16.04.2025 Interdisziplinäres Literaturwissenschaftliches Kolloquium (Sommersemester 2025)

Das Interdisziplinäre Literaturwissenschaftliche Kolloquium (ILK) ist ein Forum für Promovierende und PostDocs mit literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt, welches dem interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch und der Vernetzung dient. Im Rahmen des ILK finden im Sommersemester 2025 folgende Vorträge (hybrid) statt:
03. Juni 2025, 18 Uhr c.t., CNMS, Deutschhausstr. 12, Raum 00A09 oder im BigBlueButton-Raum
Dr. Kai Matuszkiewicz (Medienwissenschaft, Marburg)
Literatur und Spiel mischen? Überlegungen zum medialen Hybridraum von Literatur und digitalem Spiel
Abstract
Seit dem Aufkommen textbasierter digitaler Spiele in den 1970er-Jahren – wie bspw. das dem Genre seinen Namen gebende Textadventure Adventure (1976) – werden diese vielfach mit literarischen Werken verglichen oder gar selbst als Literatur bezeichnet. Aber auch jenseits von textbasierten digitalen Spielen gelten diese heute noch als Literatur oder als literarisch. Das 2019 erschienene Action-Adventure Death Stranding des japanischen Spieldesigners Hideo Kojima wird im Feuilleton nämlich nicht nur mit einer „Wagner-Oper“ (FAZ) und der ‚Autor‘ Kojima selbst mit gefeierten Filmregisseuren wie Steven Spielberg oder Francis Ford Coppola (3sat) verglichen, vielmehr ist sein Werk gespickt mit „literarischen Anspielungen“ (Die Zeit) auf Aldous Huxley oder Thomas Pynchon. Somit erscheint es ratsam, das Verhältnis zwischen Literatur und digitalem Spiel eingehender zu betrachten. Der Vortrag nähert sich dem Thema Literatur und digitales Spiel schrittweise an. So werden Fragen danach aufgeworfen, was wir als Literatur und Spiel begreifen oder was wir eigentlich unter einem digitalen Spiel verstehen. Darauf aufbauend widmet sich der Vortrag den Bezügen zwischen Literatur und Spiel sowie zwischen Literatur und Digitalisierung, ehe das Verhältnis zwischen Literatur und digitalem Spiel anhand von sechs konkreten medialen Bezugsformen ausführlich beleuchtet wird.
17. Juni 2025, 18 Uhr c.t., CNMS, Deutschhausstr. 12, Raum 00A09 oder im BigBlueButton-Raum
Dr. Sandra Aline Wagner (Germanistin, Limerick)
Monströser Remix: Vom Literaturklassiker zum Mash-up
Abstract
Mash-up Novels lassen sich als zeitgenössische Spielart phantastischer Literatur begreifen, in der klassische Werke der Weltliteratur oder historisch etablierte Stoffe mit Elementen des Horrorgenres – etwa Zombies, Vampire oder Werwölfe – angereichert werden. Die Gattung erlebte ihren Durchbruch mit Pride and Prejudice and Zombies¹ (2009), in dem der kanonische Roman von Jane Austen durch die Integration von Zombie-Action neu interpretiert und zugleich in das Horror-Genre transponiert wurde. In Reaktion auf den kommerziellen Erfolg des amerikanischen Vorreiters entstanden zwischen 2010 und 2011 auch im deutschsprachigen Raum mehrere Mash-up-Adaptionen: etwa Wolf G. Heimraths Werther, der Werwolf (2010), Peter H. Geißens Heidi und die Monster (2010), Susanne Picards Die Leichen des jungen Werther (2011) sowie Claudia Kerns Sissi, die Vampirjägerin (2011).
Der Vortrag gibt einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung des Mash-up-Genres und analysiert exemplarisch die Werther- und Heidi-Mash-ups im Hinblick auf die Transformation ästhetischer Strukturen und inhaltlicher Aussagen. Der monströse Remix fungiert dabei nicht nur als stilistischer Kunstgriff, sondern eröffnet auch neue Zugänge zu vermeintlich verstaubten Klassikern, indem er Ängste sowie popkulturelle Prägungen der Millennial-Generation produktiv in den Text integriert und so deren zeitgenössische Relevanz neu verhandelt.
