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Ausstellungsbereich: Judentum

Die Ausstellung zu jüdischen Traditionen erscheint auf den ersten Blick eher unscheinbar, vergleicht man sie mit den Sammlungsschwerpunkten zu asiatischen Religionen. Im gleichen Raum werden neben Judaika auch Objekte aus dem Christentum ausgestellt. Von den insgesamt 202 jüdischen Objekten, diederzeit im Besitz der Religionskundlichen Sammlung sind, befinden sich aktuell 115 im Ausstellungsbereich. Doch Quantität ist nicht alles! Hinter vielen der hier ausgestellten Dinge verbergen sich sehr außergewöhnliche Geschichten, die vom Facettenreichtum des Judentums erzählen.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Zeremonialgegenständen zu Festen des Lebens- (Beschneidung und Bar/Bat Mizwa), und Jahreszyklus (Chanukka, Purim, Jom Kippur, Rosh ha-Shana und Pessach) sowie zum wöchentlichen Shabbat. Darüber hinaus finden sich Objekte, die die Themen „Tora“ und „Synagoge“ illustrieren. Highlights der Sammlung sind u.a. zwei Beschneidungs-Wimpel, die Darstellung einer chinesischen Synagoge sowie ein Wandamulett aus Jerusalem (gekauft 1934).

Foto: Heike Luu Signatur: Gk 013

Bei diesem Wandamulett handelt es sich um einen „Schutz gegen den Bösen Blick“, wie die Überschrift verrät. Es wurde von der Sammlerin Lydia Einsler in Jerusalem erworben und im Jahr 1934 nach Marburg verschifft. Das Amulett wurde in der Technik der Hinterglasmalerei hergestellt und mit einem Hintergrund aus Aluminiumfolie versehen. Beschriftet ist es mit einem hebräischen Bibelvers, speziellen Gottesnamen und Symbolen gegen den Bösen Blick. Die Frage nach dem Hersteller war lange Zeit ein ungelöstes Rätsel. Erst seit Kurzem wissen wir, dass es wahrscheinlich von Moshe Shah Mizrahi gefertigt wurde, der 1890 von Teheran nach Jerusalem ausgewandert war. Er besaß ein Geschäft für religiöse Bilder, Spiegel und Rahmen in der Altstadt und ließ die künstlerischen Traditionen seines Heimatlandes in seine Objekte mit einfließen.

Damit ist das Wandamulett ein Beispiel für die wenig bekannte, aber z.T. bis heute verbreitete jüdische Amulett-Tradition. Es illustriert darüber hinaus die generelle Intention der Religionskundlichen Sammlung, ihren Besucher*innen gerade auch Ungewöhnliches und Unerwartetes zu präsentieren und auf die Vielfältigkeit religiöser Traditionen aufmerksam zu machen.

Feste als Kernelement gelebter Religiosität

Dass das Judentum nicht nur eine abstrakte „Schriftreligion“ ist, sondern gerade durch den täglichen und jährlichen Festzyklus bestimmt, zeigen unsere Exponate auf eindrückliche Weise. In den Festen, die im Jahreszyklus oder anlässlich von Lebensereignissen begangen werden, materialisieren sich die Gebote und Erzählungen der Tora für Juden und Jüdinnen auf ganz konkrete Weise. Feste verbinden darüber hinaus die Teilnehmer*innen untereinander und sind ein Zeichen ihrer gemeinsamen jüdischen Identität, die sich nach außen hin deutlich wahrnehmbar in der Gesellschaft zu Wort meldet. Variiert auch die konkrete Umsetzung der Feste zwischen den verschiedenen jüdischen Gruppierungen erheblich, sind sie doch ein Zeichen der Kontinuität und Zusammengehörigkeit jüdischer Traditionen.