Hauptinhalt

Die aktive Fachschaft Soziologie

Interviews* der Fachschaft mit Lehrenden des Instituts für Soziologie

(*Die Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnungen von Annika Witt)

  • Constanze Erhard ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AG Allgemeine Soziologie

    Constanze Erhard ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie. Ihr Schwerpunkt sind die soziologischen Theorien und in diesem Bereich bewegt sich auch ihr Dissertationsthema: Welche gesellschaftlichen Sehnsüchte, Wünsche und Vorstellungen mit dem Thema Sexroboter sichtbar werden und wie dies aus einer feministischen Perspektive betrachtet werden kann. Ihr ist es wichtig zu betonen, dass ein Quereinstieg in die Soziologie möglich ist, denn sie hat im Bachelor Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Studierende im ersten Semester lernen sie als Übungsleiterin in der Vorlesung der Soziologischen Theorien kennen. (Das Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnung von Annika Witt)

    Guten Tag Frau Erhard. Wir steigen direkt ein. Können Sie uns in drei Sätzen definieren, was Soziologie für Sie ist?

    Grundsätzlich sehe ich alles als soziologisch, was ein Nachdenken über Gesellschaft beinhaltet, mit dem Anspruch sich nicht mit dem Status quo abzufinden. Sondern diesen zu hinterfragen und, wenn es gute Gründe gibt, nach Alternativen zu suchen. Aufgrund meiner Sozialisation in der politischen Theorie lässt sich in dieser Frage ein politischer Impetus erkennen. 

     

    Sie sprechen in gendergerechter Sprache, was viele andere Lehrende nicht tun. Warum empfinden Sie gendergerechte Sprache auch/vor allem in der gesprochenen Sprache als wichtig?

    Gerade in gesprochener Sprache ist es wichtig, um aufzuzeigen, dass Sprache nicht neutral ist und gendergerechte Sprache möglich ist. Früher habe ich mich nämlich auch von dem Argument überzeugen lassen, dass Gendern so kompliziert, ja unmöglich auszusprechen sei. Jedoch bin ich im Studium auf Menschen gestoßen, die das wie selbstverständlich getan haben. Und plötzlich war das Argument nicht mehr haltbar. Man zeigt also, dass gendergerecht sprechen möglich ist, auch wenn es ein bisschen Mitdenken braucht, und man zeigt, dass Sprache nichts ist, was abseits von der Gesellschaft operiert. Sprache ist nie neutral. Was natürlich gesagt werden muss, ist, dass Gendern nie eine abgeschlossene Idealform des Umgangs mit Sprache darstellt, das ist aber auch gar nicht der Anspruch; der Anspruch ist Sprache gerechter zu gestalten. 

    Welche Argumente könnten auch Anfänger*innen bezüglich der gendergerechten Sprache interessieren?

    An was denkt man, wenn man den Begriff Ärztekongress hört? Das Wort Arzt ist kein neutrales Wort, sondern legt ein bestimmtes Geschlecht nahe. Der Sekretär ist ein Möbelstück, und die Sekretärin ist ein Beruf - ein weiblich konnotierter Beruf. Sprache sollte auf ihre eigene Voreingenommenheit aufmerksam machen, was sie mit gendergerechter Sprache tun kann. Eine Vorannahme wäre beispielsweise Zweigeschlechtlichkeit, die sich mit Sprache auch nicht unbedingt auflösen lässt. Wenn wir von Anfänger*innen sprechen, ist zwar die Pause drinnen, aber ich kann jetzt nicht unbedingt wörtlich formulieren, ob ich jetzt das Gendersternchen meine oder das Binnen-I. Es zeigt aber auf jeden Fall, dass es mehr gibt als nur der Anfänger.

    In welcher Form gendern Sie am liebsten?

    Ich verwende das Gender-Sternchen, da ich beispielsweise das Gender-Gap nicht so cool finde. Die Gap signalisiert irgendwie, dass es zwei Extreme gibt – Männlich und Weiblich – , die erhöht liegen und dass diese die Ideale seien. Alles, was zwischen den Extremen liegt, scheint untergestellt und unwichtiger. Das lässt sich bei dem Gender-Sternchen etwas auflösen, denn dieses liefert eher einen Wink, eine Art Hinweis, dass es noch andere gibt, aber ohne diese unterschwellige Hierarchisierung. Beispielsweise kann man das Gender-Sternchen egal wo im Wort platzieren, es muss also nicht unbedingt zwischen der männlich und weiblich konnotierten Endung stehen. Nur leider variiert die Position in der Realität nicht oft.

    Sie haben zwei Bachelor absolviert – Politikwissenschaft und Geschichte. Würden Sie es empfehlen zwei Bachelor parallel zu studieren?

    Ich würde es fast empfehlen (lacht) – also es kommt auf den individuellen Fall an. Ich würde aber auf jeden Fall stark empfehlen zwischendurch inne zu halten und zu überlegen: Was interessiert mich? Den zweiten Bachelor zu absolvieren, war für meine Person sinnvoll, um über den Tellerrand zu schauen. Ich war immer sehr versteift auf Politikwissenschaften und konnte mir vor meinem Studium nichts passenderes vorstellen. Dann bin ich über Umwege zur Soziologie gekommen, weil ich etwas zu spät realisiert habe, dass es noch mehr als ein interessantes Fach gibt. Aber natürlich passt der Weg des zweiten Bachelors nicht für alle Menschen, da es einfach mehr Arbeit ist. Und studieren außerhalb der Regelstudienzeit ist gesellschaftlich kritisch beäugt, kann sogar zu Problemen bezüglich der Studienfinanzierung führen. Trotzdem sollte man sich vor und während des Studiums immer wieder unterschiedliche Studiengänge anschauen, mit Studis aus anderen Fächern sprechen, auch mit Studis vom selben Fach an anderen Unis und in der Bibliothek rumstöbern. Vor allem sollte man - soweit es möglich ist -, sich nicht von Regelstudienzeiten beeindrucken lassen.

    Viele Studierenden, die Ihr Seminar besuchen sind erst im zweiten Semester und wissen noch nicht viel übers wissenschaftliche Arbeiten. Was macht für Sie eine gute Hausarbeit für Sie aus?

