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Projekt A1 - Neurobiologie des Vokalraums

PI: Prof. Dr. Scharinger, Prof. Dr. Cysouw
Promovierende/r: Paula Rinke

Forschungskontext

Repräsentationen auf der Lautebene sind in der Phonetik seit vielen Jahren vor dem Hintergrund der kategorialen Wahrnehmung diskutiert worden. Wenn Lautrepräsentationen kategoriale Aspekte beinhalten, stellt sich die Frage, ob dies auch Konsequenzen für die neurobiologischen Grundlagen des Vokalraums hat, die sich in zerebraler Verortung und zerebraler Verarbeitung manifestieren sollten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wie sogenannte »para«- oder »meta«-linguistuische Lauteigenschaften (z.B. Varianz in der Aussprache, dialektale und regiolektale Unterschiede, sprecherInnen-spezifische Eigenschaften) in Repräsentationen verankert sind.

Aktuelles Promotionsprojekt

Im aktuellen Promotionsprojekt liegt der Fokus auf den paralinguistischen Lauteigenschaften, die die Sprechenden charakterisieren. Diese Eigenschaften erlauben z.B. Rückschlüsse auf das Geschlecht, das Alter oder sonstige Eigenschaften der Sprechenden. In der generativen Linguistik sind diese Eigenschaften i.d.R. nicht modelliert worden. Andere Ansätze nehmen an, dass während der Spracherkennung eine sogenannte „Sprechernormalisierung“ stattfindet, die akustisch-phonetischen Unterschiede der Sprechenden zu einem bestimmten Verarbeitungszeitpunkt also aufgehoben werden. Neurolinguistische Studien legen allerdings nahe, dass die Sprecherinformation sehr früh verarbeitet wird und mit der lautbasierten Information interagiert.

Ziele

Ziel dieses Projekts ist es, Repräsentationen zu erarbeiten, die diese Interaktion von linguistischer und paralinguistischer Information berücksichtigen bzw. modellieren. Ein weiterer Aspekt ist der, ob diese Interaktion auch vom Sprachhintergrund der Sprechenden abhängt.

Methoden

In diesem Projekt kommen Methoden der Phonetik (z.B. Lautkategorisierungen, »same-different« task) sowie psycho- und neurolinguistische Methoden (z.B. Elektroenzephalographie [EEG]) zum Einsatz. Das Sprachmaterial besteht aus Vokalen, weil sie in idealerweise die Untersuchung von linguistischer (z.B. phonetische Merkmale) und paralinguistischer Information (z.B. Geschlecht) erlauben.

Vorarbeiten

  • Rinke, P. (2020). Die Verarbeitung indexikalischer Merkmale des Sprachsignals am Beispiel des Geschlechts. Master’s Thesis in Phonetics, Philipps-Universität Marburg

  • Rinke, P. (2022). Online Eye-Tracking-Studie als Alternative zum Laborexperiment: Replikationsstudie mit den Programmen Gorilla und Webgazer. Master’s Thesis in Linguistics, Cognition & Communication, Philipps-Universität Marburg

  • Rinke, P. (2021): “On the Basis of Sex”: A Study on Speaker’s Gender Recognition. Poster auf der 29th Conference of The International Association for Forensic Phonetics and Acoustics (IAFPA2021), online.

  • Rinke, P., Schmidt, T., Beier, K., Kaul, R., & Scharinger, M. (2021). Rapid pre-attentive processing of a famous speaker: Electrophysiological effects of Angela Merkel’s voice. Neuropsychologia, 173, 108312.

Bezüge zu anderen Projekten

Bezüge sind vor allem zu Projekt B1 (Dynamik phonologischer Repräsentationen im Spracherwerb) vorhanden. Die Aspekte der Interaktion von linguistischer und paralinguistischer Information betreffen außerdem den Wandel sprachlicher Repräsentationen und stellen so eine Verbindung zu C1 (Dynamik und Stabilität von Regiolektgrenzen) dar.