwanhof. Kurzes Gastspiel in Ockershausen. Originalton: „Wir Ockershäuser haben eine harte Schale, aber einen stahlharten Kern!“

Warum haben Sie gerade an der Philipps-Universität studiert?

Wegen der naturwissenschaftlichen Ausrichtung. Marburg hatte einen guten Ruf.

Warum haben Sie das Fach Psychologie gewählt?

Ich wollte dem Rätsel des Daseins auf die Spur kommen. Aus heutiger Sicht: eigene seelische Gebrechen ergründen – so wie zirka 75 Prozent aller Psychologen, auch der berufsausübenden.

Was war Ihr damaliger Berufswunsch?

Kein bestimmter. Aber auf jeden Fall ein Glück für die Menschheit, dass ich nach dem Vordiplom abgebrochen habe.

Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?

Grundversorgung Eltern, alle Jobs, die es gab, und es gab nicht viel. Bilanz nach fünf Stunden Aushilfskellner im Wirtshaus „an der Lahn?“: minus 10 Mark. Gitarre gespielt und gesungen in einer Band mit zwei Namen: „The Rabbits“ für die Normalos und „Musicmixer“ für die Verbindungen, die zwar gut bezahlten, aber frustriert waren, weil wir nicht wussten, was ein Foxtrott ist.

Was haben Sie neben dem fachlichen Wissen gelernt?

Marburger sind freundliche, tolerante Leute, die tapfer die Studentenhorden ertragen und schützend die Hand über ihre Töchter und inzwischen auch Söhne halten, weil Studenten
und Studentinnen halt auch gerne weiterziehen nach dem Studium. Außerdem: Menschenkenntnis und Gitarre.

Haben Sie sich neben dem Studium engagiert?

Nein, ein schlechter Student zu sein, ist anstrengend genug.

Was waren Ihre Lieblingsorte?

Oberstadt und immer wieder Lahn.

Was ist Ihre schönste Erinnerung?

Baden in der Lahn.

Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?

Schon als Dreikäsehoch konnte ich eine bedrohliche Situation mit einem Spruch entschärfen: Ein Onkel hatte mich auf Grund einer Missetat strafend angeschaut und ich fragte ihn: „Was glotzt Du so?“, worauf alle umstehenden bedrohlich großen Erwachsenen lachen mussten. Ein prägendes Schlüsselerlebnis von der Kraft des Humors.

Sehen Sie Ihr Studium als notwendige Voraussetzung für Ihren beruflichen Werdegang?

Ja, alles, was man macht, ist wichtig, vor allem das Falsche.

Was würden Sie als Studienanfänger heute anders machen?

Keine Ahnung, wahrscheinlich hatte alles seinen Sinn.

Sind Sie noch ab und zu in Marburg?

Leider nein.

Haben wir eine Frage vergessen?

Ja, diese: Wie hieß das oft gesungene Lieblingslied in der Blista (Blindenstudienanstalt, zwei Bandmitglieder waren von dort)? „Ich hab Bohnen in die Ohren“.

Freimut Woessner

Braucht man als Cartoonist ein wissenschaftliches Studium? Insiderwissen – egal aus welchen Sphären – ist jedenfalls vermutlich von Vorteil. Bei Freimut Woessner folgten auf einige Semester Psychologie in Saarbrücken, München und Marburg die, wie Woessner sagt, „branchenüblichen Irrungen und Wirrungen“: „Seit 1969 in Berlin. Zuerst selbständig als Taxifahrer, parallel dazu damit angefangen, Karikaturen zu zeichnen. Irgendwann war es möglich, davon zu leben. Satirische Texte für den Rundfunk. Karikaturenbücher, zuletzt „Künstler!“ bei ars momentum. Lebe mit Familie in Berlin.“ Knapper geht es kaum, und das ist wohl das A und O für einen Cartoonisten: Alles auf den Punkt zu bringen.

Text: Ellen Thun

Der Fragebogen war im Marburger Unijournal Nr. 66 aus dem Sommer 2022 abgedruckt. Das komplette Heft finden Sie hier.