    Die wissenschaftliche Überprüfbarkeit, wie es in der Einführungsveranstaltung gelehrt wurde, sollte sich früh eingeprägt werden. Das ist dann beispielsweise wissenschaftliches Zitieren und korrektes Belegen. Wichtig ist es auch sich gründlich mit der Fragestellung und These auseinanderzusetzen, damit sich daraus ein sinnvoller Aufbau konstituieren kann. Trotz allem ist das persönliche Erkenntnisinteresse auschlaggebend, jedenfalls in meiner Empfindung. Wenn Sie nämlich über etwas schreiben, was Sie wirklich interessiert, dann schreiben Sie auch viel bessere Arbeiten.

    Zum Schluss wünschen wir uns, dass Sie den Lesenden zwei Lektüren empfehlen – eine private und eine soziologische.

    Meine soziologischen Lektüren wäre Die feinen Unterschiede von Pierre Bourdieu, oder von Donna Haraway das Cyborg Manifesto – je nachdem, wenn Sie mich fragen, ob ich Lektüre für die Erstsemestler Studis oder für Fortgeschrittenere empfehlen soll. Und privat hat mich Der Report der Magd von Margaret Atwood beeindruckt und natürlich Jazz von Toni Morrison. Ich konnte mich zwischen den Lektüren einfach nicht entscheiden (lacht).

  • Antje Röder ist Professorin für Methoden der empirischen Sozialforschung

    Antje Röder ist seit 2016 Professorin für Methoden der empirischen Sozialforschung am Institut für Soziologie in Marburg. Sie beschreibt Ihren Aufgabenbereich als dreigeteilt und umfangreich, sodass sie über die Frage nach einer 40 Stunden Woche nur schmunzeln kann. Selbstverwaltung ist der erste Teil, das ist beispielsweise Gremienarbeit oder der Posten der Geschäftsführenden Direktorin, den sie bis Ende des Sommersemesters 2020 noch innehat. Am liebsten beschäftigt sie sich jedoch mit den anderen Teilaspekten ihrer Arbeit: Lehre und Forschung. Die Studierenden im ersten Semester werden sie als Professorin für Statistik und Methoden kennenlernen, mit Ausnahme des Wintersemesters 2020/2021, da sie hier ihr Forschungssemester antritt. (Das Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnung von Annika Witt)

    Guten Tag, Frau Röder. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu reden. Wir würden direkt mit einer die Soziologie betreffenden Frage anfangen. Können Sie uns in drei Sätzen definieren, was Soziologie für Sie ist?

    Gar nicht so einfach (lacht), das wäre so eine klassische Klausurfrage. Als Definition im Allgemeinen würde ich auf Weber zurückgreifen: Soziologie ist eine Wissenschaft, die soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen ursächlich erklären will. Das erfasst es ganz gut. Allerdings ist mein Schwerpunkt in den Methoden, daher steht für mich der Aspekt im Mittelpunkt, dass es sich um eine empirische Erfahrungswissenschaft handelt. Sprich, mich interessiert insbesondere diese Verbindung zwischen Theorie und Empirie. Was man noch anfügen kann, ist, dass Soziologie meines Wissens eine der vielfältigsten Disziplinen ist. Sowohl bezogen auf ihre Gegenstandsbereiche – man kann sich ja für ganz unterschiedliche Themen mit dem soziologischen Blick interessieren – als auch in Bezug auf die angewendeten Methoden. Das ist nicht selbstverständlich. Das waren jetzt definitiv mehr als drei Sätze (lacht).

    Ja (lacht ebenfalls) – war aber aufschlussreich, das passt schon.

    Bleiben wir beim Thema Ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung. Wie sind Sie zu Ihrem Forschungsschwerpunkt der Migration gekommen?

    Ich würde sagen, dass das etwas durch Zufall passiert ist. Meine Promotion habe ich im Jahre 2007 angefangen - da hatte ich gerade meinen Master abgeschlossen und mich nach Promotionsstipendien umgeschaut. Das war kurz nach der Zeit als die EU-Ost-Erweiterung stattgefunden hat. 2004 war ja diese große Erweiterung, wo 10 neue Mitgliedsstaaten in die EU aufgenommen wurden. Da gab es dann eine große Migration von Ost nach West. Irland war zu dieser Zeit eines der Länder, welches die meisten Migranten*innen aufgenommen hat, insbesondere proportional zu seiner Größe. Das war dann einfach ein großes Thema. Die Migrationsforschung hatte einen kleinen Boom. Wie hier 2015, gab es auf einmal viele Projektförderungen diesbezüglich und das hat sich dann angeboten. Und natürlich hat meine eigene Erfahrung als de facto Migrantin mit reingespielt, dass ich diesen Prozess generell interessant fand – das kam alles so ein bisschen zusammen, würde ich sagen. Aber es war jetzt nicht so, dass ich den Schwerpunkt schon im Masterstudium hatte, da habe ich mich eher auf Methoden spezialisiert.

    Und stimmt es, dass Sie noch ein sogenanntes Postgraduate Diploma in Teaching and Learning am Trinity College in Dublin absolvierten? Wenn ja, warum?

    Das war tatsächlich eine Zusatzqualifikation. Wir waren glaube ich die erste Kohorte, die das machen konnte am Trinity College. Diese Ausbildung war speziell für Leute gedacht, die schon an der Universität arbeiten und sich weiterbilden wollten. Das Problem ist nämlich, dass wir in unserer ganzen wissenschaftlichen Karriere bis zu dem Punkt der tatsächlichen Lehre, nie das Lehren an sich beigebracht bekamen. Man forscht und das ist auch der Weg, auf dem man sich da qualifiziert. Als Tutorin hatte ich natürlich schon gearbeitet, aber ansonsten hatte ich keine Erfahrungen in der Lehre sammeln können. Deswegen wollte ich diese Zusatzausbildung machen und habe das dann Teilzeit mitgemacht, neben meinem Job her. Die Idee dahinter ist einfach, dass man die universitäre Lehre professionalisieren möchte. Das sieht man inzwischen aber auch öfter. Beispielsweise kann man auch in Marburg ein Zertifikat für Hochschuldidaktik machen.

