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ICWC Monatskolloquium "Geschlechtsspezifische Argumentation im Völkerstrafrecht. Die Nürnberger Prozesse 1945-1949"
Veranstaltungsdaten
16. Juli 2025 16:00 – 16. Juli 2025 18:00
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010 (SEM 00/0100) (Pilgrimstein 12, Seminargebäude (B | 07))

Dass kriegerische Handlungen mit dem Schutz von Frauen und Kindern legitimiert werden, stellt keine neue Erkenntnis dar. Wie die politikwissenschaftliche Forschung gezeigt hat, beruhen auch Vorstellungen von Krieg, Staat und internationalen Beziehungen auf binären Geschlechterbildern: ‚kämpfenden/beschützender Mann‘ und ‚friedfertige/schützenwerte‘ Frau. In Situationen, welche als krisenhaft wahrgenommen werden, greifen Gesellschaft und Politik häufig auf historisch gewachsene Rollenbilder zurück – Frauen erscheinen als Mütter, mit Kindern verschmolzen, passiv und schutzbedürftig. Diese Konstruktionen spiegeln sich auch sprachlich wider. Cynthia Enloe hat dieses widerkehrende Sprachmuster mit dem Begriff ‚FrauenundKinder‘ umrissen, um die geschlechtlichen Implikationen zu verdeutlichen. Im Zentrum meines Vortrags steht der Gebrauch des Begriffes ‚FrauenundKinder‘, wobei der Fokus auf der Verwendung von FrauenundKinder liegt, ohne dass Gewalt in einem besprochenen Tatbestand ausschließlich und konkret Frauen und Kinder beträfe. Dadurch erscheint die Paarformel semantisch vage und es kann der Eindruck entstehen, sie diene nur noch zur Stützung, Legitimation oder zur Emotionalisierung von Handlungen. Besonders im Hinblick auf juristische Sprache mit ihrem universalistischen Geltungsanspruch ist eine Untersuchung besonders lohnenswert. Vor diesem Hintergrund erörtere ich den Gebrauch des Begriffes in den Prozessprotokollen der Nürnberger Prozesse (1945-1949). Das Ziel besteht darin, anhand der Verwendung der Paarformel in rechtlichen und gerichtlichen Kontexten wie den Nürnberger Prozessen zu verdeutlichen, wie (juristische) Sprache nicht nur als neutrales Kommunikationsmittel fungiert, sondern auch normative Vorstellungen von Schutzbedürftigkeit und Opferrollen reproduziert und konstruiert und dadurch die juristische Wahrnehmung und Bewertung von Tatbeständen beeinflusst.
Referierende
Lucie Kahlert
Veranstalter
Prof. Dr. Stefanie Bock, Dr. Henning de Vries