¹Seth Grahame-Smith/Jane Austen: Pride and Prejudice and Zombies. The Classic Regency Romance - Now With Ultraviolent Zombie Mayhem. Philadelphia: Quirk Books, 2009.
08. Juli 2025, 17 Uhr c.t., CNMS, Deutschhausstr. 12, Raum 00A09 oder im BigBlueButton-Raum
Dr. Anna Bers (Germanistik, Göttingen)
Gar nicht ungewöhnlich, dennoch unbekannt: Phänomene des Performativen in der Lyrik
Abstract
Die Lyrik ist – nicht anders als das Drama – eine Gattung des Dazwischen: Gedichte stehen zwischen Text und Performance, zwischen Grafik und Klang, zwischen Lektüre und Aufführung, zwischen Philologie und Theaterwissenschaft. Die performative Seite von Lyrik wird in der Theorie der Gattung jedoch, anders als Gedichte als Schrifttext, nicht gleichermaßen wahrgenommen und systematisierend erfasst.
Zunächst soll deshalb ein begriffliches Instrumentarium vorgestellt werden, das die „Phänomene des Performativen“[1] systematisiert und kategorisiert. Zu unterscheiden wären (mindestens) die Kategorien (1) Performance, (2) Performbarkeit, (3) Performanz und (4) Performativität. So gibt es Texteigenschaften, die eine Performance (1, ein einmaliges Kunstwerk) erlauben oder begünstigen (3, Performbarkeit), und es gibt neben den ephemeren Eigenschaften der Performanz (3) Eigenschaften der Performance, die auf ein schriftliches Davor verweisen. In unserer Diskussion wollen wir anschließend gemeinsam ausloten, wie das mediale Dazwischen (die „Bipolarität‘[2]) sich als lyrischer Regelfall fassen lässt. Wir untersuchen ausgewählte Gedichte der Gegenwart als Beispiele für zwei Aggregatzustände ein und desselben Kunstwerks. Hierfür eignen sich besonders Texte, zu denen sowohl eine Performance- als auch eine Text-Fassung zugänglich ist. Zur besseren Konturierung des performativen Regelfalls sollen überdies Gedichte herangezogen werden, die Fragen an ein weiteres performatives Potenzial stellen: ihre Performativität (4), also die Möglichkeit, soziale Kategorien (etwa soziale Aspekte von Körperlichkeit oder Gender) zu erzeugen.
[1] Vgl. Anna Bers/Peer Trilcke: Einleitung, in: dies. (Hg.): Phänomene des Performativen in der Lyrik, Göttingen 2017, S. 9-58.
[2] Rüdiger Zymner: Lyrik. Umriss und Begriff, Paderborn 2009, S. 47.
14. Juli 2025, 18 Uhr c.t., CNMS, Deutschhausstr. 12, Raum 00A09 oder im BigBlueButton-Raum
Dr. Katharina Müller (Romanistik, Gießen)
Sprachliche Hybridität in der italo-brasilianischen Literatur: eine soziolinguistische Analyse der Sprachmischung zwischen Italienisch/Talian und Portugiesisch
Abstract
Literarische Texte, die sich mit der italienischen Einwanderung in Brasilien am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigen, sind ein frühes, aber bislang wenig erforschtes Beispiel für mehrsprachige Migrationsliteratur. Während die ersten italo-brasilianischen Texte in den 1920er Jahren von luso-brasilianischen Autor:innen (Alexandre Marcondes Machado alias Juó Bananére, Antônio de Alcântara Machado und Mário de Andrade) auf Portugiesisch mit Code-Switching ins Italienische verfasst wurden, entstanden wenig später in Rio Grande do Sul hybride Texte in der von den italienischen Einwander:innen gesprochenen venetischen Koiné, Talian, mit Code-Switching oder Code-Mixing (Auer 1999) ins Portugiesische. Diese Form der Sprachmischung hat oft eine stilistische oder humoristische Funktion, da mit im Portugiesischen und Talian oder Standarditalienischen gleich oder ähnlich lautenden Wörtern gespielt wird, sie dient aber auch zur Charakterisierung bestimmter Sprecher:innen oder mehrsprachiger kommunikativer Praktiken. Dabei spielen neben dem literarischen Code-Switching und Code-Mixing (Grutman 2024) auch metasprachliche Kommentare zum Sprachgebrauch oder zu Sprachkompetenzen eine wichtige Rolle (vgl. Ala-Risku 2024). So treten in den mehrsprachigen italo-brasilianischen Texten Italienisch/Talian und Portugiesisch in einen Dialog im Sinne der „intentionalen Hybridität“ von Bachtin (1979: 245), in dem sprachliche und kulturelle Unterschiede sichtbar gemacht, die Grenzen zwischen ihnen aber zugleich spielerisch vermischt werden.