    Teil Ihrer Aufgabe als Professorin ist es, die Lehrpläne zu erstellen. Dürfen Sie diese komplett frei gestalten? Oder kann man sich das so vorstellen, wie in der Schule, dass es konkrete Themen gibt, die bearbeitet werden müssen?

    Eigentlich können wir die Lehrpläne sehr frei erstellen. Wir als Professorinnen haben ja sowieso die Freiheit in Forschung und Lehre. Sprich, ich kann mich dahinstellen und alles Mögliche erzählen (lacht). Aber natürlich hat man bestimmte professionelle Standards. In der Soziologie gibt es schon einen gewissen Konsens darüber, was dazu gehört. Wenn Sie mal schauen, was in den verschiedenen Universitäten angeboten wird, dann sehen Sie, dass die grundsätzlichen Eckpfeiler praktisch immer Methoden, Theorien und meist Sozialstrukturanalyse sind. Es gibt ja für die Soziologie auch die DGS (Deutsche Gesellschaft für Soziologie), die immer mal wieder hierzu Diskussionen geführt hat. Also da gibt es schon gewisse Abstimmungsprozesse, die jedoch nicht verpflichtend sind. Das können sie auch nicht sein, weil wir eben diese Freiheit in der Lehre haben sollen. Außerdem ist die Soziologie kein Fach, wo es zum Schluss ein Staatsexamen oder etwas Ähnliches gibt. Dennoch existiert vor allem im Methoden- und Theoriebereich ein relativ starker Konsens bezüglich dem, was zu den grundlegenden Themen dazugehört. Nur wie man das genau ausgestaltet oder wo man besondere Schwerpunkte setzt, das variiert. Was zum Beispiel in Marburg speziell ist, sind die Lehrforschungsprojekte – das ist nicht überall Teil eines B.A. Studiums.

    Sie haben mir für die Einleitung einiges über Ihre Aufgabenfelder erzählt. Da kommen Sie doch sicher auf über 40 Stunden in der Woche?

    Ja, ziemlich sicher (lacht). Also ich muss dazu sagen, dass ich ein Kleinkind habe und mein Arbeitstag dadurch eine klare Begrenzung nach hinten hat. Das war früher nicht so. Jetzt ist irgendwann am Ende des Tages Schluss - das geht nicht anders und ich will es auch nicht anders. Es ist, glaube ich, schwierig so eine Stelle mit strikten 40 Stunden die Woche auszufüllen. Ich glaube sogar, dass man als Beamtin 42 Stunden im Vertrag stehen hat. Da schaut nur niemand drauf, weil man diesen Job einfach nicht nach Stechuhr machen kann. Wobei man dazusagen muss, dass es Aufgaben gibt, die ich nicht als Arbeit sehe, weil sie einfach Spaß machen. Auf einer Konferenz zu sein, ist eigentlich Arbeitszeit, gleichzeitig mache ich das auch sehr gerne. Ich freue mich dann, die Gelegenheit zu haben, mich auszutauschen – es kann ja zum Beispiel sein, dass man am Samstag auf einem Workshop ist, das passiert halt. Von daher ist es auch sehr schwer die eigene Arbeitszeit so genau zu begrenzen. Ich würde auch behaupten, dass die allermeisten mehr als ihr absolutes Muss tun.

    Ihre Aufgaben sind in drei Bereiche eingeteilt: Selbstverwaltung, Lehre und Forschung. Welcher Teil davon gefällt Ihnen am meisten?

    Selbstverwaltung wahrscheinlich nicht (lacht), muss halt, ich finde es auch okay. Ich empfinde es als wichtig, dass die Selbstverwaltung gut gemacht ist, deswegen stecke ich da schon viel Zeit rein – da hängt einfach so viel dran. Und es ist natürlich auch ein Privileg, dass wir das ganze Mitspracherecht haben, das ist nicht selbstverständlich. Nicht an allen Unis und in allen Ländern ist das so. Also es ist wichtig, aber im Detail nicht das, was einem am meisten Spaß bringt.  Zwischen Forschung und Lehre würde ich nicht behaupten eine klare Präferenz zu haben, weil das irgendwie zusammengehört. Sprich, ich möchte ja das, was ich in der Forschung herausfinde, auch vermitteln. Im Gegenzug ist es immer wieder interessant, wie Studierende auf Themen blicken und manchmal Fragen stellen, die einen dann wieder selbst ins Überlegen bringen. Die eigene Forschung ist oft hochspezialisiert und für ein sehr spezielles Fachpublikum. Artikel, die ich in Fachzeitschriften veröffentliche, die interessieren bestimmte Leute. Die Herausforderung, zu vermitteln, was die wichtigen Punkte dieser hochspezialisierten Themen sind, das empfinde ich als einen ganz wichtigen Teil. Also, wenn ich es mir aussuchen würde, dann würde ich nicht sagen, dass ich nur eins von beiden machen würde. Klar, es bleibt oft nicht genug Zeit übrig fürs Forschen, daher wünsche ich mir schon manchmal, dass ich dafür mehr Zeit hätte. Aber ich würde das nicht auf Kosten der Lehre machen wollen.

    Zum Schluss wünschen wir uns, dass Sie den Lesenden zwei Lektüren empfehlen – eine private und eine soziologische.

