Hauptinhalt

Vom Marburger Studenten zum ...
… Generalintendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses“

Foto: Sebastian Hoppe

Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?

Meine politisch stark infiltrierte, turbulente Studienzeit und Lehrzeit in der lebhaften studentengeprägten Kleinstadt mit herrlichen Kneipen.

Wo haben Sie damals gewohnt?

In der Ketzerbach und im ersten neuerbauten Marburger Studentenwohnheim.

Warum haben Sie gerade an der Phi­lipps-Universität studiert?

Alle Schwaben studierten in Tübingen, Freiburg oder Heidelberg. Ich wollte raus aus dem „Ländle“ und ging in das „hessische Tübingen“ nach Marburg und habe es nie bereut!

Warum haben Sie die Fächer Germanistik, Politikwissenschaften und Volkskunde gewählt?

Vor meinem Studium habe ich in der Akademischen Buchhandlung Rasch in der Bahnhofstraße meine Buchhändlerlehre abgeschlossen und war – berufsbedingt – schon im Kontakt mit vielen Studenten und Professoren, die mich zum Studium ermunterten.

Was war Ihr damaliger Berufs­wunsch?

Mein Berufswunsch war, bestärkt durch meine Buchhändlertätigkeit, die Vertiefung der Literatur durch das Studium von Literatur-, Kunst- und Politikwissenschaften; noch ohne konkretes Berufsziel.

Was haben Sie neben dem fachlichen Wissen gelernt?

Das damals noch mögliche, übergreifende Studium-Generale-Wissen. Außerdem das Zusammenleben und Erwachen in einer sich radikal verändernden Generation.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an die Marburger Studienzeit?

Die Aufbruchstimmung und Neuorientierung in dieser Zeit.

Was haben Sie damals in Ihrer Freizeit gemacht?

Leichtathletik als Leistungssport und Umgebungserkundungen.

Was waren Ihre Lieblingsorte in Marburg?

Meine Lieblingsbuchhandlung Rasch und die von unseren endlosen Diskussionen verquasten und vernebelten Studentenkneipen.

Haben Sie einzelne Professorinnen oder Professoren in besonderer Erinnerung?

Besonders wichtig für mich war Professor Johannes Klein, Germanistik, der mich zum Studienwechsel der Theaterwissenschaft mit einem Empfehlungsschreiben an die Universität Wien „weglobte“.  Die Vorlesungen bei Professor Heinz Maus bildeten und schärften mein politisches Bewußtsein nachhaltig, nach dem Motto: „unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“.

An was erinnern Sie sich besonders ungern?

Die Vorlesungen bei Prof. Kurt Berger, deutsche Klassik, beim sogenannten „Reichsschrifttumsberger“, die noch immer fest verankert waren im Geist nationalsozialistischer Interpretation

Haben Sie sich neben dem Studium engagiert?

Ich hatte schon während meiner Zeit in der Buchhandlung einen alle 2 Wochen stattfinden Literatur- und Theater-Lese- und Diskussionskreis mit Medizinstudenten gegründet.

Wie haben Sie Ihr Studium finanziert? (Haben Sie nebenher gejobbt? Was war das für eine Tätigkeit?)

Guter Nebenjob in der Buchhandlung Rasch.

Sehen Sie Ihr Studium als notwendige Voraussetzung für Ihren beruflichen Werdegang?

Das Studium war eine sehr wichtige, aber nicht notwendige Voraussetzung für meinen künstlerischen Theaterberufsweg.

Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie noch einmal studieren würden?

Der heutige Studienablauf ist absolut nicht vergleichbar mit dem damaligen. Nach heutigem Stand würde ich sehr wahrscheinlich eine praktische, theaterfachliche Ausbildung anstreben.

Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Marburger Kommilitoninnen und Kommilitonen?

Mit drei Medizinern, heute bereits emeritierte Professoren, aus unserem „literarischen Kreis“, habe ich noch sehr enge freundschaftliche Kontakte.

Welchen Wunsch möchten Sie heute der Philipps-Universität mit auf den Weg geben?

Möge die Philipps-Universität trotz aller Veränderungen doch weiterhin eine wahre Alma Mater bleiben.

Lebenslauf:

Zum Theater kam der 1938 in Ber­lin geborene Günther Beelitz auf Umwegen: Nach einer Ausbildung als Buchhändler und Verlagskauf­mann, studierte er zunächst von 1963 an in Marburg Germanistik, Politikwissenschaften und Volks­kunde, bevor er ein Jahr später zur Theaterwissenschaft an die Uni Wien wechselte und anschlie­ßend das renommierte Max-Rein­hardt-Seminar absolvierte. Es folgten berufliche Stationen als Chefdramaturg am Theater Dort­mund und als Künstlerischer Direk­tor am Düsseldorfer Schauspiel­haus. Von 1970 an war Beelitz dann 35 Jahre lang als Intendant tätig; zunächst in Darmstadt, danach als Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus, als Staatsintendant am Bayrischen Staatsschauspiel München und anschließend als Ge­neralintendant am Deutschen Nati­onaltheater Weimar und Intendant am Theater Heidelberg. Er arbeitete als freier Regisseur, unter anderem in Dortmund, Köln und Düsseldorf, Manila, Madrid und Shanghai, be­vor er von 2014 bis 2016 erneut als Generalintendant an das Düsseldor­fer Schauspielhaus zurückkehrte. Bis heute arbeitet Günther Beelitz als freier Regisseur unter anderem in Dortmund, Köln und Düsseldorf.

Text: Ellen Thun

Der Fragebogen war im Marburger Unijournal Nr. 68 vom Sommer 2023 abgedruckt. Das komplette Heft finden Sie hier.