Literaturverzeichnis
Ala-Risku, Riikka. 2024. “The Metalinguistic Dimension of Literary Multilingualism: Linguistic Biographies in Italian Fiction”. In: Forum for Modern Language Studies 60.1, 129–144. https://doi.org/10.1093/fmls/cqae001
Auer, Peter. 1999. “From code-switching via language mixing to fused lects: toward a dynamic typology of bilingual speech”. In: International Journal of Bilingualism 3, 309-332.
Bachtin, Michail M. 1979. Die Ästhetik des Wortes, hg. v. Rainer Grübel, Frankfurt: Suhrkamp.
Grutman, Rainier. 2024. “How Literary Texts ‘Stage’ Code-Switching”. In: Forum for Modern Language Studies, 60.1, 19–40. https://doi.org/10.1093/fmls/cqae022
Müller, Katharina B. 2015. “Code-Switching in Italo-Brazilian Literature from Rio Grande do Sul and São Paulo: A sociolinguistic analysis of the forms and functions of literary code-switching”. In: Language and Literature 24.3, 249-263.
Müller, Katharina B. 2022. Sprachliche Hybridität in der italo-brasilianischen Literatur: eine soziolinguistische Analyse der Sprachmischung zwischen Italienisch/Talian und Portugiesisch in literarischen Texten aus São Paulo und Rio Grande do Sul. Frankfurt: Peter Lang (= Iberolinguistica 8).
Müller, Katharina B. (angenommen): “Forms and Functions of Linguistic Hybridity in Italo-Brazilian Literature: Nanetto Pipetta, Stória de Nino Fradello de Nanetto Pipetta and Stória de Peder“. In: Critical Comparative Studies, Special Issue: Linguistic hybridity in literature.
23. Juli 2025, 18 Uhr c.t., online im BigBlueButton-Raum
Caterina di Guiseppe (Latinistik, Marburg)
Dreieiniges Theater: Einige Fallstudien zur Vermischung der Gattungen im römischen Volkstheater
Abstract
Das Theater ist im ersten Jahrhundert v. Chr. in Rom ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens. In der Literatur werden Theaterbesuche vielfach erwähnt. Indes ist unser Bild über das römische Theater vorwiegend von den literarischen Dramen aus der Blütezeit des dritten und zweiten Jahrhunderts v. Chr. bestimmt, d. h. insbesondere von den Komödien von Plautus und Terenz. Neben den älteren werden jedoch ab dem ersten Jahrhundert v. Chr. auch zeitgenössische Stücke gespielt, die dem sogenannten Volkstheater zugehören und nicht in den literarischen Kanon aufgenommen worden sind. Die Hauptgattungen der römischen Theaterproduktion im ersten Jahrhundert v. Chr. sind drei – die Atellane, der Mimus und der Pantomimus – die zeitlich aufeinander folgen, sich überschneiden und sich gegenseitig beeinflussen. Da Atellane, Mimus und Pantomimus – bis auf wenige Fragmente – nicht direkt überliefert sind, gewinnen wir fast all unser Wissen über sie aus zeitgenössischen oder späteren Zeugnissen; eine umfassende Analyse dieser Zeugnisse ist daher notwendig, um ihre Beziehungen genauer aufzeigen und Ähnlichkeiten und Unterschiede bestimmen zu können.
Der Vortrag gibt einen allgemeinen Überblick über die Beziehungen zwischen den drei Theatergattungen und analysiert insbesondere aus einer lexikalischen Perspektive ausgewählte Fallstudien, die die Vermischung im römischen Volkstheater zeigen. Ziel des Vortrags ist es, aufzuzeigen, inwieweit Atellane, Mimus und Pantomimus eng miteinander verbunden sind und dass die Grenzen zwischen den drei Gattungen nicht immer eindeutig erkennbar sind.
Auf dem Plakat zum ILK finden Sie eine Übersicht aller Veranstaltungen als PDF-Dokument zum Herunterladen oder Ausdrucken.