    Also was Soziologisches: da fallen mir natürlich viele ein, aber ich werde jetzt kein Methoden Buch empfehlen, die kennen ja die meisten aus meinen Vorlesungen. Was ich wirklich gut finde, wenn man sich in die Migrationsforschung reinlesen will, ist The Age of Migration von Stephen Castles und Mark J. Miller. Das Buch ist sehr gut lesbar und gibt eine Übersicht über verschiedene Themen, die im Bereich Migration interessant sind, ist auch schon soziologisch, aber auch sehr interdisziplinär. Privat lese ich momentan Prisoners of Geography von Tim Marshall.  Das Buch setzt sich mit geopolitischen Bezügen auseinander. Ich muss jedoch zugeben, dass ich nur langsam vorankomme. Denn das Corona-Semester hat uns, glaube ich, allen viel Energie und Zeit abverlangt, sodass für private Lektüre tatsächlich sehr, sehr wenig Platz war. Beziehungsweise meine private Lektüre: ich schaue hier gerade auf einen Stapel Kinderbücher, das ist dann eher das, was ich so in meiner Freizeit lese, was natürlich auch eine schöne Abwechslung ist

  • Martin Schröder war Professor für Wirtschaftssoziologie

    Martin Schröder war bis Ende 2023 als Professor für Wirtschaftssoziologie in Marburg und begleitet die Vorlesung Wirtschaft, Arbeit und Geschlecht. Für die höheren Semester veranstaltet er zur Vorlesung gehörende Seminare. Darüber hinaus forscht er an unterschiedlichen Themen, aber immer empirisch, weil er seine Theorien gerne mit Daten belegt. Er beschreibt sich selbst als mittlerweile eher quantitativ arbeitend. (Das Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnung von Annika Witt)

    Guten Tag Herr Schröder. Uns würde Ihre persönliche Definition von Soziologie interessieren. Haben Sie eine und könnten Sie diese in drei Sätzen formulieren?

    Da habe ich jetzt auch keine herausragende oder besonders interessante Definition: Es geht einfach darum, wie Gesellschaften funktionieren. Das ist es im Endeffekt auch schon.

    Sie haben einige Bücher veröffentlicht. Welches finden Sie besonders gelungen und warum?

    Bücher veröffentlicht man aus unterschiedlichen Gründen. Bevor ich diese Lebenszeitstelle hatte, habe ich Bücher vor allem geschrieben, um Fragen anderer Wissenschaftler zu beantworten. Das sind dann teils sehr spezielle Themen. Doch die letzten beiden Bücher waren auch für ganz normale Menschen, also keine Sozialwissenschaftler. Ist natürlich etwas blöd, wenn ich auf Ihre Frage hin sage, warum meine unterschiedlichen Bücher toll sind, denn Eigenlob stinkt ja bekanntlich. Sagen wir deswegen lieber, ich habe damit jeweils verschiedene Ziele verfolgt. Mit dem Buch Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden, wollte ich zeigen, dass die Welt messbar in fast jeder Hinsicht besser wird. Mit dem Buch Wann sind wir wirklich zufrieden? wollte ich zeigen, unter welchen Umständen Menschen mit ihrem Leben messbar zufrieden sind. Ich hoffe, dass das einen konkreten Nutzen für Menschen hat, nicht mal in erster Linie als Ratgeber, eher als Grundlage, um sich seine eigene Meinung zu bilden.

    Wenn Sie das Buch Wann sind wir wirklich zufrieden? schon ansprechen, würden wir Ihnen die Frage gerne etwas abgeändert zurückgeben. Was bedeutet Zufriedenheit für Sie persönlich?

    Da gibt es unterschiedliche Situationen: Freitagabend nach drei Bieren kann ich ziemlich zufrieden sein. Ansonsten gibt es ein bekanntes Konzept namens Flow. Flow entsteht, wenn ich eine Arbeit mache, die mich nicht unterfordert, aber die mich auch nicht völlig überfordert. Sie fordert also alle meine Fähigkeiten, sodass ich nicht an anderes denken kann und auf einmal denke ich: Ups, sind gerade drei Stunden vergangen? Wenn das passiert, ist es ein Gefühl von Zufriedenheit. Es geht darum, in einer Tätigkeit aufzugehen: Das kann Arbeit sein, aber beispielsweise auch Skifahren. Dass ich in einer Tätigkeit so sehr aufgehe, dass ich die Zeit vergesse, ist für mich eine ganz gute Vorstellung von Zufriedenheit.

    In welchen Tätigkeiten gehen Sie völlig auf?

    Ich denke ja nicht ständig: Oh Gott, was ist mit den letzten vier Stunden passiert? Dann würde man sich eher fragen, welche Substanzen ich konsumiere. Aber es ist schon oft Arbeit, in der ich aufgehe. Ich mache den Job nicht hauptsächlich für die Lehrtätigkeit, aber wenn ich dann einmal drinnen bin in der Vorlesung, dann ist es schon dieses Gefühl von Zeit, die im Flug vergeht. Und da ich auch ein kommunikativer Typ bin, passiert mir das auch oft am Telefon und generell bei interessanten Gesprächen. Aber auch wenn ich an Stata sitze und einen Code schreibe, um zu einem Ergebnis zu kommen, da passiert das eigentlich am intensivsten.

    Ihre Website auf der Seite der Universität Marburg unterscheidet sich sehr von denen andere Lehrender an der Uni: Sie beschreiben in der Ich-Perspektive Ihre Publikationen. Wieso haben Sie Ihre Website so ausführlich und strukturiert gestaltet?

    Mittlerweile habe ich sogar eine richtige, eigene Website: martinschroeder.de. Erstmal finde ich es wichtig, dass das, was man macht, allgemein verständlich und transparent ist. Bei mir hat das aber noch einen zweiten Hintergrund, weswegen ich auch die zweite Website habe: Mittlerweile fragen viele Zeitungen, Fernsehsender oder Veranstalter bei mir an, ob ich meine Forschungsergebnisse präsentieren könnte. Das finde ich schön, denn von meiner Forschung sollen nicht nur andere Wissenschaftler*innen mit der gleichen Spezialisierung erfahren. Darum sollen auch normale Leute meinen Namen googlen können und sich einen Überblick über mein Tun und meine Themen verschaffen können.

    Sie sind in der Welt der Universitäten sehr herum gekommen. Würden Sie sagen, dass sich die Arten zu Lehren in den unterschiedlichen Ländern unterscheiden?

