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Röntgen-Nahkanten-Absorptions-Spektroskopie (NEXAFS)

Wird eine Probe Röntgenstrahlung ausgesetzt, kann diese absorbiert werden. Ist die Photonenenergie höher als die Vakuumenergie, kann ein kernnahes Elektron (z.B. 1s) die Probe verlassen und z.B. im Rahmen einer XPS-Messung erfasst werden. Wählt man jedoch Photonenenergien in der Nähe der Vakuumenergie (daher der Namensteil „Nahkanten“), insbesondere knapp darunter, kann das Elektron die Probe nicht verlassen. Sollte es in diesem Bereich aber unbesetzte Zustände geben, ist eine Anregung dennoch möglich. Solche Anregungen sind Gegenstand von NEXAFS-Untersuchungen. Im Gegensatz zu XPS werden hier nicht direkt die Photoelektronen detektiert, sondern Augerelektronen, die bei der Abregung des Atoms entstehen. Wegen der geringen Ausdringtiefe dieser Elektronen ist NEXAFS äußerst oberflächensensitiv.

Da für NEXAFS-Messungen ein kontinuierliches Röntgenspektrum benötigt wird um die Photonenenergie im Bereich der Kante zu scannen, kann diese Methode nur an Synchrotron Anlagen verwendet werden. Aus diesem Grund fährt ein Team aus unserer Arbeitsgruppe mehrmals jährlich an den Berliner Elektronenspeicherring BESSY II.

Neben der spektroskopischen Information über unbesetzte Zielzustände, kann man sich eine weitere Eigenschaft der Synchrotronstrahlung zunutze machen um Orientierungen von Molekülen zu bestimmen: Die Röntgenstrahlung ist linear polarisiert. Anregungen, wie sie für NEXAFS wichtig sind, werden durch eine vektorielle Größe, das Übergangsdipolmomente, beschrieben. Nur wenn das Übergangsdipolmoment parallel zum E-Feldvektor der Strahlung liegt, erhält man maximale Intensität. Für den Fall einer Vorzugsrichtung von Molekülen auf einer Oberfläche, lässt sich durch Messung des Intensitätsverlaufes bei Variation des Winkels zwischen Probe und Strahl diese Vorzugsausrichtung bestimmen. Das winkelabhängige Verhalten wird Dichroismus genannt. Die Orientierung von Molekülen in Dünnfilmen lässt sich auch mit Beugungsmethoden (siehe XRD) bestimmen, allerdings ist NEXAFS auch in der Lage, dies für nichtkristalline und vor allem für extrem dünne Proben zu tun. Tatsächlich vermag NEXAFS die Orientierung von Molekülen in einer Monolage (nur eine Schicht von Molekülen auf der Oberfläche) zu bestimmen, was von großer Bedeutung für die Grenzflächenphysik ist.

Um das volle Potential dieser Methode ausschöpfen zu können, ist eine genaue Interpretation der Spektren wichtig. Zu diesem Zweck sind Simulationen notwendig, die eine genaue Zuordnung von Übergängen und Peaks in den Spektren erlauben. Für derartige Simulationen sind mehrere theoretische Ansätze bekannt. In unserer Arbeitsgruppe wird ein speziell für Anregungen kernnaher Elektronen ausgelegter DFT-Code namens StoBe verwendet.

   

Abbildung 1: Schema zur NEXAFS-Methode: Bunte Pfeile zeigen erlaubte Übergänge an, die zu Peaks im Spektrum führen, während graue Pfeile verbotene oder kaum sichtbare Übergänge markieren.

Typische Fragestellungen sind:

- Wie sind Moleküle in Oberflächen orientiert?

 → Untersuchung des Dichroismus

- Welche unbesetzten Zielzustände gibt es? Wie genau entsteht das NEXAFS-Spektrum?

 → Vergleich experimenteller Daten mit simulierten Spektren

Abbildung 3: Zu sehen ist der Vergleich eines experimentellen NEXAFS-Spektrums von Anthracene mit simulierten Daten. Die orangen und blauen Balken geben die berechneten Energien für verschiedenen Übergänge wieder.

Beispielhafte Publikationen unserer Gruppe, in denen NEXAFS genutzt wurde

  • Understanding the F1s NEXAFS Dichroism in Fluorinated Organic Semiconductors.
    Michael Klues, Paul Jerabek, Tobias Breuer, Martin Oehzelt, Klaus E. Hermann, Robert Berger, and Gregor Witte
    Journal of Physical Chemistry C 120 (23), 12693–12705 (2016) • DOI: 10.1021/acs.jpcc.6b04048
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  • Effects of Molecular Orientation in Acceptor-Donor Interfaces between Pentacene and C60 and Diels-Alder Adduct Formation at the Molecular Interface.
    Tobias Breuer, Andrea Karthäuser, Gregor Witte
    Advanced Material Interfaces 3 (7), 1500452 (2016) • DOI: 10.1002/admi.201500452
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  • Characterization of Orientational Order in π-conjugated Molecular Thin Films by NEXAFS.
    Tobias Breuer, Michael Klues, Gregor Witte
    Journal of Electron Spectroscopy and Related Phenomena 204 (A), 102-115 (2015), DOI: 10.1016/j.elspec.2015.07.011
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  • Lattice Matching as the Determining Factor for Molecular Tilt and Multilayer Growth Mode of the Nanographene Hexa-peri-hexabenzocoronene.
    Paul Beyer, Tobias Breuer, Saliou Ndiaye, Anton Zykov, Andreas Viertel, Manuel Gensler, Jürgen P. Rabe, Stefan Hecht, Gregor Witte, and Stefan Kowarik
    ACS Appl. Mater. Interfaces 6 (23), 21484–21493 (2014)
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  • Analysis of the near-edge X-ray-absorption fine-structure of anthracene: A combined theoretical and experimental study.
    Michael Klues, Klaus Hermann and Gregor Witte
    J. Chem. Phys. 140 (1), 14302 (2014)
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