Hauptinhalt

8. Mobiler Studientag feministische Rechtswissenschaft: "Queering the Family and the Law"

Freitag, 06. Februar 2015, 9.30 bis 20 Uhr im Sprachenzentrum, Biegenstraße 12, Sitzungssaal 00001

Demgegenüber steht eine zunehmende Ausdifferenzierung familialer Lebensweisen, die sich in die vorgegebenen Modelle einpassen muss, diese unterläuft oder herausfordert.Die klassische Familie ist weitgehend bestimmt durch die Idee einer Abstammungs- und Solidargemeinschaft, die auf einer heterosexuellen, monogamen und auf Dauer angelegten Liebesbeziehung aufbaut. Gesellschaftliche Vorstellungen, Familienpolitiken und rechtliche Regulierung sind in Bezug auf die Übernahme von Sorge- und Pflegeverantwortung, die Weitergabe von Kapital und die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsleistungen für vor- und nachgeburtliche Reproduktion an diesem Familienmodell ausgerichtet.

Der Studientag nähert sich der Frage, welche ambivalente Rolle dabei das öffentliche (Grundgesetz) und private (BGB) Recht im bürgerlichen Staat spielt. Zum einen strukturiert es das herrschende heteronormative und gesellschaftliche Verantwortung individualisierende Familienmodell durch personenstandsrechtliche, familienrechtliche und erbrechtliche Regelungen ganz entscheidend. Andererseits kann es eine Vorreiterrolle in deren Durchbrechung spielen, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Möglichkeit der Sukzessivadoption gleichgeschlechtlicher Elternschaft gezeigt hat. Drittens wird es selbst von gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen entscheidend beeinflusst, allem voran von der Abstammungsfixiertheit des gesellschaftlichen Diskurses um familiäres Glück. Doch oft läuft es der gesellschaftlichen Entwicklung auch oft hinterher, zum Beispiel wenn Männer Kinder bekommen oder Sorge im Alter in reichen Industrieländern immer weniger durch die Bio-Familien geleistet wird und werden will. Neben einer Analyse der diskriminierenden und emanzipatorischen Gehalte von Gesetzen und Rechtsprechung und der Verbindung rechtlicher und gesellschaftlicher Diskurse fragen wir uns auch, wie ein anderes Recht aussehen könnte, dass unterschiedliche Lebensweisen absichert ohne Abhängigkeiten und neue Normativitäten zu (re)produzieren.

Programm:

9:30 Begrüßung durch das Zentrum für Gender Studies und die Frauenbeauftragten der Universität Marburg

10:00 Workshop I – Familie, Geschlecht und Recht – hat das was miteinander zu tun?

11:30 Pause

11:45  Workshop II – Regenbogenfamilien zwischen Anerkennung und Ablehnung?

13:15 Mittagspause

14:15 Workshop III – Rechtlos gestellt – Familien außerhalb rechtlicher Normen

15:45 Kaffeepause

16:00 Workshop IV – Familie als Utopie – ist ein queeres Familienrecht möglich?

17:30 Pause

18:00 Gender Sneak

Workshop I – Familie, Geschlecht und Recht – Hat das was miteinander zu tun?

Die klassische Familie ist weitgehend bestimmt durch die Idee einer Abstammungsgemeinschaft und Solidargemeinschaft, die auf einer heterosexuellen, monogamen und auf Dauer angelegten Liebesbeziehung aufbaut. In unserem Workshop wollen wir aufzeigen, wo genau das Recht diese „Normfamilie“ reguliert, wie Geschlechterverhältnisse implizit durch diese normiert werden und welche Bereiche des Lebens dies alles betrifft.

Workshop II – Regenbogenfamilien zwischen Anerkennung und Ablehnung?

In unserem zweiten Workshop geht es um Regenbogenfamilien, die häufig als Beispiel für eine zunehmende Ausdifferenzierung familialer Lebensweisen genannt werden, da sie die vorgegebenen Modelle unterlaufen und herausfordern. Hier spielte das Recht auch eine Vorreiterrolle in der Durchbrechung von Vorstellungen der Normfamilie, gleichzeitig werden andere Modelle zementiert. Anhand aktueller Urteile wie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Möglichkeit der Sukzessivadoption durch gleichgeschlechtliche Eltern möchten wir das Spannungsverhältnis zwischen der Anerkennung und Ablehnung von queeren Familienkonstellationen darstellen.

Workshop III – Rechtlos gestellt – Familien außerhalb rechtlicher Normen

In unserem dritten Workshop wollen wir uns mit Familienkonstellationen beschäftigen, an denen das Recht bewusst „vorbei normiert“. In einem Teil dieses Workshops wird es um familiale Konstellationen in der Migration gehen, da sich hier zeigen lässt, wie aus aufenthaltspolitischen Erwägungen bestimmte Sorge- und Verantwortungsgemeinschaften nicht geschützt werden. Der andere Teil beschäftigt sich mit der Elternschaft von Trans*Personen und der Unmöglichkeit des Rechts, Geschlecht jenseits von Biologie zu denken.

Workshop IV – Familie als Utopie – Ist ein queeres Familienrecht möglich?

Vor dem Hintergrund der bereits erarbeiteten Problemfelder wollen wir aktuelle Utopien des Familienrechts diskutieren. Welche Alternativen sind als rechtliche Anknüpfungspunkte denkbar? Wie kann ein emanzipatorisches Familienrecht aussehen, das unterschiedliche Sorge- und Verantwortungsgemeinschaften schützt und absichert, ohne neue Normativitäten und Abhängigkeiten zu (re)produzieren? Unter Verdeutlichung der Vorteile und Risiken sowie der Verschränkungen mit anderen Herrschaftsverhältnissen wollen wir aktuelle Vorschläge diskutieren.

Zu den Referentinnen:

Alle Workshops werden von den Juristinnen Doris Liebscher und Juana Remus (beide Humboldt Law Clinic Grund- und Menschnerechte / HU Berlin) durchgeführt.

Die Teilnahme am Studientag ist kostenlos und offen für alle Interessierten, auch ohne juristische Vorkenntnisse. Die Veranstaltung richtet sich auch an Nicht-Studierende. Die Teilnehmer_innenanzahl ist auf 30 begrenzt.

Studierende des Studienprogramms „Gender Studies und feministische Wissenschaft“ können sich die Teilnahme als zusätzliche Leistung zum Studienprogramm vermerken lassen.

Der Studientag findet in Kooperation mit den zentralen Frauenbeauftragten der Philipps-Universität, dem Gleichberechtigungsreferat der Stadt Marburg und dem Feministischen Archiv Marburg statt.

Der Studientag wird gefördert durch den Ursula-Kuhlmann-Fonds der Philipps-Universität Marburg.