    Ja, total. Als ich in Osnabrück angefangen habe, hatte ich immer das Problem, dass weniger die Fakten gelernt werden sollten, als wir unsere Meinung runterrattern sollten. Das hat mich gestört. Denn ich habe zwar nichts gegen Diskutieren, aber man muss ja erstmal die Daten und Theorien kennen, um dann eine vernünftige Meinung äußern zu können. Das ging mir einfach zu sehr nach der Logik: Wir diskutieren hier jetzt einfach mal, obwohl wir alle keine Ahnung haben. In Spanien und Frankreich war es das genaue Gegenteil: hier diktiert der*den Professor*in etwas und wir sollten es nur mitschreiben. In Klausuren war es dann auch nicht das Verstehen, was Priorität hatte, sondern da sollte einfach beschrieben werden, was vorher auswendig gelernt wurde. Das fand ich ebenfalls furchtbar. In meiner eigenen Lehre versuche ich deswegen einen Mittelweg zu finden. Ich schmeiße Leute raus, die die Texte nicht lesen. Aber unter den Übriggebliebenen besprechen wir dann das Gelesene und diskutieren meist sehr produktiv.

    Wer sich mit Ihrer Arbeit befasst, fragt sich vielleicht, ob Sie sich bewusst kontroverse Themen aussuchen. Oder finden diese Themen Sie?

    Ich sitze nicht herum, reibe mir die Hände und suche mir Themen, die andere Leute doof finden. Aber ich halte es einfach nicht für sinnvoll, Sachen herauszufinden, die sowieso schon alle vermutet haben. Daher suche ich mir Sachaspekte, die Menschen nicht schon vorher erwartet haben und diese Leute, die ihre Erwartungen bereits verfestigt haben, die mache ich mir dann natürlich nicht zu Freunden. Ich suche mir also bewusst Themen, zu denen es Menschen gibt, die das anders sehen. So entsteht nach meinem Dafürhalten wissenschaftlicher Fortschritt.

    Zum Schluss wünschen wir uns, dass Sie den Lesenden zwei Lektüren empfehlen – eine private und eine soziologische.

    Ein Buch, was ich vor kurzem super fand, ist Black Out. Da fällt aufgrund einer Manipulation der Strom aus und innerhalb einer Woche herrscht Anarchie. Das ist ein Roman, der ist natürlicher zugespitzt. Trotzdem dachte ich mir: Stimmt, alleine dadurch, dass der Strom ausfällt, könnten die Menschen sich innerhalb von sieben Tagen an die Gurgel gehen und alles kann auf einmal furchtbar werden. Das war jedenfalls ein Buch, dass ich verschlungen habe und nicht aufhören konnte zu lesen. Wenn jemand sagt, dass er kein Soziologe ist, aber mal ein einziges soziologisches Buch lesen will, das zwar etwas interessant ist und auch einen überraschenden Inhalt hat, das man aber auch am Strand lesen kann, dann würde ich sagen: Steven Pinkers The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined von 2011. Da zeigt Steven Pinker, dass Gewalt, egal wie man sie misst, in jeder Hinsicht zurück geht. Ein cooles Buch, dicker Wälzer, aber im Unterschied zu vielen Büchern auch ein Buch, das man wirklich gut lesen kann. Steven Pinker ist so eine Art Gott für mich (lacht). Bei vielen Autoren kann man ja entweder Witz oder Ernsthaftigkeit vorfinden. Pinker schreibt witzig – man lacht so einmal pro Seite, weil er etwas so genial erklärt - andererseits ist er einer der wichtigsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und diese Kombination ist ziemlich selten.

  • Jan Gerd Wilkens war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Allgemeine Soziologie

    Jan Gerd Wilkens war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Soziologische Theorien und begrüßt die Studierenden des ersten Semesters jedes Jahr in seiner Vorlesung zur Einführung in den B.A. Soziologie und in das wissenschaftliche Arbeiten. Ansonsten beschäftigt er sich in der Lehre mit der Konfliktforschung, mit Erinnerungstheorien und Marxistischen Theorien; letztere haben in Marburg eine gewisse Tradition, so Wilkens. Darüber hinaus schreibt er an seiner Promotion. (Das Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnung von Annika Witt)

    Guten Tag Herr Wilkens. Wir treffen Sie jetzt vor 18 Uhr, so wie gewünscht. Inwiefern empfinden Sie es als wichtig, sich persönliche Grenzen bezüglich Ihrer Arbeit und Ihres privaten Lebens zu setzen?

    Ich finde das sehr wichtig, auch wenn das natürlich eine Frage persönlicher Präferenzen ist. Wenn man wissenschaftlich arbeitet, ist es gar nicht so leicht, zwischen beruflichem und privatem Leben Grenzen zu ziehen. Denn man denkt ja immer über die Themen nach, die in Vorträgen, Diskussionen oder anderen Veranstaltungen diskutiert werden oder zu denen man gerade arbeitet. Vor allem ist das der Fall, wenn man von den Themen andauernd umgeben ist. Wir beschäftigen uns alle mit Soziologie und die Gesellschaft, unser – im weitesten Sinne – gemeinsames Forschungsobjekt, umgibt uns ja in jeder Situation. Das ist die eine Sache, die andere ist, dass das wissenschaftliche Arbeiten sehr viel Spaß bringt und irgendwo auch eine Art Hobby ist. Da darf man nicht vergessen, dass es eben auch Arbeit ist, wovon zumindest ich ab und zu eine Pause benötige.

    Außerdem kann man gerade in Marburg Arbeit und Freizeit nicht perfekt trennen: Marburg ist eine kleine Stadt, daher trifft man doch immer wieder Menschen aus dem Uni-Kontext. Und ich finde, dass auch Sie als Studierende ein Anrecht darauf haben, in Ruhe gelassen zu werden. Außerhalb der Universität gehe ich nicht auf Sie zu und erzähle Ihnen, wie ich Ihre Hausarbeit benotet habe. Das wollen Sie zum Beispiel  abends in einer Kneipe gar nicht hören. Andersherum finde ich es wichtig, als Lehrender nachts um 12 nicht auf die Hausarbeit angesprochen zu werden. Da möchte ich auch einfach mein Bier genießen.

    Es geht weiter mit einer die Soziologie betreffenden Frage. Können Sie uns in drei Sätzen definieren, was Soziologie für Sie bedeutet?

    Reicht auch ein Satz?

    Ja.

    Ich verwende diesen Satz auch immer in meiner Vorlesung und finde, dass das die schönste Soziologiedefinition ist. Sam Richards sagt: „Sociology is the study of the way in which human beings are shaped by things that they don’t see.”

