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Forschung

Die vielfältigen Eigenschaften leitender und halbleitender organischer Moleküle haben bereits eine Reihe neuartiger technischer Anwendungen wie hocheffiziente Handy-Displays (z.B. AMOLED-Displays) oder organische Solarzellen ermöglicht. Dem steht allerdings ein noch unzureichendes Verständnis grundlegender physikalischer Prozesse solcher Systeme gegenüber. Um diese Wissenslücke zu schließen, werden in der Gruppe Molekulare Festkörperphysik geeignete Modellsysteme hergestellt, auf deren Basis ein fundamentales Verständnis dieser physikalischen Prozesse erlangt werden soll.

Spezieller Fokus liegt dabei auf folgenden Themen:

  • Präparation wohldefinierter Modellsysteme organischer Halbleiter
  • Korrelation struktureller und spektroskopischer Eigenschaften
  • Aufbau und Untersuchung prototypischer Anwendungen

Präparation wohldefinierter Modellsysteme organischer Halbleiter

Unser Ansatz ist es, Proben von hoher Ordnung und Reinheit herzustellen, um reproduzierbare Erkenntnisse über die Eigenschaften molekularer Festkörper zu gewinnen. Zur Erlangung ausreichender Probenqualität müssen je nach relevanter Substanz verschiedene Herstellungsansätze gewählt werden. In unserer Arbeitsgruppe werden solche Proben sowohl als wohldefinierte Dünnfilme mit typischen Dicken von 1-100 Nanometern im Ultrahochvakuum (mittels Organischer Molekularstrahldeposition) als auch als organische Einkristalle oder per Immersion präpariert.

Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die genaue strukturelle Charakterisierung der prozessierten Proben. Durch die Kombination verschiedener Mikroskopie-, Spektroskopie- und Beugungsmethoden können wir sowohl die Anordnung einzelner Moleküle auf Oberflächen, als auch die Kristallinität und molekulare Orientierung im Festkörper untersuchen (Genaueres unter Methoden).

In vielen Fällen werden auch weit über die erste Moleküllage hinaus die kristallinen Schichtsysteme durch die Eigenschaften des verwendeten Substrats beeinflusst. Dies ermöglicht das gezielte Einstellen der Dünnfilm-Eigenschaften durch geeignete Wahl des Substrats. Beispielsweise kann die globale Orientierung von Molekülen durch die Wahl passender Epitaxie-Relationen eingestellt werden. Dies ist speziell deshalb interessant, da molekulare Festkörper oftmals über eine starke Anisotropie ihrer optischen und elektronischen Eigenschaften verfügen. Auch die Reaktivität von Oberflächen resultiert selbst in Multilagen-Schichten in verschiedenen Schicht-Eigenschaften. Speziell reaktive Metalle wie Kupfer oder Silber induzieren oft völlig andere Adsorptions- und Wachstums-Modi als Isolatoren wie Siliziumdioxid oder Alkalihalogenide.

Hochgeordnete Dünnfilme aus Perfluoropentacen-Molekülen hergestellt auf verschiedenen Trägersubstraten.
Das Rasterkraftmikroskop erlaubt Einblick in die unterschiedlichen Oberflächenanordnungen (oben), durch Röntgenbeugungs-Messungen können die - stark unterschiedlichen - Orientierungen der Moleküle bestimmt werden (unten).

 Korrelation struktureller und spektroskopischer Eigenschaften

Ein bedeutendes Ziel unserer Arbeit ist es, Zusammenhänge zwischen strukturellen Charakteristiken der untersuchten Modellsysteme und ihren spektroskopischen, insbesondere elektronischen Eigenschaften zu untersuchen. Eine beispielhafte Fragestellung ist die, auf welche Weise Licht mit molekularen Festkörpern unterschiedlicher Orientierung wechselwirken kann. Zu diesem Zweck führen wir strukturaufgelöste spektroskopische Messungen an ausreichend geordneten Modellsystemen durch. In vielen Fällen zeigt sich, dass sich die Festkörper-Eigenschaften fundamental von denen einzelner Moleküle unterscheiden und insbesondere das Packungsmotiv im Festkörper - die räumliche Anordnung der Moleküle zueinander - die spektroskopischen Eigenschaften bestimmen. Infolgedessen können beispielsweise molekulare Dünnfilme unter dem Polarisationsmikroskop verschiedene Farberscheinungen aufweisen, je nachdem ob die Polarisation des Lichts parallel zu einer Richtung effektiver molekularer Stapelung ("parallel") oder zueinander verkippter Moleküle ("Zig-Zag") verläuft (mehr Details). Auch die Dynamik von Ladungsträgern in organischen Solarzellen wird entscheidend durch solche subtilen Unterschiede in der Festkörperstruktur bestimmt.

Die Farberscheinung im Polarisationsmikroskop wird entscheidend durch das Packungsmotiv der Moleküle (Schema in Aufsicht) bestimmt.

Die Farberscheinung im Polarisationsmikroskop wird entscheidend
durch das Packungsmotiv der Moleküle (Schema in Aufsicht) bestimmt.

Aufbau und Untersuchung prototypischer Anwendungen

An geeigneten Materialien verwenden wir unsere Expertise in der Kontrolle über Nanostrukturen und mikroskopische Prozesse, um prototypische Anwendungen zu entwickeln. Neben einer Vielzahl an Forschungen an organischen Feldeffekt-Transistoren in der Vergangenheit haben wir beispielsweise an der Entwicklung eines lichtkontrollierten Sensors zur Detektion von Wasserstoffperoxid auf Basis selbstassemblierender Monolagen in Kombination mit CdSe-Quantenpunkten mitgearbeitet (mehr Details). In einem weiteren Projekt wurde die Möglichkeit untersucht, die Form und Genexpression von Stammzellen durch Wahl des Wirtsubstrats zu bestimmen (mehr Details).
Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts wird in unserer Gruppe aktuell an der Entwicklung neuartiger photobioelektrochemischer Nachweiselektroden gearbeitet.
Die Realisierung prototypischer Anwendungen wird dabei stets von eingehender struktureller und spektrokospischer Charakterisierung begleitet, um auch in diesem Kontext fundamentale Wirkmechanismen zu untersuchen und die Zuverlässigkeit der realisierten Anwendungen zu verifizieren.

Forschungsverbünde

Neben einer Reihe von Kooperationsprojekten innerhalb und außerhalb der Universität Marburg ist unsere Forschung insbesondere in folgende Forschungsverbünde eingebunden:

GRK 1782: Funktionalisierung von Halbleitern
Das Graduiertenkolleg "Funktionalisierung von Halbleitern" beschäftigt sich mit der Entwicklung, Charakterisierung und Integration neuartiger Materialien auf momentan verwendeten Halbleitern.


SFB 1083: Internal Interfaces
Der Sonderforschungsbereich 1083 "Internal Interfaces" beschäftigt sich mit der spektroskopischen und strukturellen Analyse, sowie der theoretischen Modellierung vergrabener Grenzflächen diverser vergrabener Hetero-Grenzflächen.