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Von der Marburger Studentin
… zur Moderatorin, Comedienne und Schauspielerin

Foto: Guido Schröder
Foto: Guido Schröder

Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?

Marburg ist magisch, eine echte Märchen­stadt. Und dann auch noch die Stadt mit der höchsten Kneipendichte in ganz Deutsch­land. Außerdem ist Marburg die blinden­freundlichste Stadt Deutschlands. Diese Kombination macht Marburg einmalig.

Wo haben Sie damals gewohnt?

Eigentlich überall: In Wehrda, im Studenten­dorf, in einer WG mit Medizinstudentinnen, in einem Wohnheim in der Oberstadt…ich bin so oft umgezogen, dass ich manchmal selbst nicht mehr wusste wo ich wohne.

Warum haben Sie gerade an der Phi­lipps-Universität studiert?

Sie war die einzige Uni, an der man Geistes­wissenschaften mit dem Fach „Angewandte Grafik und Malerei“ und Medienwissen­schaften kombinieren konnte. So kam ich nach Marburg und eine tolle Zeit begann.

Warum haben Sie die Fächer Anglis­tik, Medienwissenschaften sowie Grafik und Malerei gewählt?

Ich steckte damals in einem Dilemma: Ich konnte mich bis zum Abitur nicht für ein Studienfach entscheiden. Doch dann hatte ich eine Vision: Ich wollte unbedingt Künst­lerin werden. Die Visionen meines Vaters sa­hen aber leider anders aus: Ich sollte etwas „Bodenständiges“ lernen. Also wählte ich Anglistik als Alibi und schrieb mich ganz versehentlich noch bei Grafik und Malerei ein.

Was war Ihr damaliger Berufs­wunsch?

Keine Ahnung. Danach suche ich bis heute. Vermutlich irgendwas mit Medien….

Wie haben Sie Ihr Studium finan­ziert?

Ich habe damals als Messehostess und Dol­metscherin gejobbt; und für ein Marktfor­schungsinstitut, aber das war ganz furcht­bar!

Was haben Sie neben dem fachlichen Wissen gelernt?

Wie man einen lebendigen Oktopus seziert. Das hat mir meine Freundin und Mitbewoh­nerin Ming Ling immer wieder gerne in der WG-Küche präsentiert. Und wie schön multi­kulturelles Leben sein kann, nicht nur, aber auch wegen Ming Ling.

Haben Sie sich neben dem Studium engagiert?

Neben der Gründung des Englischen Thea­ters habe ich diverse Inklusions- und Integra­tionsprojekte begleitet, unter anderem beim Merhaba-Projekt, das Studierenden mit Mi­grationshintergrund Hilfe beim Berufsein­stieg bot.

Zu welchem Thema haben Sie Ihre Examensarbeit verfasst?

„Carol Churchill und das Englische, Femini­stische Frauentheater“.

Was haben Sie in Ihrer Freizeit ge­macht?

Bogenschießen, Kanufahren an der Lahn (mehrmaliges Kentern inklusive); Kunstfilme im Rex-Kino schauen und hauptsächlich: Partys organisieren und besuchen.

Was ist Ihre schönste Erinnerung?

Karaokeabende mit Austauschstudentinnen und -studenten aus 20 Ländern. Die Grün­dung des englischen Theaters der Anglis­tischen Fakultät, bei der ich mitgewirkt ha­be. Und: Impro-Comedy in der Alten Wag­gonhalle. Ein Grundstein dafür, dass ich spä­ter bei der Comedy gelandet bin.

Was waren Ihre Lieblingsorte?

Der Spiegelslustturm bei Sonnenuntergang (bei einem Date); der Botanische Garten war ganz toll. Und sehr geliebt habe ich den Go­ckelhahn des Rathauses, sein Krähen ist ein­malig und unverwechselbar.

An was erinnern Sie sich besonders ungern?