    Sie beschäftigen sich unter anderem mit marxistischen Theorien. Können Sie uns die Tradition erklären, die diese in Marburg hat?

    Marburg war sehr lange eine sehr konservative Universität und ist in den 60er Jahren sozusagen zum Roten Marburg geworden. Als ich meinem damaligen Politiklehrer erzählte, wo ich anfangen werde zu studieren, sagte er: „Oh Gott, du gehst ins rote Marburg.“ Das zog sich fast durch den ganzen Fachbereich, da er doch überwiegend ein linksorientierter Fachbereich ist beziehungsweise war. Wichtige Personen sind zum Beispiel Wolfgang Abendroth, Frank Deppe oder auch Dieter Boris, um ein paar zu nennen. Das hat sich mit den Jahren jedoch auch stark entschärft.

    Sie haben Ihren Bachelor und Ihren Master in Marburg am Fachbereich 03 gemacht, kennen diesen Fachbereich dementsprechend gut. Gibt es noch etwas, was für Sie den Fachbereich besonders macht?

    Was den Fachbereich insbesondere ausmacht, ist die sehr große Vielfalt an Fächern, die man kombinieren kann. So können die Studierenden ihre Blickwinkel erweitern. Ich habe ja im Hauptfach meines Bachelors Kultur- und Sozialanthropologie studiert und die Verbindung zur Soziologie aufzubauen, war dann ganz spannend.

    Sie haben gemeinsam mit Dr. Alexandra Lutz eine Ausstellung über den Nationalsozialismus im Museum Oberrosphe erstellt. Wie kann einem Soziologie dabei helfen, so etwas auf die Beine zu stellen?

    Soziologie hilft, die Frage zu beantworten: Wie komme ich an die Informationen heran, die ich brauche, um eine Ausstellung zu erstellen? Wir haben alle ein Allgemeinwissen über den Nationalsozialismus. Nur über die konkreten Ereignisse dort vor Ort lernt man nichts in der Schule. Wie der NS hier war, das habe ich nicht genau gewusst. Das erste, was man dafür beantworten können muss, ist also: Wie finde ich die Quellen? Wie recherchiere ich? Wie gehe ich mit Datenbanken um? Die nächste Frage ist dann: Wie spreche ich mit den Menschen, die die NS-Zeit noch miterlebt haben, damit ich an nützliche Informationen komme? Anschließend gilt es, die Daten auszuwerten und in eine sinnvolle „Erzählung“ einzubetten, wonach dann die Ausstellung gestaltet wird.

    Zum Schluss wünschen wir uns, dass Sie den Lesenden zwei Lektüren empfehlen – eine private und eine soziologische.

    Eine Frage nach einem Buch ist immer schwierig zu beantworten. Ich könnte viele Bücher empfehlen. Allerdings habe ich mich für eines in der Soziologie etwas ungewöhnliches Buch entschieden: der Sammelbad Collège de Sociologie von Denis Hollier, in dem er wichtige Texte der Gründern dieses Collèges veröffentlicht hat. Das Collège existierte von 1937 bis 1939 und hat versucht, eine andere Soziologie zu entwickeln, als das, was man heute im Großen und Ganzen lernt. Die dort thematisierte Sakralsoziologie ist eher unbekannt, aber sehr spannend und hilft beim Weiterdenken. Das Buch kann ich also nur empfehlen, wenn man tiefer in die Soziologie vordringen möchte. Die zweite Empfehlung ist „It can’t happen here“ von Sinclair Lewis aus dem Jahr 1935. Es beschäftigt sich in Satireform mit der fiktiven Wahl eines Faschisten zum Präsidenten der USA. Das Buch hat unverhofft an Aktualität gewonnen.

  • Julian Höhmann war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Allgemeine Soziologie

    Julian Höhmann stammt gebürtig aus Essen. Sein Interesse für soziologische Themen entstand teilweise während der Schulzeit – unter anderem durch die Rezeption gesellschaftskritischer Musiktexte und durch Diskussionen während seiner Zivildienstzeit.

    Nach Marburg kam er zum Studieren, weil die Form des Monobachelors es ermöglichte, sich ganz auf ein Fachgebiet zu konzentrieren. Nun schreibt er an seiner Dissertation zum Thema Gewalt und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Allgemeine Soziologie aktiv. Im ersten Semester lernen die Studierenden ihn als Übungsleiter in der Vorlesung Soziologische Theorien kennen. (Das Interviews führten Leonie Theiding und Robert Günther, Zeichnung von Annika Witt)

    Guten Tag, Herr Höhmann. Können Sie uns nochmal genau erklären, wie Sie zur Soziologie gekommen sind?

    Das generelle Interesse für gesellschaftskritische Themen entstand während der Schulzeit – vor allem durch gesellschaftskritische Musik, die wir vermehrt hörten. Irgendwann fingen wir an zu hinterfragen: Müssen gesellschaftliche Zustände so sein, wie sie sind? Was hält das Ganze im Kern eigentlich zusammen? Während meines Zivildienstes in einem Alten- und Pflegeheim ließen mich diese Fragen nicht los. Ein Pfleger gab mir daraufhin Überwachen und Strafen von Michel Foucault. Ein Buch, das natürlich super zum institutionellen Rahmen einer Pflegeanstalt passt. Die Lektüre hat mich motiviert, mich für ein Soziologiestudium einzuschreiben. Während des Studiums habe ich dann gelernt, dass ich Überwachen und Strafen beim ersten Lesen nicht wirklich verstanden habe (grinst).

    Sie haben Ihren Bachelor und Ihren Master in Marburg am Fachbereich 03 gemacht, kennen diesen Fachbereich dementsprechend gut. Was macht den Fachbereich 03 in Marburg für Sie persönlich besonders?

