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Ein fürstliches Weihnachtsgeschenk für die Universität

Collectie Stad Antwerpen, Museum Plantin-Moretus
Titelblatt der Biblia Regia im Museum Plantin-Moretus

Für den Weihnachtstag des Jahres 1573 vermerken die Annalen der Universität Marburg ein fürstliches Weihnachtsgeschenk. Dort berichtet der Rektor Folgendes:

Eintragung über das Geschenk des Landgrafen zum Weihnachtsfest 1573 im Matrikelband der Universität Marburg (UniA MR 305m1 Nr. 1).

"Donauit etiam Illustrissimus Princeps et dns Dominus Wilhelmus Hassiae Lant- grauius etc. literatorum omnium summus Mecoenas, ipso die nativitati Christi sacro huius suae Celsitudinis Vniversitatis professores Bibliorum sacrorum voluminibus, quatuor linguis Hebraica, Chaldaica, Graeca et Latina redditis: vt et pro euidentiori sacrarum literarum intellectu diligenter legerentur, et ad sui memoriam in perpetuum omnium Professorum et Studiosorum vsum in Bibliotheca nostra asseruarentur. Pro quo tanto munere Principe viro et Mecoenate dignissimo tum Rector nomine totius Academiae, tum Theologi pro se, gratias quas potuerunt maximas in scriptis egerunt, et M. loannem Buchium Senatorem Cassellanum, per quem sua Celsitudo Biblia nobis offerri fecit, thaleris triginta exornarunt."

„Der erlauchtigste Fürst und Herr, Herr Wilhelm, Landgraf von Hessen etc. und größter Förderer aller Lehrenden, hat genau am Tag der heiligen Geburt Christi die Professoren dieser Universität seiner Hoheit mit Exemplaren der Heiligen Schrift beschenkt, gedruckt in den vier Sprachen Hebräisch, Chaldäisch, Griechisch und Lateinisch, damit sie zum besseren Verständnis der Heiligen Schrift gelesen werden und auch zu seinem Angedenken auf ewig zum Gebrauch aller Professoren und Studenten in unserer Bibliothek aufbewahrt werden. Für dieses große Geschenk ist dem Herrn Fürsten und hochverdienten Förderer zum einem vom Rektor für die gesamte Universität, zum anderen gesondert von den Theologen in Schreiben der tief empfundene Dank ausgesprochen worden, und Magister Johannes Buchius, Senator in Kassel, durch den seine Hoheit uns die Bibel überreichen ließ, ehrten sie mit 30 Talern.“ (Übersetzung: Monika Rener)

Nach der Geschichte der Universitätsbibliothek Marburg, verfasst von Gottfried Zedler, handelte es sich bei diesem Geschenk um eine Polyglottenbibel oder Biblia polyglotta, wie es in Zedlers Universallexikon aus der Mitte des 18. Jahrhunderts heißt: So benannt seien „diejenigen Auflagen der Bibel […], in welchen dem Grund-Texte einige Übersetzungen in andern Sprachen mit beygefüget sind“. Es werden vier Beispiele genannt, an chronologisch zweiter Stelle diejenige in acht Bänden, die König Philipp II. von Spanien 1569-1572 in Antwerpen drucken ließ. Diese Beschreibung vermittelt schon den Eindruck davon, dass es sich um ein kostbares und wirklich fürstliches Geschenk handelte, die Gabe von 30 Talern an den Überbringer, den späteren Hofbibliothekar Buch, unterstreicht dies noch. Denn bei der Summe handelte es sich um mehrere Monatsgehälter für einen Professor.

Collectie Stad Antwerpen, Museum Plantin-Moretus
Titelblatt der Biblia Regia im Museum Plantin-Moretus

Titelblatt der Biblia Regia im Museum Plantin-Moretus, Antwerpen.

Bei der Aufteilung der Marburger Bibliothek 1630 zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt fiel die Bibel an Hessen-Darmstadt und ging nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges mit nach Gießen. In dem darüber aufgestellten Verzeichnis führt sie die Liste der Bücher Darmstädter Bücher an: „Opus regium bibliorum quadri linguium, Antverpiae Anno [15]72 typis Pla[n]tinianis“, am Rande hinzugesetzt: „in 8 bünden“. In der dortigen Universitätsbibliothek ist sie aber heute nicht mehr nachweisbar. Die Abbildung aus dem Exemplar, das im Plantin-Moretus Museum in Antwerpen ausgestellt ist, zeigt den Aufbau der Seiten für das Alte Testament: In der linken Spalte stand der hebräische Text, daneben dessen lateinische Übersetzung, auf der rechten Seite in der rechten Spalte der griechische Text, in der linken dessen lateinische Übersetzung. Und unter der linken Seite ist der aramäische Text wiedergegeben (in dem Annaleneintrag als Chaldäisch bezeichnet), dazu wiederum eine lateinische Übersetzung unten auf der rechten Seite.

Collectie Stad Antwerpen, Museum Plantin-Moretus
Aufgeschlagene Doppelseite eines Bandes der Biblia Regie im Museum Plantin-Moretus in Antwerpen.

Doppelseite der Biblia Regia. Aufgeschlagen ist das erste Buch Mose (Genesis). Museum Plantin-Moretus, Antwerpen.

Warum die Bibel 1630 an Hessen-Darmstadt ging, ist nicht angegeben. Plantin wurde im katholischen Antwerpen der Sympathien für den Kalvinismus verdächtigt und druckte dann als Zeichen der Loyalität für den spanischen König mit dessen finanzieller Unterstützung diese Bibelausgabe. War sie damit für das kalvinistische Marburg uninteressanter als andere Bibelausgaben, die 1630 Marburg zufielen? Oder ging es nach Äußerlichkeiten? An der Spitze der Hessen-Kassel zufallenden theologischen Bücher stand eine ebenfalls achtbändige Ausgabe des Augustin.

Katharina Schaal

 

Universitätsarchiv Marburg, Bestand 305m 1 Nr. 2

Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand 17h Nr. 2288

Gottfried Zedler, Geschichte der Universitätsbibliothek zu Marburg von 1527-1887, Marburg 1896

Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafte und Künste, 1731-1754

Plantin polyglot, Wikipedia, the free encyclopedia (aufgerufen am 8. Dezember 2020)