17.05.2021 Wer weiß was vom Schlaf?

Neues Forschungsprojekt zur Geschichte und Soziologie des „Schlafwissens“ an der JLU Gießen und der Philipps-Universität Marburg untersucht Schlaflabore und Sleeptracking

 

Das Wissen über den Schlaf ist seit der Etablierung der Schlafmedizin in den 1970er Jahren ständig gewachsen und gesellschaftlich immer wichtiger geworden. Ob Menschen ins Schlaflabor gehen oder ihr Schlafzimmer mit Gadgets und Apps selbst zum Labor machen: Längst geht es nicht mehr nur um die Diagnose und Therapie von Schlafstörungen, sondern auch darum, in einer vielfach als stressig wahrgenommenen Gesellschaft „besser“ oder auch „effizienter“ zu schlafen. Dabei spielt Wissen über den Schlaf eine entscheidende Rolle: Es scheint uns Richtlinien an die Hand zu geben, wie wir „guten Schlaf“ im Alltag organisieren und sicherstellen können.

Bisher haben sich weder Soziologinnen und Soziologen noch Historikerinnen und Historiker intensiv mit der Produktion von „Schlafwissen“ seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert beschäftigt. Prof. Dr. Hannah Ahlheim (Zeitgeschichte, JLU Gießen), Prof. Dr. Dariuš Zifonun (Sozialstrukturanalyse und Konfliktsoziologie, PU Marburg) und Prof. Dr. Nicole Zillien (Mediensoziologie, JLU Gießen) möchten diese Lücke nun schließen. Unter ihrer Leitung läuft seit Beginn dieses Jahres das von der DFG geförderte interdisziplinäre Projekt „Schlafwissen. Zur Wissensgenerierung in Schlaflabor und Sleeptracking“. Die Studie soll analysieren, auf welche Weise Wissen über den Schlaf Geltung erlangt und wie es den Alltag von Menschen verändert.

Das Projekt besteht aus drei Teilstudien, die in enger Kooperation mit Schlaflaboren in Marburg, Zürich und Berlin durchgeführt werden: Die Analyse der Wissensgenerierung (a) im Schlaflabor seit den 1970er Jahren stützt sich auf die in den kooperierenden Schlaflaboren erhaltenen Unterlagen, zeitgenössische Fachpublikationen sowie Interviews mit Schlafforscherinnen und Schlafforschern. Diese historische Analyse wird kombiniert mit der (b) soziologischen Untersuchung des heutigen Schlaflabors, die mit Hilfe der (Video-)Ethnographie auf die Wissensherstellung in der Experten-Laien-Interaktion blickt. Diese beiden Analysen zum Schlaflabor werden weiterhin mit der (c) soziologischen Untersuchung des Sleeptrackings per App oder Gadget kontrastiert, die Forendiskussionen, Blogbeiträge und Video-Vorträge zur digitalen Selbstvermessung auswertet.

Das Gesamtprojekt leistet einen Beitrag zum besseren Verständnis einer Gesellschaft, deren Alltagsleben wissenschaftliches Orientierungswissen erfordert, weil alte Gewissheiten ihre Selbstverständlichkeit verloren haben. Die Kombination zeithistorischer und soziologischer Ansätze ermöglicht es, Debatten zum Begriff des Wissens und zur Geschichte des modernen Subjekts interdisziplinär zusammenzubringen.

 

Weitere Informationen

www.schlafwissen.net

 

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