    Als ich angefangen habe, am Fachbereich 03 zu studieren, war vieles chaotisch. Das beherrschende Thema war: es gibt kein Geld, wir stehen alle vor der Pleite. Problematisch war auch, dass am Institut für Soziologie eine hohe Fluktuation herrschte, sodass wir während meiner Studienzeit drei verschiedene Professor*innen in Methoden hatten. Das hat sich mittlerweile aber erheblich gebessert. Die Mitarbeiter*innen, die da sind, machen sich sehr viele Gedanken über die Veranstaltungen und wie sie verbessert werden können, wie noch mehr auf die Bedürfnisse der Studierenden eingegangen werden kann - das prägt ganz stark das Institut und den Fachbereich. Mittlerweile viel stärker, als die Frage nach der finanziellen Situation. Ich denke, dass die Studierenden am FB03 mittlerweile sehr gut aufgehoben sind und es ihnen ermöglicht wird, die Entwicklung des Fachbereichs aktiv zu begleiten.

    Sie schreiben momentan an ihrer Dissertation. Wie läuft es damit so?

    Das pandemiebedingte Homeoffice ist für so eine Dissertation sehr erträglich. Ich kann mich öfter hinsetzen und an meiner Dissertation arbeiten. Vor allem längere Anfahrten fallen weg. Dadurch wird Zeit frei, die ich in konzentrierte Arbeit investieren kann. Ich habe das Gefühl, dass es deshalb gerade ganz gut läuft. Das Rahmengerüst steht mittlerweile und muss nun ausgebaut werden. Es fällt aber auch auf, dass der persönliche Kontakt mit Mitarbeiter*innen und Studierenden fehlt. Die direkten Gespräche lassen sich doch nur teilweise durch digitale Anwendungen ersetzen.

    Sie waren ebenfalls in der Aktiven Fachschaft Soziologie, richtig?

    Genau, ich war relativ kurz da und habe vor allem organisatorische Arbeit erledigt.

    Was macht gute Fachschaftsarbeit für Sie persönlich aus?

    Ich finde, dass die Fachschaft ein gutes Trainingsgelände für institutionell-politische Arbeit ist. Hier können sich Studierende an die institutionelle Selbstverwaltung herantasten. Bei Selbstverwaltung geht es ja vor allem viel darum, Netzwerke zu knüpfen, Kompromisse zu finden und Spielräume zu erkämpfen. Selbstverwaltung heißt ja eben nicht, dass alle machen können, was sie wollen. Selbstverwaltung habe ich immer eher als Kampf erlebt. Ein Kampf darum, seine Interessen möglichst laut hervorzubringen und diese in die Kompromisse einzuarbeiten. Gute Fachschaftsarbeit zeichnet sich daher dadurch aus, dass sie Interessen auf den Tisch bringt. In den meisten Gremien wird die Fachschaft natürlich von den anderen Statusgruppen überstimmt, aber sie kann lautstark auf bestimmte Umstände hinweisen und nach außen hin bestimmte Abstimmungsprozesse für die Studierendenschaft nachvollziehbar machen. Dann können die Studierenden sich eine eigene Meinungen über die Uni und ihre politischen Prozesse bilden.

    Zum Schluss wünschen wir uns, dass Sie den Lesenden zwei Lektüren empfehlen – eine private und eine soziologische.

    Wenn ich darf, würde ich drei Vorschläge machen: eine private, eine gemischte und eine soziologische. Privat würde ich jedem empfehlen David Foster Wallace zu lesen, vor allem Unendlicher Spaß, aber vertiefend auch die Essaysammlung Der Spaß an der Sache. Man sollte sich von dem Umfang dieser Bücher nicht abschrecken lassen, die Lektüre ist in jedem Fall ein Gewinn. Die Gemischte Empfehlung ist Virginia Woolf – sie beschreibt in ihren Romanen oft nur die Gedanken von Personen und erzählt über diese inneren Monologe die Geschichte. Die Gedanken erscheinen dann nicht so sehr als private, sondern vor allem als gesellschaftlich verwoben und beeinflusst. Die Lektüre ist damit aus soziologischer Perspektive höchst interessant und gleichzeitig literarisch sehr ansprechend. Meine soziologische Empfehlung ist Strukturen der Lebenswelt von Alfred Schütz und Thomas Luckmann. Es lohnt sich einfach immer wieder, sich mit diesem Buch auseinanderzusetzen. Es ist sehr dicht geschrieben und trotzdem sehr verständlich.

Was ist die aktive Fachschaft?
Wir sind ein freier Zusammenschluss von Studierenden des Studienganges Soziologie/Sozialwissenschaften. Unsere Mitglieder werden nicht gewählt, sondern engagieren sich ehrenamtlich neben dem Studium. Auch du kannst dich also gerne an der Fachschaftsarbeit beteiligen. Wie viel Zeit du für die Mitarbeit aufwenden willst und kannst, bestimmst du selbst.
Was macht die aktive Fachschaft?
Wir vertreten die Studierenden in verschiedenen Gremien und geben Ihnen ein Stimme in der Hochschulpolitik. Außerdem stehen wir euch in allen Belangen des Studiums beratend zur Seite.

Gremienarbeit

Als Fachschaft sind wir in verschiedenen Gremien vertreten, in denen über unsere studentischen Interessen und Belange verhandelt wird. Diese Gremien wollen wir hier kurz vorstellen.

  • Direktorium

    Im Direktorium werden all jene Dinge besprochen, welche die Belange unseres Instituts direkt betreffen. Dem Direktorium sitzt die Geschäftsführende Direktorin oder der Geschäftsführende Direktor des Instituts vor. Dieser Posten wird aus den Reihen der ProfessorInnen jedes Jahr neu besetzt. Neben allen ProfessorInnen und einigen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen gehört dem Direktorium auch ein stimmberechtigtes studentisches Mitglied an. Dieses Mitglied wird in der Regel aus den Reihen der Fachschaft Soziologie/Sozialwissenschaft gestellt. Dieses Gremium ist von großer Bedeutung, da hier viele studienrelevante Themen (wie z.B. die Gestaltung des B.A.- und des M.A.-Studienganges; aber auch die Lehrpläne) verhandelt werden. Hier können Verbesserungsvorschläge und neue Ideen eingebracht und diskutiert werden.