An das Gebäude der Philologischen Fakultät. Man nennt die Fakultät ja deshalb auch zu Recht „Elefantenfüße“, weil die Gebäude von oben aussehen wie klobige, verhornte Füße. Braucht kein Mensch. Und an die enormen Höhenunterschiede innerhalb der Stadt. In der Oberstadt zu wohnen konnte ein absolu­ter Albtraum sein…wenn du mit schweren Einkaufstaschen über die Kopfsteinpflaster den Berg hoch stolpern musstest. In Marburg braucht eigentlich niemand ins Fitnessstu­dio.

Sehen Sie Ihr Studium als notwen­dige Voraussetzung für Ihren beruf­lichen Werdegang?

Nein. Hätte ich friesische Philologie studiert, wäre ich wohl trotzdem die, die ich heute bin. Aber die menschlichen Begegnungen, die haben mich nachhaltig geprägt.

Haben Sie noch Kontakt zu ehema­ligen Kommilitoninnen und Kommili­tonen?

Ja, auch wenn sie in alle Himmelsrichtungen verstreut sind. Und wir schwelgen immer noch in unseren Erinnerungen an Marburg.

Was würden Sie als Studienanfänge­rin heute anders machen?

Ich würde meine Studiengänge noch viel in­tensiver auskosten – und das Rex-Kino; ich würde mir dort in Dauerschleife Filmklassi­ker reinziehen. Gut… und vielleicht ein paar Englischvokabeln mehr lernen.

Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?

Nach einem kurzen Exkurs in der Werbe­branche bin ich als Comedyautorin und Sprecherin bei 1Live eingestiegen. Dann ha­be ich, unter anderem bei Nightwash und im Quatsch Comedy Club, meine ersten Stand-up-Nummern gespielt; später bin ich mit meinem eigenen Solo getourt und dann ins Fernsehen gewechselt.

Sind Sie noch ab und zu in Marburg?

Ja, Marburg rockt noch immer. Ich versuche, Minimum zweimal im Jahr nach Marburg zu kommen; mein Mann ist auch schon ein großer Fan.

Haben wir eine Frage vergessen?

Klar: „Können Sie auch anderen empfehlen, in Marburg zu studieren?“ Dann würde ich antworten: Ja, das darf sich niemand entge­hen lassen. Denn nirgendwo sonst kann man bessere Aufläufe essen und in einem derartig familiären und vielfältigen Umfeld studie­ren.

Meltem Kaptan:

Ihre Vielseitigkeit bewies die Comedienne und Schauspie­lerin Meltem Kaptan bereits als Studentin. 1980 als Toch­ter einer Lehrerin und eines technischen Zeichners aus Ri­ze (Türkei) in Gütersloh geboren, studierte sie in Marburg und Istanbul Anglistik, Medienwissenschaft sowie Grafik und Malerei. Außerdem absolvierte sie eine internationale Schauspiel- und Gesangsausbildung in Istanbul und Washington (USA).

Seit 2003 wirkte Kaptan in den USA in Musicalprodukti­onen und in der Türkei in diversen Kurzfilmen mit. Ihre TV-Karriere startete sie 2008 mit Auftritten in Formaten wie „Ladies Night“ und der „Bülent Ceylan Show“. Ab 2013 moderierte sie „Das große Backen“ und ging mit ihrem ei­genen Comedy-Programm auf Tournee. In der Türkei war sie 2017 als Hauptdarstellerin einer Action-Komödie er­folgreich und im deutschen Fernsehen glänzte sie in meh­reren Formaten, darunter die Erfindershow „Wie genial ist das denn?!“und die Kabarett-Sendung „Ladies Night“. Seit 2021 präsentiert sie auf VOX die tägliche Sendung „Aller­erste Sahne – Wer backt am besten?“.

Ganz aktuell ist sie auch als Schauspielerin höchst erfolgreich: Unter der Regie von Andreas Dresen drehte sie in Deutschland, den USA und der Türkei den Spielfilm „Rabi­ye Kurnaz gegen George W. Bush“. Im Februar dieses Jahres wurde sie für ihr Rolle auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die beste Schauspielleistung ausgezeichnet. Meltem Kaptan ist verheiratet und lebt in Köln.

Text: Ellen Thun

Der Fragebogen war im Marburger Unijournal Nr. 65 vom Winter 2021/22 abgedruckt. Das komplette Heft finden Sie hier.