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DFG-Forschungsprojekt „Mediale Störungen. Strukturen und Funktionen von Fernsehsondersendungen in der politischen Medienkultur Deutschlands“

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Förderung des Forschungsvorhabens „Mediale Störungen. Strukturen und Funktionen von Fernsehsondersendungen in der politischen Medienkultur Deutschlands“ für die Dauer von zwei Jahren übernommen. Das Projekt wird in Kooperation des Instituts für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg (Leitung: Prof. Dr. Andreas Dörner) sowie der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der Bergischen Universität Wuppertal (Leitung: Prof. Dr. Ludgera Vogt) durchgeführt.
Erforscht werden soll, wie Sondersendungen, besonders ARD Brennpunkt und ZDF spezial, Störungen der ‚Normalität‘ aufgreifen und modellieren. Diese Störungen, die die Unterbrechung einer Ablaufs- und Funktionslogik bewirken und die beträchtliche Einschränkung einer gesellschaftlich definierten Normalität bedeuten, können einerseits Veränderungen markieren. Andererseits aber fordern sie zu einer Verständigung auf ‚Normalität‘ und zu deren Wiederherstellung auf. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser gesellschaftlichen Dynamik steuern solche Fernsehsondersendungen bei, die in der deutschen Fernsehlandschaft hauptsächlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt werden. Diese Sendungen inszenieren ein komplexes Geschehen, das darin besteht, eine eingetretene Störung zu konstituieren, ihren Entstörungsprozess zu begleiten, Entstörungsfolgen aufzuzeigen und vor allem die Wiederherstellung einer (symbolischen) Ordnung zu leisten. Dieser Akt weist in starkem Maße rituelle Aspekte auf.
Erkenntnisleitende Fragestellungen im Forschungsprojekt sind:

  1. Welches sind die Kriterien, die zur Produktion einer Sondersendung führen?
  2. Welches sind die Entscheidungs- sowie Produktionsabläufe und welche Akteure sind daran beteiligt?
  3. Welche gestalterischen Elemente prägen diese spezifische Form audiovisueller Texte?
  4. Welche Potentiale entfalten Sondersendungen bei der rituellen Störungsbearbeitung und auf welche symbolischen Ressourcen greifen sie dabei zurück?
  5. Wie gestaltet sich die Anschlusskommunikation über die Social-Media mit den Zuschauern?

Der Untersuchungsgegenstand erfährt seinen Zugang über das Konzept der ethnografisch eingebetteten Videoanalyse: Einerseits liefert der ethnografische Feldzugang (Interviews, Beobachtungen, Auswertung natürlicher Daten) notwendige Einblicke in Entscheidungs- und Produktionsprozesse. Andererseits erfolgt eine umfangreiche Materialanalyse der Vollerhebung von Sondersendungen im Untersuchungszeitraum 2015/16. Die Rückkoppelung beider Ansätze präzisiert Untersuchungsfragen und eröffnet einen tieferen Zugang zum Untersuchungsgegenstand. Durch das Forschungsprojekt wird angestrebt, eine Typologie zu erstellen, die es ermöglicht, systematisch den massenkommunikativen Prozess der Konstruktion von Störung, Entstörung und Wiederherstellung von Ordnung zu erfassen und ein Verständnis für dessen Funktion in der politischen Medienkultur Deutschlands zu schaffen.