  • Fachschaftsrat (FSR)

    Im Fachschaftsrat sitzen die gewählten Mitglieder der einzelnen Fachschaften des Fachbereiches 03. Die Wahlen finden im Rahmen der allgemeinen Uni-Wahlen einmal im Jahr statt. Bisher war die Fachschaft Soziologie mit ein bzw. zwei Mitgliedern vertreten. Die Zahl der Mitglieder errechnet sich nach der Stimmenverteilung der einzelnen Fachschaften. Es gibt also die Chance ‚deine’ Fachschaft über diese Wahlen direkt zu stärken. Neben der Fachschaft Soziologie/Sozialwissenschaft tritt auch die Linke Fachschaft für deine Belange ein. Sie versteht sich als kritische und fächerübergreifende Fachschaft. Über den Fachschaftsrat werden die Mitglieder der verschiedenen anderen Gremien des Fachbereiches (die diversen Prüfungsausschüsse, der Studienausschuss, der Fachbereichsrat, etc.) gewählt und vorgeschlagen. In diesem Gremium sitzen also nur deine KommilitonInnen. Es ist entsprechend der einzige Ort, an dem die Studierenden ‚das Sagen’ haben. Hier werden viele studienrelevante Themen aus Sicht der Studierenden diskutiert und Vorschläge und Resolutionen verfasst, welche dann in den Fachbereichsrat eingebracht werden.

  • Fachbereichsrat (FBR)

    Der Fachbereichsrat ist, wenn man so will, das Direktorium des ganzen Fachbereiches. Im Fachbereichsrat sitzen ProfessorInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, Angestellte und Studierende aller Institute. Die studentischen Mitglieder werden vom Fachschaftsrat vorgeschlagen/gewählt. Hier werden alle Themen diskutiert, welche den Fachbereich als Ganzes betreffen. Es gibt aber auch viele Dinge, die ‚dein’ Institut betreffen und im FBR verhandelt werden. Wir als Fachschaft versuchen uns im Sinne unserer KommilitonInnen in diese Gremien einzubringen. Es ist also wichtig, dich mit der Fachschaft in Verbindung zu setzen oder dich direkt an der Arbeit zu beteiligen, wenn du im Laufe deines Studiums mit Problemen konfrontiert wirst, die jenseits dessen liegen, was im Rahmen der normalen Studienberatung besprochen werden kann.

Organisationsarbeit

  • Orientierungswochen

    Als Fachschaft organisieren wir auch immer zum Wintersemester eine Orientierungswoche für die ErstsemesterInnen (siehe auch S. 6). In dieser Woche werden studienrelevante Dinge erklärt und besprochen. Es steht aber vor allem das Kennenlernen der ErstsemesterInnen untereinander im Vordergrund. Neben vielen inhaltlichen Dingen soll also auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Du kannst dich auch hier jederzeit mit deinen Ideen einbringen. Wir freuen uns bei der Organisation und Durchführung über jede helfende Hand.

  • Erstsemester-Treffen

    Neben der Gremienarbeit und der Organisation und Durchführung der Orientierungswoche, versuchen wir auch über andere Veranstaltungen die Studierenden zusammenzubringen und Meinungen über das Studium zu sammeln. So veranstalten wir ‚Ersti-Treffen’, bei denen die Studierenden über ihre Erfahrungen im ersten Semester berichten können. Gemeinsam versuchen wir dann Lösungen für aufgetretene Probleme zu finden und diese umzusetzen.

  • Writing Week

    Um euch beim Verfassen eurer Hausarbeiten zu unterstützen, veranstalten wir einmal im Semester die "Writing Week". Diese findet meist am Ende eines Semesters statt und soll euch den Raum geben euch kreativ auszutauschen, Ideen zu finden bzw. weiterzuentwickeln oder Texte gegenzulesen und gegenlesen zu lassen. So möchten wir euch, neben der Einführungsveranstaltung und den Angeboten der Schreibwerkstatt der Unibib, eine weitere - studentisch organisierte - Möglichkeit zur Verbesserung eures Schreibprozesses bieten.

  • Bundesfachschaftentagung

    Ein- bis zweimal im Jahr findet in wechselnden Städten die Bundesfachschaftentagung (BuFaTa) der Soziologie/Sozialwissenschaften statt. In den vergangenen Semestern sind Mitglieder der Fachschaft beispielsweise nach München und Bielefeld gefahren, um dort andere Fachschaften kennen zu lernen und sich mit ihnen zu vernetzen. Diese Veranstaltungen werden von der Fachschaft finanziell unterstützt.

  • Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

    Auch Fahrten zu dem alle zwei Jahre in einer anderen Stadt stattfindenden „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ (DGS), organisiert die Fachschaft. Dort treffen sich SoziologInnen aus ganz Deutschland, um sich mit wechselnden Themen auseinanderzusetzen. In Kassel (2006) ging es beispielsweise um „Die Natur der Gesellschaft“ und in Jena (2008) um „Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen".

Mitmachen

Wie du siehst, gibt es in der Fachschaft viel zu tun und zu erleben. Und wir sind immer auf der Suche nach engagierten Studierenden der Soziologie, die Lust haben sich aktiv zu beteiligen umd mitzugestalten. Du hast die Möglichkeit dich in verschiedenen Gremien und Ausschüssen einzusetzen, innerhalb der Organisation unterstützend zu wirken, oder dir einfach nur einen Eindruck von Fachschaftsarbeit zu verschaffen.

Allen Fachschaftsmitgliedern der Soziologie haben wir auch einen Ilias-Ordner eingerichtet, in dem die Protokolle des Plenums und der verschiedenen Gremien veröffentlicht werden. Außerdem hast Du hier die Möglichkeit dich über Neuigkeiten und Stellenausschreibungen zu informieren, und Tagesordnungspunkte für die nächste Plenumssitzung einzubringen. Bei Interesse schreibt uns einfach unter dem Betreff "Iliaspasswort" an.

Die aktive Fachschaft Soziologie

E-Mail: fasozi03@students.uni-marburg.de
Twitter: fachschaft_soziologie
Instagram: fachschaftsoziologie
Facebook: fachschaftsoziologiemarburg
Treffen: jeweils Mittwochs 18.00 Uhr im FS-Raum im Institut für Soziologie
Adresse: Institut für Soziologie, Ketzerbach 11, D-35032 Marburg

Wir freuen uns über jedes neue Gesicht!
oder komm zu unserem wöchentlichen Treffen!